Er hat unbestritten einen guten Job gemacht: Christian Levrat Seit 2008 steht er an der Spitze der SP. Er übernahm das Amt von Hans-Jürg Fehr, als die Partei in der Krise steckte. Dieses sinkende Schiff übernehmen? Nein danke! Alle liefen davon – ausser Levrat. Im nächsten Frühling, fast 12 Jahre später, wird er sein Amt abgeben.
Der Freiburger gilt als geschickter Stratege. Unter seiner Ägide hat die SP den letzten Jahren viele politische Geschäfte geprägt. Etwa die Energiestrategie 2050, die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder die STAF – die Vorlage, welche die Steuerreform mit einer Zusatzfinanzierung der AHV verknüpft hat.
Zwar lässt Levrat selbst dieses Bild nicht gelten. Doch er ist der starke Mann innerhalb der SP. Das wird auch mit der Historie erklärt: «Er musste den Karren alleine reissen», sagt ein Parteikollege. Levrat komme aus einer gewerkschaftlichen Schule, mit einer klaren Führungslogik und starken Strukturen. «Das hat der Partei auch gut getan.»
Doch Levrat ist eben auch der klassische Linke. Sein Steckenpferd ist die Wirtschaft. Stärkung der Kaufkraft, Verteilungsfrage, Vorsorge. Die Ökologie etwa, das alles entscheidende Thema bei diesen Wahlen, habe unter SP-Präsident Peter Bodenmann ein stärkeres Gewicht gehabt, sagt etwa SP-Nationalrat und Vize-Präsident Beat Jans. Auch das zweite grosse Wahlkampfthema, die Frauen und die Gleichstellung, verkörperte die Grünen-Präsidentin Regula Rytz natürlich besser.
Gleichstellung ist zwar ein Uranliegen der Sozialdemokraten. Allerdings sind die Grünen bei der Besetzung von Spitzenposten die besseren Frauenförderer. Sie selbst nennen sich die «Avantgarde der Gleichstellung» und verweisen gerne darauf, dass die Grünen als erste nationale Partei eine Präsidentin hatte – und seither mehr Präsidentinnen als andere Parteien.
Die SP hatte bisher zwei Präsidentinnen: Ursula Koch (1997–2000) sowie Christiane Brunner (2000–2004). Und heute scheint bereits klar, dass auf Levrat eine Frau folgen muss. Ultimativ fordert dies der Bündner Neo-Nationalrat Jon Pult: «Die Mehrheit unserer Wählerinnen und Parlamentarierinnen sind Frauen. Zudem ist für eine Partei der Gleichstellung Abwechslung wichtig. Eine Frau an der Spitze bildet die Realität unserer Partei und auch die Bedürfnisse unserer Wähler besser ab.»
Pult will es zwar nicht an Kritik an Levrat verstanden wissen, doch er hält auch fest: «Im aktuellen Wahlkampf hatte es ein mittelalterlicher, etablierter Mann in der progressiven Hälfte des Spielfeldes einfach schwieriger.» Kommt dazu, dass das zweite nationale Spitzenamt ebenfalls von einem Mann besetzt ist. Der Waadtländer Nationalrat Roger Nordmann führt die Bundeshausfraktion.
Wer sind also die Frauen, die im nächsten Frühling auf Levrat folgen könnten? Eine Übersicht:
Die 40-jährige Flavia Wasserfallen war während sechs Jahren Co-Generalsekretärin der Partei und politisiert nun seit 2018 in der grossen Kammer. Während der Freiburger aus dem ländlichen Greyerzerland kommt, steht Wasserfallen für die urbane SP. Sie lebt in der Stadt Bern. Wasserfallen gilt als politisch erfahren, stark vernetzt und als gute Kommunikatorin. Sie hat ein Handicap: Die Bernerin gilt als Levrat-nah. Hat sie sich als Nationalrätin genug von ihrem Förderer emanzipiert? Das ist die grosse Frage. Denn will die Partei einen Neuanfang, könnte ihr die Nähe zum Nachteil gereichen.
SP-Nationalrat Cédric Wermuth fordert es zumindest klausuliert: einen Generationenwechsel an der Spitze der SP. Damit kommt die St. Gallerin Barbara Gysi als Nachfolgerin kaum in Frage. Auch sieht gehört als Vizepräsidentin zum aktuellen Leitungsteam der Partei, die das schlechte Wahlresultat mitverantworten muss. Zudem wird moniert, es fehle ihr an Ausstrahlung.
Besser sind die Karten für die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt. Die 35-Jährige ist bereits seit vier Jahren Vize-Fraktionschefin und hat sich einen guten Ruf erarbeitet. Trotz ihrer langen Parlamentserfahrung auf allen drei Staatsebenen wird sie tendenziell unterschätzt. Doch als Wahlkampfleiterin hat sie an Statur gewonnen und mit gewinnenden öffentlichen Auftritten überzeugt. Auch Masshardt lebt in der Stadt Bern und hat zwei kleine Kinder. Parteiintern geht man davon aus, dass sich die Bernerin eher für das Fraktionspräsidium interessiert.
Eine mögliche Kandidatin ist Mattea Meyer. Die bald 32-jährige Zürcher Nationalrätin trägt trotz ihres jungen Alters bereits einen grossen politischen Rucksack mit sich. Sie war vier Jahre Mitglied des Zürcher Kantonsrats, bevor ihr 2015 der Sprung nach Bern gelang. Sie war zudem Vizepräsidentin der Juso. Und das ist vielleicht ihr grösster Nachteil. Meyer steht für den linken Parteiflügel. Sie kritisierte etwa die Steuer-AHV-Vorlage als faulen Kompromiss. Gezimmert hatte ihn just SP-Präsident Levrat zusammen mit der CVP.
Meyer wird oft als mögliche Co-Präsidentin genannt – zusammen mit dem Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth. Die beiden sind sehr gut befreundet. Während zwei Jahren (2009 - 2011) stand das Duo an der Spitze der Juso; Wermuth als Präsident, Meyer als Vizepräsidentin. Ob so viel Nähe für ein Co-Präsidium gut ist, würde sicher für Diskussionen in der Partei führen. Für jene SPler, die sich zudem eher eine Öffnung hin zur Mitte wünschen, ist solch ein Co-Präsidium sicher nicht die Wunschvorstellung. Ob sich die beiden durchsetzen könnten, hängt sehr damit zusammen, welche Schlüsse die Partei aus der historischen Wahlniederlage zieht. Meyer und Wermuth haben beide kleine Kinder. Ein Co-Modell könnte den gesellschaftlichen Wandel abbilden und aufzeigen, wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert werden kann.
Allerdings spricht auch nichts gegen einen Mann. Grundsätzlich ist das völlig egal, solange die politische Ausrichtung stimmt.
Per Definition aber alle Männer auszuschließen (und wenn nur als Co-Präsi) hat aber mit Gleichstellung nichts zu tun.
Selbst ich als Parteimitglied kann mich leider immer weniger mit der SP identifizieren.