Der Föderalismus ist eine feine Sache. Die Kantone können eine Politik machen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ohne Not lässt man sich von oben nichts befehlen. Wenn jedoch, wie im Fall der Prämienverbilligungen, der Wohnort darüber entscheidet, ob die Gesundheitskosten 8 oder 23 Prozent des Einkommens wegfressen, dann läuft etwas schief.
23 Prozent – fast einen Viertel des Einkommens: So viel muss ein kinderloses Paar im Kanton Bern, das Anrecht auf Prämienverbilligungen hat, laut einer Modellrechnung des Bundes noch aus der eigenen Tasche für die Krankenkasse zahlen. Ähnlich hoch ist die Belastung in den Kantonen Basel-Land, Waadt und Genf, wie das Monitoring für das Jahr 2014 zeigt.
Das Ziel, das der Bundesrat bei der Einführung der obligatorischen Krankenkasse definiert hatte, verfehlen damit die meisten Kantone meilenweit: Die Regierung hatte die Schmerzgrenze bei 8 Prozent des verfügbaren Einkommens festgelegt. Mehr sollte kein Haushalt aus eigener Kraft für die Prämien aufwenden müssen – genau aus diesem Grund gibt es das System der individuellen Prämienverbilligungen.
Weil die Kantone in den vergangenen Jahren jedoch zunehmend knausriger wurden, greift der Mechanismus immer weniger. Der Kreis der Menschen, denen der Staat bei den Prämien unter die Arme greift, schrumpfte seit der Jahrtausendwende von 32,2 auf 26,9 Prozent – obwohl die Prämien in dieser Zeit in schwindelerregende Höhen kletterten.
Die Pläne der SP, die Prämienbelastung der Haushalte mittels Volksinitiative auf maximal 10 Prozent des Einkommens zu beschränken, gehen deshalb in die richtige Richtung. Genauso wie die Idee, die Kriterien für den Bezug von Prämienverbilligungen zu diesem Zweck zwischen den Kantonen anzugleichen.
Natürlich haben all jene Kritiker recht, die monieren, dass dies reine Symptombekämpfung sei. Nur: Solange die Ursache – also die Prämienexplosion – nicht wirksam bekämpft werden kann, solange ist eine Linderung der Symptome das einzig Vernünftige. Schliesslich würden wir auch keinem leidenden Patienten Schmerzmittel vorenthalten, nur weil diese seine Krankheit nicht zu heilen vermögen.
Einem liberalen Geist mag der Ruf nach mehr Staat prinzipiell zuwider sein. Doch verletzt es auch das liberale Prinzip der Chancengleichheit krass, wenn Menschen mit tiefen Einkommen unter der Prämienlast zu kollabieren drohen. Wer einen Viertel seines Lohns für die Krankenkasse ausgeben muss, der kann sich Investitionen in Bildung, gesunde Ernährung oder gesellschaftliche Aktivitäten kaum leisten. Kurz: Seine Zukunftsaussichten sind massiv schlechter als die von anderen Menschen.
Dass die schwarzen Listen mit säumigen Prämienzahlern in vielen Kantonen stetig wachsen, ohne dass die strengen Sanktionen eine Wirkung hätten, spricht für sich.
Selbstverständlich würde eine Deckelung der Prämienlast die Politik nicht von der Verantwortung entbinden, endlich entschlossen gegen die Kostenexplosion im Gesundheitswesen vorzugehen. Es reicht nicht, wenn die Freisinnigen «Eigenverantwortung» schreien und die Sozialdemokraten «Einheitskasse». Es gilt, dahin zu gehen, wo es weh tut.
Wie viel ist ein zusätzliches Lebensjahr wert? Braucht ein 85-Jähriger noch einen Herzschrittmacher? Sollen sich Krankenkassen weigern dürfen, für die Leistungen von teuren Spezialärzten zu zahlen? Bezahlt die Grundversicherung für Leistungen, die nicht nötig wären? An solchen unbequemen Fragen führt kein Weg vorbei.