Einige dachten an einen Scherz, als das Komitee «Kompass Europa» vor Tagen mitteilte: Kurt Aeschbacher und Bernhard Russi machen mit im Kampf gegen das EU-Rahmenabkommen. Aeschbacher und Russi? Haben sich der vormalige Fernsehmoderator und der vormalige Skirennfahrer je in der Öffentlichkeit politisch geäussert?
Das haben sie nicht. Russi scheint die Sache nicht ganz geheuer. «Ich glaube, dass dieses Abkommen besser verhandelt werden muss», teilt er mit. Weiter will er sich nicht äussern, denn es solle nicht der Eindruck entstehen, dass er auf einmal etwas von Politik verstehe.
Aeschbacher, wie Russi 72 Jahre alt, gibt sich selbstbewusster: «Wenn man für das Fernsehen im Showbereich tätig ist, bedeutet das nicht, dass man kein Hirn hat.» Er habe sich immer für Politik interessiert. Seine Verträge mit dem Schweizer Fernsehen hätten aber öffentliche politische Stellungnahmen ausgeschlossen. Daran habe er sich gehalten.
Aeschbacher hörte 2018 als Moderator seiner wöchentlichen Talkshow auf. Er tat das unfreiwillig, wie er verschiedentlich zu verstehen gab. Der damalige Fernsehchef Rudolf Matter war nicht als Ausbund an Einfühlsamkeit bekannt. Er teilte Aeschbacher, der zu den bekanntesten Fernsehgesichtern gehörte, die Absetzung seines Programms am Telefon mit. Und befand sich dabei auf dem Flughafen Wien. Selbst Aeschbachers Kritiker, die seinen Moderationsstil für betulich hielten, fanden das stillos.
Der Berner moderiert nun Veranstaltungen – die seit dem Ausbruch der Pandemie aber eine nach der andern abgesagt werden. Langweilt sich Aeschbacher? Schliesst er sich einem politischen Komitee an, weil er das Rampenlicht vermisst?
«Ich bin seit langem befreundet mit der Familie Gantner. Es gibt immer wieder spannende Gespräche mit Fredy Gantner», sagt er. So sei es dazu gekommen, dass er sich beim «Kompass Europa» engagiere.
Fredy Gantner ist Mitgründer der milliardenschweren Partners Group, einer Gesellschaft, die auf Vermögensverwaltung spezialisiert ist und ihren Sitz im zugerischen Baar hat. Gantner lehnt das EU-Rahmenabkommen ab. Er hält dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse vor, dass er vor allem die Interessen multinationaler Konzerne wahrnehme und darum den Vertrag befürworte. Gantner kündigte im vergangenen Herbst an, dass er ein Komitee aus Wirtschaftsleuten zusammenstelle, die sich gegen das Abkommen aussprächen.
Überraschenderweise präsentierte der «Kompass Europa» vor wenigen Tagen auf seinem Onlineportal dann nicht nur Unternehmer und Manager, sondern auch bekannte Figuren aus anderen Bereichen. Den Schriftsteller Rolf Dobelli zum Beispiel. Den Musiker (und Unternehmer) Dieter Meier. Den Kunsthändler und Galeristen Iwan Wirth. Und eben Bernhard Russi und Kurt Aeschbacher.
Nun denn, Herr Aeschbacher, was stört Sie am institutionellen Rahmenabkommen? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: «Bundesrat Cassis erklärte, er betätige in der Europapolitik den Resetknopf. Leider scheint er ihn nicht gefunden zu haben. Der Bundesrat machte einen riesigen Fehler, als er im Sommer 2019 erklärte, es brauche nur noch Klärungen beim Lohnschutz, der Unionsbürgerrichtlinie, den staatlichen Beihilfen. Dabei ist das Kernproblem des Rahmenabkommens die dynamische Rechtsübernahme und die vorgesehene Rolle des Europäischen Gerichtshofs. Das schränkt den Handlungsspielraum der Schweiz extrem ein.»
Uff! Aeschbacher redet weiter ohne Punkt und Komma, kritisiert die ausgeweitete Guillotineklausel und fügt an, mit dem jetzigen Rahmenvertrag könnte die Schweiz «grad so gut der EU beitreten.» Das ist eine gewagte Aussage. Es ist aber unverkennbar, dass sich der Moderator vertieft mit der Materie auseinandersetzt. Er kennt die Tücken des Vertrages. Und es wirkt nicht aufgesetzt, wenn er betont: «Die Einschränkung der Handlungsfreiheit der Schweiz betrifft mich als Bürger dieses Landes.»
Befürchtet er nicht, Moderationsaufträge zu verlieren, wenn er sich politisch positioniert? «Jä nu, das nehme ich in Kauf. Wir leben in einem Land der freien Meinungsäusserung.» Hat Herr Gantner ihm etwas bezahlt dafür, dass er beim Komitee mittut? «Das wäre eine Todsünde. Ich liesse mich doch nie kaufen für politische Haltungen.»
Aeschbacher versuchte als Moderator stets, seine Gäste mit Empathie zum Reden zu bringen. Ein Politiker darf vor der Konfrontation nicht zurückschrecken. Es ist darum unklar, ob Aeschbacher als Politiker reüssieren würde. Anderseits formuliert er geschliffen – und er ist sechs Jahr jünger als der neue Präsident der USA. Er sollte es vielleicht versuchen. Für welche Partei? Die SVP? Für Aeschbacher kommt das nicht in Frage: «Wenn jemand behauptet, ich stehe der SVP nahe, ist das eine boshafte Unterstellung. Ich vertrete liberales Gedankengut.»
Ich würde es jedenfalls begrüssen 🙃
Was ich vermisse ist eine aktive Mitgestaltung des InstA, ich höre immer nur nein, nein, nein und das genügt nun mal nicht auch wenn man Aeschbi oder Russi heisst.