«Herausforderung» ist das Lieblingswort der Post. Postverzollungs-Chef Felix Stierli benutzt es gern und oft. Stierli, der durch die Medienkonferenz im Verteilzentrum Mülligen führt, sagt Dinge wie: «Wir sind froh um die vielen Päckli aus Asien, aber sie sind auch eine Herausforderung», oder «wir müssen sicherstellen, dass keine verbotene Ware ins Land kommt, das ist die grosse Herausforderung».
Seit rund acht Jahren werden hier in Schlieren im Auftrag der eidgenössischen Zollverwaltung Pakete verzollt und versteuert. 70'000 «Kleinsendungen mit Wareninhalt», also etwas zwischen Brief und Paket, rutschen täglich durch die Hände der Postmitarbeiter. Allein ein Viertel der Import-Sendungen stammt aus dem asiatischen Raum. Meistens sind diese nicht oder nur ungenügend deklariert.
«Eine grosse Herausforderung!», sagt Stierli feierlich. Und noch feierlicher: «Darüber freuen wir uns!» Freuen solle sich auch der Kunde (Stierli: «Hurra, ich habe meine Sendung bekommen!»), doch manchmal wird die Freude gedämpft, wenn mit dem Paket auch die Rechnung für eine Zollgebühr kommt, die fast so hoch ist wie das bestellte Produkt selber.
Deshalb will Stierli nun zeigen, wie diese Gebühren zustande kommen, «was da überhaupt abgeht in der Postverzollung».
Es hat erstaunlich wenig Lärm und erstaunlich wenig Leute in diesem blechernen Labyrinth. Fast lautlos gleiten die Pakete über die Fliessbänder an der Decke und rutschen durch die erste Kontrollstelle. Dort stehen jeweils zwei Arbeiter. Einen grünen Kleber gibt's für alle abgabefreien Pakete (also solche mit einem Wert unter 64 Franken und als «Geschenk» deklarierte bis 100 Franken), einen roten für solche, die verzollt oder überprüft werden müssen.
Es ist harte Arbeit: Paket schütteln, rumdrücken, Deklarationsangaben checken, rot, grün, grün, grün. Nach drei Stunden wird das Personal ausgewechselt. «Es ist eine riesige Herausforderung, das richtig zu identifizieren», sagt Stierli.
Von den täglich 70'000 Sendungen erhalten 95 Prozent einen grünen Kleber und werden weitergeschickt, die restlichen fünf Prozent werden ausgesiebt. Letzteres ist einerseits der Fall, wenn der Absender ordnungsgemäss deklariert hat, dass bei der Lieferung Abgaben wie Mehrwert- oder Alkoholsteuern fällig werden, die dann hier von der Post verrechnet werden, oder andererseits wenn die Sendungen den Postangestellten auffallen.
Selim beispielsweise, eine der Postzöllnerinnen, entscheidet innert Sekunden, ob bei einem Paket getrickst wurde oder nicht. Sie fischt ein x-beliebiges aus dem Haufen: Kamera, neu, steht drauf. Warenwert auf dem Deklarationszettel: fünf Dollar. Roter Kleber. Wenn die Postzöllner Glück haben, haftet ein Lieferschein hinter Klarsichtfolie auf dem Paket, wo der Warenwert meist korrekt deklariert ist.
Alle rot beklebten Pakete werden gelagert. Der Empfänger, der auf sein Paket wartet, muss innert 28 Tagen schriftlich angeben, welchen Wert die Lieferung hat. Die Post lässt diesen dann allenfalls auch einschätzen. Falls danach Abgaben fällig werden, werden diese bei der Lieferung erhoben. Ausserdem wird das Paket geröntgt und geöffnet. Auch da entscheiden geübte Hände und Augen, ob hier jemand eine Lieferung am Zoll vorbeischmuggeln will.
Tanja, eine der Postzöllnerinnen, erkennt innert drei Sekunden, dass die Gebetskette, die mit 30 Franken deklariert ist, knapp 300 Franken kosten muss. «Das ist hochwertige Ware; echte Steine, Handarbeit. Wir hatten schon viele von diesen, die viel teurer waren», sagt sie. «Die spektakulärsten Funde? Ein menschlicher Schädel. Der wurde dann von x Behörden geprüft. Oder tote und lebende Tiere, das gibt's auch immer wieder», sagt Tanja.
Beim nächsten Paket fällt ihr Verdikt noch schneller aus: «Gefälschte Rolex. Wenn ein Onlinehändler gerade Aktion hat, haben wir hier Dutzende davon.» Den Wert einer Textilie erkennen die Postzöllner genauso rasch wie Drogenverstecke. Fälschungen werden beschlagnahmt, Drogenlieferungen dem Zoll gemeldet, der dann ein Verfahren einleitet, falsch Deklariertes wird neu berechnet.
Stierli zeigt so eine Rechnung, die niemand haben will: Rund 96 Franken kostete die Ware, aber weil sie falsch deklariert wurde, musste sie in die Besichtigung (plus 13 Franken), wurde dann vom Zoll nochmals zurückgeschickt (plus 13 Franken), angemessen verzollt (plus 18.90 Franken) und versteuert (11.20 Franken). Rechnung: 56.10 Franken. «Mehrwertsteuer abfeiern», sagt Stierli dazu.
Das Marktvolumen ist im letzten Jahr massiv gestiegen. 2015 hat die Post so viele Pakete zugestellt bekommen wie noch nie: über 115 Millionen, das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme von drei Prozent. Treiber dieses Wachstums ist der Onlinehandel. «Wachstum freut jedes Unternehmen», sagt Paket-Leiter und Postlogistics-Geschäftsleitungs-Mitglied Stefan Luginbühl, «die Post profitiert».