Nächstes Jahr dürften die Krankenkassen-Prämien in der Schweiz erneut um rund fünf Prozent steigen. Das macht laut Berechnungen des Vergleichsdienstes Comparis allein in der Grundversicherung 270 Franken mehr pro Person und Jahr. Doch nicht nur deshalb reissen die Gesundheitskosten vielen Versicherten ein immer grösseres Loch ins Portemonnaie: Während die Prämien ungebremst steigen, sparen viele Kantone gleichzeitig bei den individuellen Prämienverbilligungen.
So debattiert der Schwyzer Kantonsrat heute über eine Kürzung der Verbilligungen. Bereits jetzt ist klar, dass sämtliche 32’000 Bezüger Abstriche hinnehmen müssen. Die Frage ist nur noch, in welcher Höhe. Der Berner Regierungsrat gab im August bekannt, dass er nächstes Jahr 26 Millionen Franken weniger für Prämienverbilligungen ausgeben will als ursprünglich budgetiert. Betroffen sind 120’000 Personen – oder vier der fünf Einkommensklassen.
Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die bereits seit Jahren im Gang ist: Profitierten um die Jahrtausendwende schweizweit 32,2 Prozent der Bürger von staatlich verbilligten Prämien, waren es im Jahr 2014 noch 26,9 Prozent (aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar). Die Bezügerquoten sanken in diesem Zeitraum in fast allen Kantonen – teilweise drastisch. So erhielten im Thurgau im Jahr 2000 noch über 47 Prozent der Versicherten Prämienverbilligungen, heute sind es noch gut 27 Prozent.
Auch die finanzielle Belastung jener, die Prämienverbilligungen erhalten, nahm in den letzten Jahren zu: Die betroffenen Haushalte wendeten im Jahr 2014 durchschnittlich zwölf Prozent ihres Einkommens für die Krankenkasse auf – 2010 waren es noch zehn Prozent, wie ein Monitoring des Bundes zeigt. Ursprünglich war das Ziel des Bundesrats, dass kein Haushalt mehr als acht Prozent seines Einkommens für die obligatorische Krankenkasse ausgeben muss.
SP-Gesundheitspolitikerin Barbara Gysi ist alarmiert: «Gerade für Familien und Leute mit tiefen Einkommen hat die Prämienlast das Mass des Erträglichen längst überschritten.» Angesichts des ungebremsten Prämienwachstums sei es verantwortungslos, wenn die Kantone zusätzlich noch an der Sparschraube drehten.
Die Sozialdemokraten brüten momentan über dem Text für eine Volksinitiative, die die Prämienbelastung pro Haushalt auf zehn Prozent des verfügbaren Einkommens beschränken will. Geplant ist, die Kriterien für den Bezug von Prämienverbilligungen zwischen den Kantonen zu vereinheitlichen. «Es darf doch nicht vom Wohnort abhängen, wie stark eine Familie unter den Prämien leidet!», so Gysi. Weiter soll der Bund nach dem Willen der SP mehr an die Verbilligungen beisteuern. «Es führt kein Weg daran vorbei, mehr Geld in die Hand zu nehmen.»
Auch bei der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren ist man nicht glücklich über die Entwicklung. «Es ist leider so, dass die Prämienverbilligungen zunehmend zum Spielball der Finanzpolitik werden», bedauert Zentralsekretär Michael Jordi. Von einer «einschränkenden Harmonisierung» der Regeln wollten die Kantone aber nichts wissen. «In der Tat sind die Ausgangslagen in den Kantonen sehr unterschiedlich – es muss möglich bleiben, die Sozialpolitik nach den eigenen Bedürfnissen auszurichten.»
Weiter sei zwischen einer Kürzung und einer Optimierung der Prämienverbilligungen zu unterscheiden: «Wenn ein Kanton etwa dafür sorgt, dass ein Studienabgänger nicht noch Jahre weiter Prämienverbilligungen bezieht, obwohl er längst Vollzeit arbeitet, ist das zu begrüssen.»
Für SVP-Nationalrat Heinz Brand, Präsident des Krankenkassenverbands Santésuisse, sind die Vorschläge der Sozialdemokraten reine Symptombekämpfung. «Das Gesundheitswesen ist ein Moloch, der endlos Geld verschlingt – da kann man noch so viel hineinpumpen.» Wichtiger sei es, dafür zu sorgen, dass die Prämien nicht noch weiter ansteigen. «Sonst wird der Gap zwischen dem Kostenwachstum einerseits und den Abstrichen bei den Verbilligungen andererseits für viele Familien tatsächlich unerträglich gross.»
Brand räumt ein, dass es schwierig sei, eine griffige Lösung zur Dämpfung des Kostenwachstums zu finden. Ein guter Ansatz wäre aus seiner Sicht jedoch etwa eine Beschränkung der Ärztezulassungen.