Der Nationalrat befasst sich heute Mittwochmorgen zum zweiten Mal mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. Zur Diskussion steht ein neuer Ansatz: Ausländerinnen und Ausländer, die wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, sollen automatisch ausgeschafft werden. Ausnahmen in Härtefällen wären aber möglich.
Die SVP hatte im Initiativtext gefordert, dass Personen, die wegen bestimmten Delikten rechtskräftig verurteilt wurden, automatisch ausgeschafft werden. Diese Delikte sind:
Bei der ersten Beratung vor einem Jahr hatte der Nationalrat anstelle des Vorschlags des Bundesrats, der stark dem abgelehnten Gegenvorschlag glich, den Text der noch hängigen Durchsetzungsinitiative als Vorlage für die Umsetzung genommen. Damit fügte er sich dem Willen der SVP, ging jedoch weit über den Verfassungsauftrag hinaus.
Während die Initianten in der Kampagne noch von 1500 zusätzlichen Ausschaffungen ausgegangen waren, müssten gemäss Beschluss des Nationalrats jährlich rund 11'000 straffällige Ausländerinnen und Ausländer die Schweiz verlassen. Relativ geringfügige Straftaten würden ausreichen, um das Aufenthaltsrecht zu verwirken – und zwar unabhängig von den konkreten Umständen.
Die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK) wollte sich dieser Lösung nicht anschliessen. Sie arbeitete eine neue Umsetzungsvorlage aus, welche der Ständerat im letzten Dezember mit bloss drei Gegenstimmen angenommen hat. Diese liegt nun - mit dem Segen der vorberatenden Kommission – auf den Pulten der Nationalrätinnen und Nationalräte.
Kern der Vorlage ist die Härtefallklausel: Ausnahmsweise kann das Gericht von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer oder die Ausländerin einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde. Keine Ausnahme darf das Gericht jedoch dann machen, wenn das öffentliche Interesse an der Ausschaffung überwiegt, beispielsweise aus Gründen der inneren Sicherheit.
Damit soll vor allem der Situation von Secondos Rechnung getragen werden, die zwar de jure nicht Schweizer, de facto aber ebenso wenig Bürger ihres Heimatlandes sind. Zudem lassen sich jene Entscheide umschiffen, die vom Bundesgericht ohnehin nicht gestützt würden.
Der Ständerat hat auch den Deliktskatalog systematisiert. Statt einer ziemlich willkürlichen Liste von Straftaten enthält dieser nun ausschliesslich die schwerwiegenden Delikte, nämlich die Verbrechen. Zusätzlich würde der Missbrauch von Sozialversicherungen und Sozialhilfe zur Ausschaffung führen, da der Initiativtext dies ausdrücklich verlangt.
Und schliesslich soll die nicht obligatorische Landesverweisung wieder eingeführt werden. Der Ständerat hat auch wieder Ordnung in die sich überschneidenden Verfahren gebracht: Er verschob die Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative bis zur endgültigen Umsetzung der Ausschaffungsinitiative.
Das Parlament könnte die Vorlage bereits in der laufenden Session bereinigen. Eine allfällige Referendumsabstimmung würde wegen der eidgenössischen Wahlen erst im Februar 2016 durchgeführt. Geschlossen werden kann das Dossier der 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative aber ohnehin erst dann, wenn die Initiative zu deren Durchsetzung zurückgezogen oder abgelehnt ist. (wst/sda)