Ein ehemaliger Gefängniswärter ist am Dienstag in Nyon VD nach sexuellen Handlungen mit zwei Insassinnen freigesprochen worden. Das Gericht des Bezirks La Côte kam zum Schluss, dass zwar ein berufliches Versagen, aber kein Straftatbestand vorliege.
Die Taten ereigneten sich zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 im Frauengefängnis La Tuilière in Lonay VD. Dort war der Angeklagte als Vollzugsbeamter und Küchenchef angestellt.
Laut Anklageschrift hatte der 50-Jährige seine Macht ausgenutzt, um zwei weibliche Inhaftierte zu sexuellen Handlungen in den Küchenräumlichkeiten zu zwingen. Die beiden Frauen aus Brasilien wurden inzwischen aus dem Gefängnis entlassen und kehrten in ihr Land zurück.
Nach Ansicht des Gerichts haben die beiden Inhaftierten diesen Praktiken jedoch «freiwillig zugestimmt». Es stellte fest, dass die beiden Brasilianerinnen manchmal selbst die «Initiative» ergriffen hatten, um den Mann sexuell zu erregen.
Das Gericht stützte sich insbesondere auf einen Brief, den einer der Klägerinnen an den Angeklagten geschickt hatte und der voll von Aussagen und Zeichnungen sexuellen Charakters war. Dieser Brief habe die Aussagen des Angeklagten bestätigt, urteilten die Richter. Er habe keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln, dass die Gefangenen nicht in die sexuellen Handlungen eingewilligt hätten.
Der Wärter habe auch nicht seine dominante Stellung ausgenutzt, um sich Vorteile zu verschaffen. Laut Gericht gab es «keine Drohungen, keinen psychologischen Druck, keine Bevorzugung».
So habe der Mann in seiner Funktion als Küchenchef beispielsweise seine «Lieblingsinsassinnen» an den Wochenenden nicht vermehrt eingesetzt, um diesen ein höheres Gehalt zu ermöglichen, stellte das Gericht fest.
Die Gerichtspräsidentin betonte, dass es nicht darum gehe, den Fall unter moralischen Gesichtspunkten zu prüfen, sondern zu beurteilen, ob Straftaten begangen worden seien. Dies war in den Augen der Richter nicht der Fall.
Der ehemalige Gefängniswärter stand in Nyon wegen sexueller Nötigung und sexueller Handlungen mit Gefangenen vor Gericht. Das erste dieser beiden Delikte hatte Staatsanwalt Eric Mermoud in seinem Schlussplädoyer fallen gelassen und für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten gefordert, davon sechs Monate unbedingt.
Nach dem Urteil sagte der Staatsanwalt, er werde die Frage einer möglichen Berufung prüfen. Die Anwälte der brasilianischen Frauen, die nicht an der Verhandlung teilgenommen haben, behalten sich ebenfalls das Recht vor, den Fall weiterzuziehen.
Der Vollzugsbeamte wurde nach dem Auffliegen der Affäre entlassen. Im Frühjahr 2020 verzeigte ihn die waadtländische Strafvollzugsbehörde nach einer internen Untersuchung bei der Staatsanwaltschaft. Anschliessend verbrachte er einen Monat in Untersuchungshaft.
Eine Entschädigung für den moralischen Schaden, insbesondere nach dem Monat U-Haft, die der Angeklagte geforderte hatte, lehnte das Gericht ab.
Die Ermittlungen führten zur Eröffnung einer zweiten, noch laufenden Untersuchung gegen einen anderen Mitarbeiter wegen ähnlicher Sachverhalte. (sda)
Wenn sich ein Mitarbeiter und/ oder eine Mitarbeiterin nicht abgrenzen kann, sollte er / sie sich ein neues Arbeitsumfeld suchen.