Die Lernforscherin Elsbeth Stern wusste schon im Alter von 16 Jahren, dass sie irgendwann mal Psychologieprofessorin werden will. Sie konnte ihren Wunsch erfüllen: Stern schaffte den Sprung vom Bauernhof in die Akademie und darf heute 63-jährig auf eine lange Karriere als Professorin für Lehr- und Lernforschung zurückschauen.
In einem längeren NZZ-Interview äussert sich Stern zur Situation in den Gymnasien: Als sie noch jung war, sei der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit einem Maturaabschluss stets gestiegen. Heute jedoch sei das «Boot voll» – was insbesondere «Akademiker-Eltern» nur schwer akzeptieren könnten, etwa dann, wenn ihr Kind selbst nicht auch ans Gymnasium gehen könne.
Sie fordert deshalb einen Katalog an Massnahmen, damit nur noch Intelligenz und Begabung darüber entscheidet, ob ein Jugendlicher ins «Gymi» gehen darf – und nicht mehr die soziale Herkunft der Eltern. So sollte es etwa keine «kommerziellen Kurse» mehr geben dürfen, damit sich Schülerinnen und Schüler aus einem besseren Hause gezielt auf bestimmte Prüfungsfragen vorbereiten können.
Im Interview wird dazu die Beispiel-Rechenaufgabe 125 × 6,408 erwähnt. Stern stellt dazu fest: «Intelligente Kinder, die guten Mathematikunterricht hatten und so etwas einmal geübt haben, können das lösen.»
Wer vernetzt denken und die Rechenaufgabe zerlegen könne, wäre auch ohne besondere Kurse in der Lage, auf das richtige Ergebnis zu kommen. Stern bemängelt jedoch: «Und es gibt Kinder, die so getrimmt werden, dass sie durchkommen, obwohl sie nicht übermässig intelligent sind.»
Ihre provokante Forderung für Zweifelsfälle – also wenn die Eltern das Kind an die Kanti schicken, die Lehrperson aber nicht – ist ein Intelligenztest. «Das wäre eine Entscheidungshilfe», so Stern. Wie genau das aussehen soll, führt die Professorin nicht aus. Sie schätzt jedoch, dass 30 Prozent der Jugendlichen gar nicht ans Gymnasium gehören würden – was sich dann später im Studium bemerkbar mache.
Stern sagt nur, was ein solcher Test prüfen solle: «Intelligenz» heisse für die Professorin nämlich: «Geistige Flexibilität, schlussfolgerndes Denken, sich auf ein Ziel konzentrieren können. Irrelevante Informationen ausblenden, relevante aktivieren.» Kompetenzen also, die von seriösen IQ-Tests der Psychologie herausgefordert werden.
Solche Tests sind in der Bildung nicht neu. Bekannt ist etwa der sogenannte «Numerus Clausus» bei Humanmedizin-Studiengängen. Aufgrund der hohen Anzahl von Studiums-Interessierten versuchen Kantone zusammen mit der Schweizerischen Hochschulkonferenz mit einem Eignungstest nur die angeblich besten Bewerberinnen und Bewerber zuzulassen. Geprüft wird dabei nicht irgendein Fachwissen – das wäre nicht fair, so die Hochschulkonferenz – sondern Intelligenz-Eigenschaften wie schnelle Mustererkennung und effizientes Denken.
In der Politik wurde mehrfach über eine Anpassung der Zugangsbeschränkung diskutiert. 2017 sah es gut für die Abschaffung des «Numerus Clausus» aus, als ihn der Nationalrat durch Praktika in Pflegeberufen ersetzen wollte. Der Ständerat sorge jedoch mit seinem Nein zum Vorstoss der Mitte-Politikerin Ruth Humbel dafür, dass die Abschaffung wieder auf die lange Bank geschoben wurde.
(pit)
Wäre schön, wenn sich das geändert hätte seit 2007...
Wen lässt man jetzt ans Gymi?