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Ärztezeitung druckt Corona-Mythen ab – Kritik folgte

Ärzte verbreiten Corona-Mythen in Schweizer Fachblatt – die Reaktionen folgen prompt

In der Schweizerischen Ärztezeitung haben Doktoren Corona-Mythenverbreitet. Das blieb nicht widerspruchslos. Die Vereinigung FMH und andere Ärztinnen reagierten mit Repliken.
02.08.2020, 11:3003.08.2020, 07:58
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Will man den Puls der Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz fühlen, sollte man zur «Schweizerischen Ärztezeitung» (kurz SÄZ) greifen. Das Blatt feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Jubiläum und gilt neben dem «Swiss Medical Forum» als meistgelesene medizinische Fachzeitschrift.

Die Ärztezeitung liefert Einblicke in die medizinische Arbeit und berichtet über Erkenntnisse der Wissenschaft oder der Behörden. Wie jedes anständige Branchenblatt, findet sich auch hier eine Leserbrief-Rubrik. Während der Corona-Pandemie wurde auch sie ein Spiegelbild der Gesellschaft, in der Einzelpersonen Skepsis und Mythen verbreiten.

So kritisiert etwa der Rheintaler Frauenarzt Peter Böhi die Massnahmen des sogenannten Lockdowns als «Gesundheitsdiktatur». Er behauptet, die Reproduktionszahl sei im Frühling «unabhängig der getroffenen Massnahmen» gefallen und hätte mehr mit dem «gesetzmässigen Verlauf» einer Pandemie zu tun. Böhi erklärt damit, dass man «jetzt vor einer zweiten Welle» keine Angst haben müsse. «Auch die restlichen Auflagen wie Handhygiene, Abstandsregeln, Maskentragen etc. bleiben in ihrer Bedeutung umstritten, da gemäss einer WHO-Analyse zu Massnahmen gegen Grippe-Pandemien von 2019 die Evidenz dafür fehlt», schreibt Böhi weiter.

«Impfpflicht»-Unwahrheit abgedruckt

Der Thurgauer Arzt und Allgemeinmediziner Michael Kingerter verbreitete in einem Leserbrief die Fehlinformation, dass der Bundesrat mit seinem geplanten Covid-19-Gesetz «die Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht legalisiert und umsetzbar macht». Kingerters Behauptung ist dieselbe, die seit Wochen in der Szene der Verschwörungsgläubigen kursiert. watson stellte Anfang Juni in einer Faktenüberprüfung klar, dass das geplante Covid-19-Gesetz weder eine Impfpflicht noch einen Impfzwang einführen will.

Die Verbreitung von Corona-Mythen kommt nicht bei allen Ärztinnen und Ärzten gut an. So wurde Böhis «Corona-Theater»-Text mit einer «Replik» des Facharztes Carlos Quinto veröffentlicht. Quinto sitzt im Zentralvorstand der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, besser bekannt unter der Abkürzung «FMH». Darin schreibt er, dass die Ärzteschaft sich in einer «Phase des Lernens» befindet und deshalb auch Leserbriefe veröffentlicht werden, die man «aus fach­licher Sicht nicht unbedingt» teile.

Ärztevereinigung reagiert auf Leserbrief

Was darauf folgt, kann – gelinde gesagt – als «höchst diplomatische Gegenkritik» bezeichnet werden. Quinto sagt, dass bei der Analyse der Covid-19-Pandemie die «Krankheitslast» statt der Todesrate gewählt werden solle. So sei das Durchschnittsalter der Personen auf Intensivstationen «wesentlich tiefer» als jenes der an Covid-19 verstorbenen Patienten.

Der Ärztevereinigungs-Vertreter Quinto reagiert auch auf Böhis Verharmlosung der Gefahr einer möglichen zweiten Welle: «Zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Replik finden sich viele Hinweise, die gerade nicht, wie vom Schreiber des Briefes sug­geriert, auf ein Abklingen der Pandemie hinweisen, weder national noch international.»

Ärztinnen und Ärzte antworten ebenfalls auf «Corona-Theater»-Text

Kritik gibt's auch von der Aargauer Psychiaterin Patricia Mbumaston: «Ich bin erschüttert. Ich bin sprachlos. Dass ein Arzt jetzt noch (Juli 2020) die COVID-19 mit einer starken (immerhin!) Influenza vergleicht, ist bedauerlich.» Sie reagiert auf Böhis Leserbrief mit einer Mahnung: «Wir müssen davon ausgehen, dass sich bei der Invalidenversicherung schon bald die Gesuche stapeln werden von Menschen, die aufgrund von Spätschäden durch das Coronavirus nicht mehr wie früher arbeiten können.»

Böhi erhält aber auch Zustimmung. Der Basler Gynäkologe Nenad Pavic zitiert dazu die Zahlen der Intensivstationen. «Gemäss Schweizerischer Gesellschaft für Intensivmedizin waren auf dem Höhepunkt von Covid-19 in der Schweiz maximal 56 Prozent aller IPS-Betten mit SARS-CoV-2-Infizierten belegt. Am 5. Februar 2020 waren schweizweit 88 Prozent aller IPS-Betten belegt, im Jahresdurchschnitt sind es 75 Prozent (+13%)», sagt er und stellt fest, dass die «bevorstehende Überlastung der Spitäler» gar nicht real drohe. Böhis Leserbrief spreche ihm daher «aus dem Herzen» und er schliesst mit der Behauptung, dass die «Pandemie zumindest in Europa und in der Schweiz tatsächlich vorbei» sei.

Zahlreiche europäische Länder melden seit Tagen deutlich ansteigende Fallzahlen. Darunter Frankreich, Ukraine, Niederlande, Rumänien, Serbien, Tschechien, Bosnien, Kosovo, Luxemburg und die Slowakei. Länder wie die Schweiz oder Österreich melden leicht ansteigende Fallzahlen und haben bereits oder wollen Massnahmen verschärfen. (pit)

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50 Kommentare
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Pumba
02.08.2020 12:11registriert Januar 2018
Man kann es natürlich auch anders sehen, aber in meinen Augen sind ein Gynäkologe und ein Allgemeinmediziner keine Experten was Epidemiologie und Infektionserkrankungen angeht. Also sollten sich solche Leute auch ein wenig zurücknehmen statt einen solchen Brunz zu verzapfen..
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Beta Stadler
02.08.2020 12:15registriert Mai 2020
Ich bin ja auch der Meinung, dass Ärzte nicht unbedingt das Magnetfeld einer Spule berechnen können müssen (als Numerus Clausus Ersatz).
Aber dass ein Basler Gynäkologe das Prinzip der Exponentialfunktion nicht begreift erschüttert mich dann schon ein wenig...
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esclarmonde
02.08.2020 13:03registriert Mai 2019
Mit ein Grund, weshalb ich meine Hausärztin gewechselt habe. Es gab schon vorher Unstimmigkeiten. Als sie mich mit ihrem Verschwörungs- und Aluhutwahnsinn zutextete, war ich letztmals bei ihr. Und für diese zusätzlichen Minuten muss ich bezahlen.
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