Schlechter als Montenegro, Albanien und Bosnien: Bei der Gleichstellung von Homo-, Trans- und Intersexuellen hinkt die Schweiz hinterher, wie internationale Vergleiche von LGBTQ-Organisationen zeigen.
Menschen wegen ihrer Rasse, ihrer Volks- oder Religionszugehörigkeit zu diskriminieren – das ist heute bereits verboten. Wer hingegen Homosexuelle pauschal verunglimpft, muss hierzulande nicht mit einer Strafe rechnen. In der kommenden Herbstsession kommt nun ein Vorstoss auf den Tisch, der dies ändern will.
In den letzten Wochen überschlugen sich Schlagzeilen zu homophoben Aussagen. So bezeichnete kürzlich ein Genfer Arzt Homosexualität als Krankheit und ein Churer Bischof verbreitete abstruse Theorien über den Zusammenhang von Schwulen und Pädophilie (mehr weiter unten).
Hierzulande kann erst strafrechtlich gegen eine Person vorgegangen werden, wenn diese mit ihren Aussagen auf eine bestimmte homosexuelle Person abzielt. Dann kann unter Umständen auf üble Nachrede oder Beschimpfung geklagt werden. In besagten Fällen ist dies nicht der Fall.
Konkret: «Du bist eine schwule Sau, du bist krank, dich sollte man von der Brücke werfen» zu sagen, ist verboten. Wer die Aussage aber generell hält wie in «Homosexuelle sind gefährlich», macht sich nicht strafbar.
Es handele sich um eine massive Gesetzeslücke, sagt die Rechtsanwältin und Vertreterin der Lesbenorganisation Schweiz LOS , Nadja Herz: «Das Schweizer Recht lässt zu, dass gegen Homosexuelle gehetzt wird.» Dass Leute dies straffrei tun könnten, ohne mit irgendwelche Konsequenzen rechnen zu müssen, habe einen schlechten Einfluss auf das gesellschaftliche Klima. «Homophobie wird damit salonfähig.»
Der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard will diese Gesetzeslücke mit seinem Vorstoss «Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung» schliessen: «Die Vorfälle der letzten Wochen zeigen: Das Thema ist momentan so aktuell wie nie.» Er weist darauf hin, dass die UNO die Schweiz wegen zu laschen Gesetzen zum Schutz der LGBTQ-Community bereits mehrfach kritisiert hat. Deshalb solle nun die Antirassismus-Strafnorm um einen entsprechenden Paragraph erweitert werden.
René Schegg der Schwulendachorganisation Pink Cross wartet schon lange auf Rückendeckung offizieller Ebene: «Der Staat hat doch die Pflicht seine Bürger schützen. Das hat er ja bezüglich rassistischen Beleidigungen auch gemacht – glücklicherweise.» Eine entsprechende Gesetzesänderung sei auch besonders wichtig, weil man wisse, dass verbale Beleidigungen Hassdelikte fördern.
In unliebsamer Erinnerung bleibt Schegg der Fall des Churer Bischofs Vitus Huonder. Dieser hatte 2015 in einer Rede eine Stelle aus dem Alten Testament zitiert, wonach Beischlaf unter Männern mit dem Tod bestraft gehöre. Er fügte an, diese Vorschrift würde schon genügen, «um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben». Pink Cross hatte damals Strafanzeige wegen «homophober Aussagen des Bischofs» deponiert – doch der Gottesmann wurde freigesprochen.
Der Bundesrat hält eine Ergänzung des Gesetzes dennoch für unnötig. Er ist der Auffassung, dass das geltende Recht weitgehend Schutz bietet und eine zusätzliche Regelung deshalb nicht vordringlich ist, wie er kürzlich in einer Medienmitteilung schrieb. Ähnlich argumentieren die Gegner aus den Reihen der SVP und der FDP.
Der Sommer 2018 war geprägt von homophoben Äusserungen. Hier vier Beispiele:
Ganz verworren gibt sich die rechtsextreme Pnos (Partei National Orientierter Schweizer): In einem am 28. August erschienenen Plädoyer schreibt Florian Signer, «Geostratege» und Vorsitzender der Sektion Appenzell, Homosexualität sei zu «einer Pseudoreligion entartet», die sich ungehindert verbreiten könne. Europäer seien «demografisch im Niedergang» und dabei seien «die Homosexuellen eine zusätzliche Gefahr.»
Er liefert drei Lösungsvorschläge: Homosexualität soll in der Öffentlichkeit verboten werden, für Homosexuelle sollten Anreize geschaffen werden, sich «heilen» zu lassen oder Homosexualität soll akzeptiert bleiben, jedoch nur unter Einführung einer «Homo-Steuer». Diese müssten die Homosexuellen zahlen, damit die traditionellen Familien finanziell gefördert werden könnten.
Das Bundesamt für Polizei stufte die PNOS 2001 als rechtsextreme Organisation ein. Schätzungen gehen von einer Mitgliederzahl von knapp 300 aus.
Im August wurde bekannt: Mehr als 300 katholische Priester sollen im US-Bundesstaat Pennsylvania sich an Kindern vergangen haben. Kurze Zeit später sorgte der Churer Weihbischof Marian Eleganti für den nächsten Skandal. Er stellte einen Zusammenhang zwischen dem Missbrauch und der Homosexualität her. In einem Interview am Rande des Weltfamilientreffens der katholischen Kirche in Dublin sagte er zum katholischen Fernsehsender EWTN:
Der Geistliche fuhrt weiter: «Und vielleicht bringt uns das auch wieder ein bisschen mehr zu einer neuen Nüchternheit, bevor wir einfach die Homosexualität als eine ebenso wertvolle Variante der Schöpfung anschauen, wie die heterosexuelle Ehe, dass wir eben doch sehen, dass da noch ganz andere Dinge mit im Spiel sind, denen wir uns stellen müssen.»
Ebenfalls im August wurde publik, dass ein in den Kantonen Genf und Waadt praktizierender Arzt Homosexualität mit Homöopathie «heilen» will.
In der Tagesschau des Westschweizer Fernsehens RTS versuchte sich der Arzt dann zu erklären und sagte: «Homosexualität ist ein Symptom wie jedes andere, wie Kopfschmerzen oder Heuschnupfen et cetera. Ich verstehe nicht ganz, wo das Problem liegt.»
Auf Ersuchen des Genfer Gesundheitsdirektors Mauro Poggia ist gegen den Mann eine Untersuchung eingeleitet worden. Er könnte seine Berufszulassung verlieren.
Papst Franziskus hatte auf dem Rückflug von seiner Irlandreise Ende August Eltern von Kinder mit homosexuellen Neigungen dazu geraten, zu beten und eventuell psychiatrische Hilfe für den Nachwuchs zu suchen.
Mit seinen Äusserung löste Franziskus Empörung aus. In der offiziellen Niederschrift der Papst-Pressekonferenz an Bord des Flugzeugs fehlte später aber der päpstliche Verweis auf die Psychiatrie. Das Zitat sei geändert worden, «um den Gedankengang des Papstes nicht zu verfälschen», sagte eine Vatikan-Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP. Bei Franziskus' Verweis auf die Psychiatrie sei es um «ein Beispiel» für die vielen Dinge gegangen, mit denen Eltern auf die mutmassliche Homosexualität ihres Kindes reagieren könnten.