Geht eine Abstimmung knapp aus, warten Politologen meist mit einem bunten Strauss an möglichen Erklärungen auf: das umstrittene Plakat-Sujet, das einer Seite zu einem kraftvollen Schlussspurt verhalf. Der Anti-Elite-Reflex, der doch stärker wirkte als vermutet. Oder die bekannte Politikerin, die sich öffentlichkeitswirksam gegen die eigene Partei aussprach.
Noch kaum je verwies ein Politikbeobachter in seiner Analyse jedoch auf den Wetterbericht. Dabei hat dieser einen «erheblichen Einfluss» auf die Schweizer Abstimmungsresultate, wie das «St. Galler Tagblatt» mit Verweis auf eine noch unveröffentlichte Studie von Basler und Luzerner Politökonomen schreibt.
Die Wissenschaftler Armando Meier, Lukas Schmid und Alois Stutzer werteten über 400 Volksabstimmungen in den Jahren zwischen 1958 und 2014 aus. Die Ergebnisse zeigten, dass die Stimmbürger bei schönem Wetter eher bereit sind, Risiken einzugehen. Bei Regen stimmten sie hingegen vorsichtiger. Glaubt man der Studie, sinkt der Ja-Anteil an regenverhangenen Abstimmungssonntagen um ganze 1,2 Prozent.
Daraus lassen sich gewagte Thesen ableiten: So wären die Schweizer 1992 bei trockenem Wetter möglicherweise dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beigetreten – und die Zweitwohnungs-Initiative wäre bei Regen versenkt worden.
Hätte es nicht geregnet, wäre die Schweiz 1992 dem EWR beigetreten. Dies behauptet eine neue Studie der @UniLuzern: https://t.co/IeK2RoYvdz pic.twitter.com/0q3hGM2atS
— Tagblatt Online (@tagblatt_ch) 4. August 2017
Die Wissenschaftler räumen ein, dass sich der Effekt seit Einführung der Briefwahl 1994 abgemildert habe – verschwunden sei er jedoch nicht. Rund 85 Prozent der Bürger geben ihre Stimme heute bereits vor dem Abstimmungssonntag per Post ab.
(jbu)