Schweiz
Gesellschaft & Politik

Schweiz: Stimmrecht ab 16 kommt auf Bundesebene erstmal nicht

Stimmrechtsalter 16 auf Bundesebene ist vom Tisch

28.02.2024, 17:0128.02.2024, 17:20
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Jugendliche Stimmrechtsalter 16 Kanton Bern Abstimmung
Nur in einem Schweizer Kanton können 16- und 17-Jährige derzeit wählen. Bild: Shutterstock

16- und 17-Jährige werden zumindest in nächster Zeit nicht auf nationaler Ebene stimmen und wählen können. Der Nationalrat hat nach einem jahrelangen Streit einen Vorstoss für die Einführung des aktiven Stimm- und Wahlrechts ab 16 Jahren definitiv beerdigt.

Mit 106 zu 84 Stimmen beschloss die grosse Kammer am Mittwoch, eine parlamentarische Initiative von Sibel Arslan (Grüne/BS) zum Stimmrechtsalter 16 abzuschreiben. Sie ist damit erledigt.

Noch im Juni 2023 hatte sich der Nationalrat für die Ausarbeitung einer Vorlage ausgesprochen - mit 98 zu 93 Stimmen. Schon in den Jahren 2020 und 2021 tat er dies.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) beantragte aber dem Nationalrat auch schon drei Mal, dem Vorstoss Arslans keine Folge zu geben respektive ihn abzuschreiben, so auch am Mittwoch. Eine Kommissionsminderheit wollte die SPK-N erneut mit dem Ausarbeiten einer Vorlage beauftragen.

Arslan wollte 16- und 17-jährigen das aktive Wahlrecht geben. Sie sollten also auf Bundesebene wählen und abstimmen können. Dass sie sich für eine Wahl zur Verfügung stellen können, war hingegen nicht geplant. Das wäre das passive Wahlrecht.

Für die Abschreibung der Initiative Arslan und damit gegen Stimmrechtsalter 16 sprachen sich die SVP- und die FDP-Fraktion aus, dazu ein Teil der Mitte-Fraktion. SP, Grüne und GLP waren für Stimmrechtsalter 16.

«Mündig wird man mit 18»

In der engagierten Debatte sagten die Gegnerinnen und Gegner des Stimmrechtsalters 16 vor allem, eine vergangenes Jahr durchgeführte Vernehmlassung habe ein klares Resultat gezeigt: Von den 25 teilnehmenden Kantonen sagten 15 Nein, 7 Ja, und 3 sagten weder Ja noch Nein.

In früheren Diskussionen im Nationalrat wurde für ein Nein auch vorgebracht, es sei nicht sinnvoll, das Mündigkeitsalter 18 vom aktiven Stimm- und Wahlrecht zu entkoppeln. Auch sei es problematisch, die Altersschwelle für das aktive und für das passive Wahlrecht zu trennen.

Die Befürworter sagten am Mittwoch etwa, es gelte, die Jugendlichen «nicht abzuhängen» (Patrick Hässig/GLP/ZH). Österreich kenne das Stimmrechtsalter 16. Das Medianalter der abstimmenden Bevölkerung liege derzeit in der Schweiz bei 57 Jahren.

SP-Sprecherin Nadine Masshardt (BE) sagte, in der Vernehmlassung hätten beispielsweise der Kaufmännische Verband und die Pfadibewegung Ja gesagt zum Stimmrechtsalter 16. Bereits in früheren Debatten sagten Befürworter, das politische Engagement junger Menschen sei markant gestiegen. Sie seien es häufig, die von politischen Entscheiden betroffen seien, etwa von einem Klimaschutzgesetz oder von der Ausgestaltung der Altersvorsorge.

Volksmehr wäre «unerreichbar»

Zu reden gab am Mittwoch insbesondere der Entscheid der SPK-N, trotz Aufforderung des Nationalrats keine Vorlage auszuarbeiten. Kommissionssprecher Christian Wasserfallen (FDP/BE) begründete diesen Entscheid auch mit dem klaren Resultat der kantonalen Abstimmung über die Einführung des Stimmrechtsalters 16 im Kanton Bern im September 2022. 67 Prozent der Bernerinnen und Berner sagten damals Nein.

Das Stimmverhalten des Kantons Bern sei meist repräsentativ für die Schweiz, so Wasserfallen. Das Resultat zeige deshalb, dass auch eine Mehrheit in der Bevölkerung gegen Stimmrechtsalter 16 sei. Das Stände- und das Volksmehr bei einer Volksabstimmung über Stimmrechtsalter 16 zu erreichen, wäre deshalb «schlicht unerreichbar», so der Berner Nationalrat.

Diese Aussage brachte Wasserfallen den Vorwurf von Masshardt, Arslan und von Grünen-Sprecher Balthasar Glättli (ZH) ein, es gehe derzeit nicht um eine Abstimmung. Es gehe um ein Verfahren des Nationalrats.

Masshardt und Glättli bezeichneten es als «pure Arbeitsverweigerung», wenn die SPK-N einen Auftrag zum Ausarbeiten einer Vorlage nicht beachte. Ein solches Vorgehen führe zu einem «dysfunktionalen Parlament». Es brauche eine Vorlage, und die könne man dann ja immer noch ablehnen, so Glättli.

Nur im Kanton Glarus

Die Einführung von Stimmrechtsalter 16 auf Bundesebene erfordert laut dem Vorstoss von Arslan eine Verfassungsänderung und bedingt damit automatisch eine Volksabstimmung.

In mehreren Kantonen scheiterte in den vergangen Jahren eine Senkung des Stimmrechtsalters an der Urne auf kantonaler Ebene. Nur Glarus kennt derzeit das Stimmrechtsalter 16. (sda)

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87 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Grüsel
28.02.2024 17:32registriert Dezember 2023
das menschliche Gehirn ist erst um einiges nach den 20. Lebensjahr voll ausgereift

Achtung, jetzt kommt „pöse Meinung“
Ich find‘s besser das Stimm- und Wahlrecht wieder auf 20 zu erhöhen, aus obengenanntem Grund. Ich war mal Lehrer an einer Berufsschule und weiss aus eigener Erfahrung wie Teens vieles noch nicht verstehen und Konsequenzen nicht oder schlecht einschätzen können. Kommt hinzu dass so junge Menschen (oft auch ü20jährige) ihr Wissen, ihren Intellekt und ihre Erfahrung masslos überschätzen und meinen sie verstünden die Welt und hätten Lösungen für alles.
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Dömp it
28.02.2024 17:55registriert November 2023
die Linken sind nur deshab Feuer und Flamme für Stimmrechtalter 16 weil sie sich davon mehr Wähler erhoffen. Junge Menschen sind sehr leicht zu beeinflussen und rennen praktisch jedem auch noch so doofen Trend hinterher.
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Denkerin2
28.02.2024 17:45registriert April 2022
Als der kommunistische Mao seine abscheuliche „Kulturrevolution“ plante, bei welcher Millionen Chinesen verschleppt und getötet wurden, wiegelte er explizit Schüler auf, die ihm dann als „rote Garden“ dienten. Mao sagte offen, dass die Jungen, die am wenigsten konservative Haltung hätten. Und deshalb beeinflussbar seien. Nach dem Ende der Kulturrevolution „entsorgte“ er sich seiner jungen „Handlanger“ kaltblütig, indem er sie für Jahre in die entlegensten Gebiete schickte.
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