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Drogen-Welle im Baselbiet: Mutter erzählt, wie der Sohn entglitten ist

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Drogen-Welle im Baselbiet: Eine Mutter erzählt, wie ihr der Sohn entglitten ist

Der Fall machte landesweit Schlagzeilen. Das Leid der Eltern geht vergessen. Die bz sprach mit der Mutter eines Sekundarschülers, der mit Xanax-Pillen dealte und sie auch selber schluckte.
23.01.2020, 16:23
Benjamin Wieland / ch media
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Drogen Dealer Strassenhändler
«Es begann mit Kiffen»: Gerade Alleinerziehende solidarisierten sich oft mit dem Kind, sagt eine Mutter.Bild: Shutterstock

Sie redet wie ein Wasserfall. Doch immer wieder gibt es Pausen. Sie muss durchatmen, sagt Dinge wie: «Ich kann das alles gar nicht richtig glauben.» N. M.* ist alleinerziehende Mutter. Vor Kurzem wurde ihr Sohn von Jugendpolizisten abgeholt. Er hatte Xanax konsumiert, vertickte Pillen in der Freizeit an Gleichaltrige.

Unter Jugendlichen in der Region wird laut einem Bericht der «Zeit» im grossen Stil mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gedealt. Auf Baselbieter Pausenhöfen und im Ausgang sei es nicht nur eine Leichtigkeit, an Cannabis heranzukommen. Hoch im Kurs stünden jetzt auch Stoffe wie Xanax, Oxycodon, Tramadol und Hustensaft. Vergangene Woche wurde ein Zwölfjähriger Sekundarschüler aus Gelterkinden ins Spital gebracht. Offenbar hatte er so viele Xanax-Pillen geschluckt, dass er kaum noch gehen konnte. Fachleute haben schon lange Alarm geschlagen. Im Dezember sprachen zwei Baselbieter Jugendanwälte in der «Schweiz am Wochenende» von einer kommenden Drogenwelle.

Sind Fachstellen unterdotiert?
Die Vorfälle mit Xanax-Pillen auf Baselbieter Schulhöfen hat die Politik auf den Plan gerufen. Miriam Locher stellt einen Vorstoss in Aussicht, in dem sie vom Regierungsrat Antworten zu möglichen Massnahmen verlangt. Das schreibt die «Basler Zeitung». So soll die Regierung aufzeigen, wie der Medikamentenmissbrauch von Schülern und Jugendlichen reduziert werden könne. Die SP-Landrätin und Kindergarten-Lehrerin will zudem wissen, ob die verschiedenen Präventionsfachstellen im Landkanton personell genügend hoch dotiert sind. Der Münchensteinerin schwebt auch vor, dass die beiden Basel bei der Jugendpolizei und Prävention stärker zusammen arbeiten. «Es ist dringend an der Zeit, da zu reagieren», sagt Locher zur bz. Sie will das Postulat an der kommenden Landratssitzung am 30. Januar einreichen. (bwi)

Der 16-Jährige, von dem das Interview handelt, besucht eine Sekundarschule im Unterbaselbiet. Aus Rücksicht auf den Sohn will die Mutter nicht mit Namen genannt werden.

Wie haben Sie die Drogenprobleme Ihres Sohnes bemerkt?
N. M.*: Er begann mit Kiffen, das war vor etwa zwei Jahren. Dann stieg er auf Medikamente um, brauchte immer mehr Geld, war immer öfters abwesend, hatte Probleme in der Schule. Und irgendwann war dann die Polizei bei uns zu Besuch: Er hatte mit Pillen gedealt.

Geht es zu lange, bis die Repression zieht?
Meiner Erfahrung nach: Ja. Das ist gerade für Alleinerziehende wie mich verheerend. Ich tappte in die Mitleidsfalle, wie andere auch, wenn ihr Kind plötzlich Probleme hat. Kinder können ihre Eltern um den Finger wickeln, werden manipulativ. Zuerst heisst es, die Freunde seien die Bösen, sie selber hätten gar nichts getan. Dann heisst es, es sei nur einmal passiert, das komme nicht mehr vor. Sie spielen alles herunter, lügen. Selber hält man dann zum Kind. Diese Solidarität ist kontraproduktiv.

Wie können Eltern aus diesem Teufelskreis ausbrechen?
Man muss Grenzen setzen. Und vor allem: konsequent sein. Drogen: Nein! Ein No-go! Gibt’s bei mir nicht. Das habe ich auch immer so gesagt, geschrien sogar! Man sollte auch nicht nur den «schlechten» Kollegen Hausverbot geben, sondern auch dem eigenen Kind, wenn es sich nicht an die Regeln hält.

