800 pro Sekunde: So viele Suchanfragen verarbeitet die Streaming-Plattform Pornhub. Immer mehr davon sind auch von Frauen verfasst. Der Terminus «Porn for Women» nahm 2017 laut Pornhub um 1400 Prozent zu.
«2017 scheint das Jahr zu sein, in dem Frauen sich dazu durchgerungen haben, offener für ihre Bedürfnisse einzustehen», erklärt Dr. Laurie Betito, Sexexpertin bei Pornhub, den Anstieg der Suchanfrage «Porn for Women».
Ein Viertel aller Pornhub-User in der Schweiz wird dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Diese Zahl liegt im weltweiten Durchschnitt. Auf Platz eins liegen die Philippinen mit 36 Prozent weiblichen Usern. Fakt ist also: Immer mehr Frauen schauen Pornos – und die Zahlen steigen weiter.
Das bestätigt auch die Sexual- und Psychotherapeutin Dania Schiftan: «Das wachsende Interesse ist auf jeden Fall da. Frauen wurde lange das Gefühl vermittelt, dass es sich nicht gehört, Pornografie zu konsumieren. Das löst sich nun langsam auf.» Vielfach schwingt aber immer noch ein starkes Schamgefühl mit, meint Schiftan. «Bei Männern ist es normal, Pornos zu schauen. Frauen hingegen reden wenig bis kaum darüber.»
Eine im November 2017 im Magazin «Sexuality & Culture» publizierte Studie ging dem Phänomen weiter auf den Grund. Die an der Universität Waterloo in Kanada durchgeführte Untersuchung versuchte herauszufinden, aus welchen Gründen immer mehr Frauen pornografisches Material konsumieren. «Ich schaue Pornos, während ich masturbiere. Weil ich nach dem Orgasmus einfach zufriedener bin und mich vom Alltagsstress befreie», erklärt eine Studienteilnehmerin ihr Verhalten.
Doch nicht nur Stressreduktion sind laut der Studie positive Effekte des Pornokonsums. Autorin der Studie, Diana Parry, sagte gegenüber der kanadischen Plattform CBC News, dass Frauen nicht nur reines Vergnügen auf den Streaming-Seiten suchen: «Einige Inhalte lieferten den Frauen auch Inspirationen für ihr reales Sexleben», sagte Parry. Andere wiederum sahen sich durch die Videos auch in ihrem eigenen Selbstwertgefühl bestärkt oder empfanden es als befreiend zu sehen, dass sie nicht die einzigen mit dieser oder jener Sexfantasie sind. Die Untersuchung schliesst mit rundum positiven Aspekten des wachsenden Pornokonsums von Frauen.
Sexualtherapeutin Schiftan sieht das etwas kritischer: «Natürlich können die Videos einem im eigenen Körpergefühl bestärken, aber der gegenteilige Effekt ist genauso möglich. Wenn eher unsichere Frauen klassische Pornografie konsumieren, die primär für Männer produziert wurde, kann das auch zu grosser Verunsicherung führen.»
In der Tat ist der Grossteil der pornografischen Inhalte auf den Streaming-Plattformen für Männer konzipiert. Und obwohl Female-Friendly-Porn gerade boomt, sind die meisten Angebote nicht gratis. Und viele Frauen sind nicht bereit, für diese Angebote zu bezahlen. So auch die Teilnehmerinnen in Parrys Studie: Alle gaben an, dass sie nur gratis Angebote nutzen.
Schiftan begrüsst aber die Entwicklung hin zu mehr Vielfalt auf den Streaming-Plattformen: «Frauen wünschen sich mehr Sinnlichkeit, haben andere Vorlieben in Bezug auf Farben und Kameraeinstellungen. Je vielfältiger das Angebot, desto mehr kann gezeigt werden, dass alle Menschen und deren Körper anders aussehen. Das bestärkt Frauen in ihrer eigenen Individualität.»