Schweiz
Justiz

Darf man Polizisten filmen? Dürfen Polizisten einem das Handy wegnehmen? Antworten auf schwierige Fragen

Polizeieinsatz gegen Störefriede an SVP-Kundgebung im Hauptbahnhof Zürich wird von zahlreichen Schaulustigen gefilmt (30.07.2015).
Polizeieinsatz gegen Störefriede an SVP-Kundgebung im Hauptbahnhof Zürich wird von zahlreichen Schaulustigen gefilmt (30.07.2015).

Darf man Polizisten filmen? Dürfen Polizisten einem das Handy wegnehmen? Antworten auf schwierige Fragen

22.08.2015, 07:3311.03.2020, 11:15
Kian Ramezani
Mehr «Schweiz»

Handyvideos von Polizeiaktionen sorgen immer wieder für brenzlige Situationen. Bürger glauben, Zeugen von unverhältnismäsiger Gewaltanwendung zu werden. Polizisten glauben, in der Ausübung ihrer Pflicht behindert und in ihrer Persönlichkeit verletzt zu werden. Wie weit darf man als Bürger gehen? Rechtsanwalt Martin Steiger, Spezialist für Rechtsfragen im digitalen Raum, gibt Antworten.

Darf man als Bürger Polizisten filmen?
Martin Steiger: Grundsätzlich gilt, dass man andere Personen nicht ohne deren Einverständnis fotografieren oder filmen darf, da dadurch ihre Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Bei Polizisten geht es um die Frage, ob ein überwiegendes, öffentliches Interesse besteht. Polizisten erfüllen eine hoheitliche Tätigkeit und üben das staatliche Gewaltmonopol aus. Folglich kann man argumentieren, dass sie es sich gefallen lassen müssen, bei ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit gefilmt zu werden.

martin steiger
Martin Steiger.Bild:zvg

Darf ein solcher Film auch veröffentlicht werden?
Auch bei einer Veröffentlichung muss das Recht am eigenen Bild beachtet werden. Zumindest muss die Anonymisierung der abgebildeten Personen gewährleistet sein und zwar nicht nur jene der Polizisten, sondern auch der anderen sichtbaren Personen. Anders hingegen wäre die Rechtslage bei einem eindeutigen Fall von Polizeigewalt, wo häufig ein übergeordnetes öffentliches Interesse geltend gemacht werden kann. Aber muss man den Film gleich auf Youtube stellen? In einem ersten Schritt wäre eine Strafanzeige meist sinnvoller.

Kann ein Polizist das Filmen untersagen?
Gemäss meinem Kenntnisstand existieren bei der Stadtpolizei Zürich und auch in anderen Polizeikorps Dienstanweisungen, wonach Polizisten es dulden müssen, in der Öffentlichkeit fotografiert oder gefilmt werden. Nicht gefallen lassen müssen sie sich hingegen, in den Fokus genommen und porträtiert zu werden. In so einem Fall dürfen Polizisten die Löschung der entsprechenden Bilder verlangen.

Eine schwammige Unterscheidung, die viel Interpretationsspielraum zulässt.
Richtig. Die Polizei geniesst umfassende Kompetenzen und sich als Bürger gegen einen etwaigen Missbrauch zu wehren, ist mit grossem Aufwand verbunden: Es kostet viel Geld und Nerven – und man braucht einen engagierten Anwalt.

Darf ein Polizist eine Kamera/ein Handy konfiszieren?
Nein, jedenfalls nicht allein aufgrund von Aufnahmen. Für die Herausgabe von Bildern oder Videos müssen auch Polizisten den Rechtsweg beschreiten, das heisst Klage wegen Persönlichkeitsverletzung erheben. Dafür können sie die Personalien von Fotografen und Filmern erheben.

Auf welcher Grundlage?
Polizeilichen Anordnungen ist laut Gesetz Folge zu leisten. Ausserdem dürfen Polizisten Personen anhalten und ihre Identität feststellen, wenn es zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist. Wenn nun jemand keinen Ausweis auf sich trägt, kann die Feststellung der Identität allenfalls auch auf dem Polizeiposten erfolgen. Polizisten müssen aber immer den Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachten.

Was halten Sie vom Vorstoss von SVP-Gemeinderat Mauro Tuena, das Filmen von Polizisten einzuschränken?
Ich halte diesen Vorstoss nicht für sinnvoll. Es ist ohne Zweifel wichtig, auch die Persönlichkeitsrechte von Polizisten zu schützen. Aber die heutige Gesetzgebung gewährleistet diesen Schutz bereits. Der Vorstoss würde vermutlich auf ein Verbot hinauslaufen. Generell das Filmen von Polizisten zu verbieten, finde ich fragwürdig, gerade auch von der SVP, die sich eigentlich für die Freiheit der Menschen in der Schweiz einsetzen sollte.

No Components found for watson.appWerbebox.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
10 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Karl33
22.08.2015 10:04registriert April 2015
"Was halten Sie vom Vorstoss von SVP-Gemeinderat Mauro Tuena, das Filmen von Polizisten einzuschränken?"
Typisch SVP. Gegen den Bürger sollen immer mehr Kameras im öffentlichen Raum eingesetzt werden ('für die Sicherheit'), jene, die das staatliche Gewaltmonopol ausüben, die Polizei, dürfen aber nicht gefilmt werden. Solche Politikermeinungen wie die vom SVP-Tuena ekeln mich an.
60
Melden
Zum Kommentar
avatar
peeti
22.08.2015 09:45registriert März 2015
Aber hoffentlich darf man das! Was ist das Problem? Verhaltet sich die Polizei nicht korrekt, dass sie Angst vor Handyaufnahmen hat? Im Bhf, Stadion etc wird man immer gefilmt, die Polizei selber aber darf man nicht? Auch sie soll sich an die Regeln halten - und zudem ihre Meinung bezüglich Bodycams halt überdenken.
21
Melden
Zum Kommentar
avatar
Duweisches
22.08.2015 10:10registriert Juni 2015
Wieso sollte sich die SVP für die Freiheit der Bevölkerung einsetzen?
Die SVP ist die konservativste, autoritärste Partei der Schweiz, setzt sich für eine starke Armee und ein ebensolches Polizeisystem ein...
Diese Aussage halte ich für nicht richtig.
10
Melden
Zum Kommentar
10
Hauseigentümer-Präsident Rutz zu Sugus-Häusern: «Vorgehen spottet jeder Beschreibung»
Die Massenkündigung von Mietern in Zürich bewegt die Gemüter im ganzen Land. Nun nimmt der Präsident des Hauseigentümerverbandes Stellung zum Fall: Das Vorgehen der Hausbesitzerin sei inakzeptabel. Gregor Rutz kritisiert aber auch die Stadt Zürich scharf.

Inzwischen sind die Sugus-Häuser in der ganzen Schweiz bekannt. Die neun farbigen, quadratischen Wohnblöcke stehen im Zürcher Stadtkreis fünf unmittelbar an den Bahngeleisen. 105 Mietparteien in drei Häusern haben die Kündigung erhalten. Rund 250 Personen sollen bis Ende März ausziehen.

Zur Story