Letzten Donnerstag musste ein Asylbewerber in Schönenwerd aus der Aare gerettet werden. Nach der Bergung verbesserte sich sein Zustand nicht mehr und der 19-Jährige verstarb am Freitag im Spital. Das ist kein Einzelfall. Anfang Mai ertrank in der Limmat ein 18-Jähriger aus Sri Lanka. Anfang Juni im Aargau ein 25-jähriger Eritreer in der Aare und ein 20-jähriger Somalier im Rotsee in Luzern. Mitte Juni ging ein Nigerianer in der Limmat in Zürich unter.
Badeunfall am Samstag in Aarau: Ein 25-jähriger Asylbewerber ging bei der Kraftwerks-Insel ins Wasser und wurde mitgerissen. Von ihm fehlt jede Spur. Die Mitbewohner des Opfers sind schockiert.
Viele Asylbewerber können nicht schwimmen, obwohl sie oft auch aus einer Gegend am Meer stammen. Der Ethnologe, Schriftsteller und Journalist David Signer hat zwei Erklärungen dafür: Zum einen gibt es oft keinen obligatorischen Schwimmunterricht in der Schule, zum anderen kennen die Meeresküsten-Bewohner keine Kultur des Strandlebens und Badens, wie es in unseren Breitengraden üblich ist. «Das Meer ist ein Ort, wo man fischen geht.» Und oft könnten nicht mal die Fischer schwimmen. Ein Grund, wieso die Leute hier dann die Gefahren nicht richtig einschätzen könnten.
Auch der Nachahmungseffekt spielt in den Augen Signers eine wichtige Rolle: Junge Afrikaner sehen, wie die Einheimischen locker in den Fluss springen und machen es ihnen nach. «Oft wissen sie gar nicht, dass Schwimmen etwas ist, was man lernen muss.» Alle anderen hier könnten ja schwimmen, sogar die Hunde. Er erzählt dazu eine Anekdote von der Elfenbeinküste – ebenfalls ein Land mit langer Meeresküste: Mit einem Knaben sei er an einem Swimming-Pool vorbeispaziert, plötzlich sprang dieser hinein – und erschrak, als er einfach unterging. Signer musste ihn retten.
Signer plädiert dafür, die Asylbewerber über die Gefahren in unseren Seen und Flüssen aufzuklären und zu sensibilisieren. Etwas, was nach den Badeunfällen mit Asylbewerbern nun auch Kantone wie Solothurn und Aargau praktizieren.
Für Simon Röthlisberger, dem Migrationsexperten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, sollten Schwimmkurse für Asylbewerber und Flüchtlinge zugänglich sein. Solche Kurse hätten zudem das Potenzial «integrationsfördernd zu wirken», weil Asylbewerber und Schweizer in Kontakt kommen würden. Nun müssten Zugangsbarrieren wie Anmeldegebühren oder die fehlende Information über solche Kurse abgebaut werden.
Das Bayrische Rote Kreuz forderte nach vier Todesfällen von Asylbewerbern in deutschen Badeseen Schwimmkurse für Flüchtlinge. Eine Frau, die damit Erfahrung hat, ist die 69-jährige Brigitte Hinz aus dem deutschen Fürstenfeldbruck in der Nähe von München. Sie hat diesen März mit einem ersten Schwimmkurs für Flüchtlinge begonnen – und nur gute Erfahrungen gemacht. «Die jungen Asylbewerber könnten sich höchstens wie die Hunde mit Pfoten wenige Augenblicke über Wasser halten und gehen dann unter.»
In ihrem Gratis-Kurs muss sie den Männern wie den Kindern zuerst einmal die Angst vom Wasser nehmen. Erst dann beginnt die eigentliche Schwimm-Ausbildung. Am Ende des zehnstündigen Kurses gibt's einen Test, bei dem die Asylbewerber 50 Meter ohne Hilfe schwimmen müssen. Laut Hinz könnten die jungen Männer dann ohne Probleme in einem See schwimmen, aber in einen Fluss würde sie die Asylbewerber nicht schicken – wie übrigens auch Kinder nicht. (aargauerzeitung.ch)