Es gibt kaum schönere Bahnstrecken als jene durchs Centovalli im Tessin. Zwei Stunden fahren die weiss-blauen Züge entlang von dichten Wäldern, bizarren Felsformationen und wilden Tälern, bis sie im italienischen Domodossola ankommen. Doch Schönheit allein reicht nicht: Die Bahn genügt den Ansprüchen der Kunden nicht. Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Verkehr (BAV).
Das Amt untersucht jedes Jahr anhand von Messungen durch Testkunden und automatisierten Daten die Qualität im Regionalverkehr. Erhoben werden etwa Pünktlichkeit, Sauberkeit, der Zustand der Haltestellen und die Information der Kunden.
Neben dem Betreiber der Centovallibahn, der Fart, schnitten in der jüngsten Ausgabe bei den Bahnen die Deutsche Bahn mit ihrer Linie zwischen Basel und Schaffhausen und die MVR, die um Montreux Züge betreibt, am schlechtesten ab. Die SBB bewegen sich – wie im Busbereich Postauto – im guten Mittelfeld.
Die Untersuchung ist umstritten. Die Punktzahl der Fart sei künstlich reduziert worden, sagt Sprecher Filippo Tadini. Weil die Züge nicht mit entsprechenden Systemen ausgerüstet seien, werde die Pünktlichkeit zu schlecht bewertet. Das ändere sich mit acht neuen Zügen, die man ab 2023 erhalte. Die Untersuchung ist zudem nicht vollständig: Analysiert wird nur der regionale Personenverkehr, nicht aber Ortsverkehre.
Zu letzteren gehören städtische Verkehrsbetriebe. Sie tauchen trotzdem auf der Liste auf, weil sie häufig auch Regionalverkehr anbieten. Die St.Galler Verkehrsbetriebe VBSG etwa erfüllen gemäss der Untersuchung den Mindeststandard nicht. Allerdings wird dafür nur gerade eine Linie in die Bewertung einbezogen. Bei der BLT aus Baselland wiederum wird nur die Waldenburgerbahn in die Untersuchung einbezogen, die derzeit komplett erneuert wird.
Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) wiederum gehören gemäss den Ergebnissen ihrer Linien im Umland der Stadt zu den 20 besten Busbetrieben. Würde die Leistung im Stadtnetz bewertet, wäre das Resultat wohl anders. So waren 2018 gemäss einem Protokoll der Stadt Zürich 20 Prozent der Trolleybusse und 15 Prozent der Autobusse unpünktlich – Werte, mit denen die VBZ kaum zur Spitze gehören würden, zumal die Pünktlichkeit die Hälfte der Benotung ausmacht.
Die Branche nimmt die Erhebung dennoch ernst – nicht zuletzt, weil sie Konsequenzen haben kann. Vorgesehen ist ein mehrstufiges Verfahren. In einem ersten Schritt bespricht der Bund die Ergebnisse mit den Betrieben und zeigt die Schwachstellen auf. Tritt keine Verbesserung ein, können die Besteller diese mittels Vereinbarung einfordern. Bringt auch das nichts, können Linien öffentlich ausgeschrieben werden. Zuletzt geschah dies im Jura.
Geplant sind Ausschreibungen im Zentral- und Oberwallis, wo die Matterhorn Gotthard Bahn (MGB) und die Ballestraz SA (ASGS) um Buslinien kämpfen müssen. Mit der bisherigen Leistung hat das allerdings nichts zu tun. Die MGB und die ASGS gehören im Busbereich zur Spitzengruppe. Die MGB brilliert auch im Bahnbereich, wo sie zusammen mit der Kraftwerke Oberhasli als Betreiberin der Meiringen-Innertkirchen-Bahn Rang 1 belegt.
Das habe damit zu tun, dass die MGB in einem bei Touristen sehr beliebten Gebiet mit Orten wie Zermatt oder Andermatt tätig sei, sagt Direktionsmitglied Jan Bärwalde. «Die Kunden haben einen hohen Qualitätsanspruch. Unser Anspruch ist, diesen wenn immer möglich zu erfüllen oder im besten Fall zu übertreffen.» Die Mitarbeitenden seien stolz und fühlten sich mit der Bahn verbunden. Im Durchschnitt seien sie seit über 13 Jahren im Unternehmen tätig. Für über 300 Millionen Franken bestellt die MGB nun neue Züge und baut die digitalen Informations- und Vertriebskanäle aus.
Kleinere Brötchen backt der Busbetrieb Bamert GmbH. Er gehört zu den besten der Schweiz. Das Familienunternehmen betreibt verschiedene Linien zwischen Wollerau, Richterswil und Samstagern. «Gutes und langjähriges Personal» nennt Geschäftsführer Markus Bamert als erste Erklärung für das Spitzenresultat.
«Die Verbesserung der Dienstleistungsqualität ist seit Jahren ein Thema, dementsprechend wird das Personal ausgebildet und rekrutiert.» Die Identifikation mit der Aufgabe und dem Betrieb, das Engagement und die Aus- und Weiterbildung seien zentral. «Es muss allen bewusst sein, was unser Auftrag ist.» Auf den Lorbeeren ausruhen will sich Bamert nicht: Verbesserungspotenzial sehe er bei der Kundeninformation bei Störungen und der Sauberkeit in den Fahrzeugen und an den Haltestellen.
Diese Punkte werden am anderen Ende der Liste am häufigsten moniert. Der Bahnbetreiber Travys führt sein Abschneiden etwa auf technische Probleme des Informationssystem zurück und einen «Rückgang der Qualität» bei der Sauberkeit, der mit einem neuen Dienstleister zu tun, Massnahmen seien bereits eingeleitet worden, so ein Sprecher.
Bei der MVR, die viele Touristen auf die Gipfel Pléiades und Rochers-de-Naye fährt, sei die Herausforderung, «neuste Technologie wie moderne Fahrgastinformation mit dem historischen Rollmaterial in Einklang zu bringen», so ein Sprecher. Die Beschaffung neuer Züge stehe bevor, bis dann verzichte die Bahn aber auf grössere Investitionen. Der Busbetrieb LLB aus Leukerbad wiederum begründet sein Resultat mit den Haltestellen, deren Qualität nicht zufriedenstellend sei. Sie würden nun in Zusammenarbeit mit den Gemeinden alle erneuert.
Dass Anbieter mit hoher Qualität auch am Markt Erfolg haben, zeigt das Beispiel der Aargau Verkehr AG. Sie betreibt die Wynental- und Suhrentalbahn, die Bremgarten-Dietikon-Bahn und bald die neue Limmattalbahn. Dafür hatte sie sich in einer Ausschreibung durchgesetzt. Die Reaktionen von Kunden würden systematisch ausgewertet, sagt Sprecher Erwin Rosenast. «Ihre Zufriedenheit ist eines der fünf übergeordneten Unternehmensziele», sagt er. «Wir richten alle Aktivitäten konsequent an diesen Zielen aus.»
Wenn ich in den Ferien im Ausland bin, wird mir dies immer wieder bewusst.