Regeln für Waffenexporte sollen deutlich gelockert werden – Linke droht mit Referendum
Das Parlament will der Rüstungsindustrie unter die Arme greifen und die Regeln massiv lockern. Darüber wurde im Nationalrat am Dienstag lange und leidenschaftlich gestritten.
Um was geht es?
Die Schweizer Rüstungsindustrie soll künftig einfacher Waffen und Munition ins Ausland liefern können. Der Nationalrat hat am Dienstag beschlossen, dass 25 Länder grundsätzlich immer Schweizer Rüstungsgüter kaufen dürfen. Das gilt auch für den Fall, dass sich diese Länder im Krieg befinden. Das ist besonders für den Nato-Bündnisfall von Bedeutung. Wird ein Nato-Land angegriffen, befinden sich alle Partner-Länder faktisch im Krieg – und könnten so keine Rüstungsgüter mehr in der Schweiz kaufen.
Ist das alles?
Nein. Die besagten 25 Staaten dürfen Rüstungsgüter, die sie in der Schweiz erworben haben, in andere Länder exportieren. Bisher brauchte es für eine solche Wiederausfuhr eine Bewilligung. Sie wird hinfällig. Eine Ausnahme gibt es: Der Bundesrat hat ein Veto-Recht und kann Nichtwiederausfuhr-Erklärungen verlangen, wenn er befürchtet, Waffen könnten in heikle Staaten gelangen.
Welche 25 Länder stehen auf dieser Liste?
Argentinien, Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und die USA. Es sind Staaten, die laut Bundesrat über ein ähnliches Waffenexportregime wie die Schweiz verfügen. Was genau die Kriterien für diese Liste sind, gibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) derzeit nicht bekannt, da noch ein entsprechender Vorstoss hängig ist. Auffällig ist etwa das Fehlen der Türkei, die auch Nato-Mitglied ist.
Warum plötzlich diese Änderung?
Eigentlich geht es vor allem um die Schweizer Rüstungsindustrie. Im Zuge des russischen Angriffskriegs kam sie unter Druck. Diverse europäische Staaten kündigten an, dass sie keine Schweizer Waffen und Munition mehr kaufen würden. Sie störten sich vor allem an der Weitergabesperre. Mehrfach verhinderte der Bundesrat direkte oder indirekte Weitergaben von in der Schweiz hergestellten Rüstungsgütern an die Ukraine.
Können künftig Schweizer Waffen an die Ukraine weitergegeben werden?
Nein. Das wird nicht der Fall sein. Kurzfristige Wiederausfuhren in die Ukraine sind auch weiterhin untersagt. Dabei war genau das der Auslöser für die jetzige Debatte: Mit einer Lex Ukraine wollte das Parlament Wiederausfuhren in das kriegsgeplagte Land ermöglichen. Allerdings gab es viel Widerstand und vor allem neutralitätspolitische Bedenken.
Wie geht es nun weiter?
Bereits am Mittwoch kommt das Geschäft in den Ständerat zurück. Die Sicherheitspolitiker in der kleinen Kammer hatten die Ausfuhrregeln noch grosszügiger auslegen wollen. Dabei hätten Waffen auch in Länder exportiert werden können, die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen, Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung einsetzen und Waffen an unerwünschte Endempfänger weitergeben. Es zeichnet sich mittlerweile aber ein Kompromiss ab, der jener Version des Nationalrats entsprechen wird. Die Vorlage soll noch an der laufenden Wintersession zu Ende beraten werden.
Und damit ist bereits das letzte Wort gesprochen?
Nein. Linke Kreise haben bereits ein Referendum angekündigt, und die notwendigen 50'000 Unterschriften dürften kein grosses Hindernis sein. Damit wird die Schweiz voraussichtlich im nächsten Jahr über die weitgehende Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes befinden. Bereits schalteten SP und Grüne in den Abstimmungskampfmodus. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) sprach von «einem Weihnachtswunschzettel der Rüstungsindustrie», der hier zur Abstimmung stehe. Fabian Molina (SP/ZH) warnte davor, dass mit dem neuen System Schweizer Waffen in die Hände von Terroristen gelangen würden oder in Bürgerkriegen gegen die Bevölkerung eingesetzt werden.
Wie verlaufen die Fronten?
Die bürgerlichen Parteien sind geschlossen. Da nützt der Widerstand der Linken nichts. Der Entscheid fiel dann auch mit 120 zu 63 Stimmen deutlich.