FILE - This Tuesday, Feb. 19, 2013, file photo shows pills of the painkiller hydrocodone at a pharmacy in Montpelier, Vt. The Food and Drug Administration said Wednesday, Aug. 31, 2016, that the agenc ...
Gefährlich und beliebt: XanaxBild: AP/AP

Gehen die Schulen, die Polizei, die Jugendstaatsanwaltschaft richtig vor, oder gibt es dort auch Defizite?
Wenn die Polizei vorbeikommt zu Hause, weil der Sohn «dreingelaufen» ist, dann läuft das ruhig ab, professionell, zuvorkommend. Aber die Polizisten bohren nicht weiter. Ich erhielt einen eingeschriebenen Brief mit einer Nummer drauf, um einen Besuchstermin vereinbaren zu können. Mein Sohn war ja in Untersuchungshaft. Aber dass ich selber auch Unterstützung benötigen könnte, an das wurde nicht gedacht. Dabei sind solche Momente auch für die Erziehungsberechtigten ein Schock. Man wird bestimmte Momente und Bilder nicht wieder los.

Das Infragestellen der Werte der Erwachsenen gehört zur Jugend. Wogegen rebellieren heutige Jugendliche, wenn sie sich mit Angstlösern zudröhnen?
Das habe ich mich auch schon gefragt. Und ich habe keine richtige Antwort gefunden. Es gibt sicher viele, die frühkindliche, nicht oder nicht richtig behandelte Traumata mit sich herumtragen. Unsere heutige Gesellschaft ist da nicht gerade hilfreich. Es herrscht eine grosse Konsumgeilheit. Sie vermittelt das Gefühl, man könnte alles kaufen, es brauche nur genug Geld. Da ist das Dealen eine riesige Verlockung: Rasch Kohle machen. Hier kommen schlechte Vorbilder ins Spiel. Auch mein Sohn hatte Kontakt mit Erwachsenen, die ihm zum Teil die Medikamente verschafft haben. Ich vermute auch, das Digitale hat eine Mitschuld, die Smartphones üben einen schlechten Einfluss aus. Die Teenager sind unter Druck, müssen mithalten, um dabei zu sein. Allzu oft sind auch die Verhältnisse zu Hause schwierig und dies bedeutet, dass sie oft ohne Schutz, ohne Erholung da stehen und ihr Selbstvertrauen leidet. Sie kompensieren diese Defizite dann in Peer Groups.

Was macht das Smartphone mit den Jugendlichen?
Das Teilen von Bildern und Videos inklusive Mobbing-Gefahr ist schrecklich, und das läuft meist über Snapchat, Instagram und so weiter. Das Smartphone erlaubt es den Jungen auch, allein zu sein, ohne sich einsam zu fühlen. Alle sind ja online. Trotzdem fehlt das Kollegiale, das gemeinsame Erleben in der realen Welt. Wer nur noch am Smartphone hängt, der entwickelt dieses Gefühl nicht. Übrig bleibt eine totale Lust- und Antriebslosigkeit. Sie haben null Bock. Wenn ich meinen Sohn und seine Kollegen kritisiert habe für ihr Rumgehänge, hiess es nur: Chill mal! Es macht mich traurig, wenn ich Jugendliche sehe, an der Bushaltestelle, dunkle Kleider, die Kapuze hochgezogen, Blick nach unten. Junge Männer, in der Blüte ihrer Kraft, haben einen Buckel, weil sie immer aufs Natel starren.

Die aktuelle Drogenwelle scheint vor allem die Agglomeration zu treffen, nicht die Stadt. Weshalb?
Meine Vermutung: Im Dorf gibt es noch feste Strukturen. Man kennt sich. In der Stadt gibt es die Herausforderungen, die Durchmischung. Man muss aufpassen, nicht unterzugehen. Die Agglomeration ist überschaubar, aber trotzdem anonym. Die Jungen haben alles, und trotzdem fehlt vielen etwas Elementares. Sie können aber nicht richtig rebellieren. Also rebellieren sie gegen ihr eigenes Leben.

*Name der Redaktion bekannt.

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120 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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giandalf the grey
23.01.2020 16:56registriert August 2015
Wer hätte gedacht, dass sich Kinder und Jugendliche in einer rein leistungsorientierten Gesellschaft in einer Welt der Klimakatastrophe und des Populismus betäuben wollen könnten, obwohl sie bei ihren Rap-Idolen auf Social Media live dabei zuschauen können, wie solche Betäubungsmittel Menschen innert kürzester Zeit dahinraffen und umbringen?
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Cirrum
23.01.2020 16:45registriert August 2019
Es begann mit Kiffen... ich kanns nicht mehr hören.. wieso sagt man nicht; es begann mit Alkohol..
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Toerpe Zwerg
23.01.2020 18:00registriert Februar 2014
No Drugs also Prämisse ist Teil des Problems. Jeder und jede muss einen Umgang damit finden. Das kann Abstinenz sein, muss aber nicht.
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