Magdalena Martullo-Blocher hatte einen schweren Stand. Am Freitagabend in der «Arena» zum Thema «Schweiz-EU» kämpfte die SVP-Nationalrätin alleine auf weiter Flur und musste von allen Seiten Prügel einstecken.
Die Differenzen mit den anderen Diskussions-Teilnehmern gingen gar soweit, dass sich SP-Nationalrat Corrado Pardini partout weigerte, neben ihr zu stehen. «Zwischen der SVP und uns liegt politisch ein Ozean», begründete er seinen Entscheid.
Dabei hätte es durchaus guten Grund gegeben, dass sich SVP und SP Schulter an Schulter präsentiert hätten an diesem Abend vor dem langen Pfingstwochenende. Denn nur Stunden zuvor teilte der Bundesrat mit, dass er das mit der EU ausgehandelte Rahmenabkommen so nicht unterschreiben werde. Erst müssten mit Brüssel weitere Klärungen getroffen werden. Ein Erfolg für die Parteien von Martullo-Blocher und Pardini, welche den Deal in seiner jetzigen Form, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, ablehnten.
Christa Markwalder hingegen würde am liebsten so schnell wie möglich getrocknete Tinte unter dem Vertragswerk sehen. Die FDP-Politikerin sprang zwar für Pardini in die Bresche und bezog den Stehpult neben Martullo-Blocher, hatte das Heu aber überhaupt nicht auf der gleichen Bühne wie die SVP-Nationalrätin.
Markwalder will mit dem Rahmenabkommen den bilateralen Weg weiterführen. Dieser sei für den Unternehmensstandort von «essentieller» Bedeutung, da somit der Zugang zum zweitgrössten Binnenmarkt der Welt gesichert sei. «Die Schweiz lebt hier nicht isoliert mitten in Europa, Frau Martullo-Blocher», erinnerte sie ihre bürgerliche Kollegin und hatte dann die Chuzpe, von der EMS-Chefin zu fordern, dass sie mal anfangen solle, «als Unternehmerin zu denken». «Jeden Tag passieren Güter und Dienstleistungen im Wert von einer Milliarde Franken unsere Grenzen.»
Martullo-Blocher betonte denn auch, dass sie gar nicht gegen die bilateralen Verträge sei. Das Rahmenabkommen würde jedoch deren «Ende» bedeuten, entgegnete sie Markwalder, da man nicht mehr auf gleicher Augenhöhe verhandle. «Wir machen ja mit der ganzen Welt Geschäfte, ohne dass wir für alle Zukunft deren Recht übernehmen müssen», so Martullo-Blocher.
Ein ziemlich sicheres Ende der bilateralen Verträge würde die Kündigung der Personenfreizügigkeit bedeuten, welche die SVP mittels Kündigungsinitiative anstrebt. Karin Keller-Sutter mahnte am Nachmittag vor einem «Schweizer Brexit», der bei einer Annahme eintreffen würde.
Der Formulierung der Bundesrätin konnte Martullo-Blocher wenig abgewinnen, zumal man im Gegensatz zu Grossbritannien ja gar kein Mitglied der EU sei.
Dies rief wiederum Filippo Lombardi auf den Plan, der es durchaus zutreffend findet, von einem «Schweizer Brexit» zu sprechen. Der CVP-Ständerat attackierte Martullo-Blocher und ihre Partei scharf, indem er Parallelen zu Grossbritannien zog.
«Wenn man einfach Nein sagt, ohne zu wissen, was man danach tut, fällt man in eine Falle.» Die Briten wüssten nicht mehr, wohin sie wollen, das tue ihm richtiggehend weh, so Lombardi. Eine Annahme der Kündigungsinitiative würde auch in der Schweiz eine Brexit-Situation zur Folge haben, warnte der sichtlich aufgebrachte Tessiner. «Dies würde die ganzen bilateralen Verträge in Frage stellen.»
Glück hatte Martullo-Blocher, dass sich nicht auch noch SP-Mann Pardini komplett auf sie einschoss, denn dieser war am Freitagabend kaum zu bremsen. Der Gewerkschafter legte sich vor allem mit Christa Markwalder an. Er verteidigte die harte Linie beim Lohnschutz, die er und seine Partei fuhren, und somit das Rahmenabkommen ins Wanken brachten.
Aufgrund dieses Drucks habe sich der Bundesrat nun endlich bewegt und strebe Nachverhandlungen an, so Pardini. «Wer die Löhne, so wie das Frau Markwalder machen will, zur Disposition stellt, der trägt dazu bei, dass sich die Schweiz von der EU entfernt.»
Auch wenn Markwalder nach diesem Angriff erst einmal leer schlucken musste, hinterliess sie beim Zuschauer mit ihrem klaren Ja zum Rahmenabkommen immerhin den Eindruck, als hätten sie und ihre Partei einen Plan für die schweizerisch-europäische Zukunft. Martullo-Blocher blieb dies indes mit ihrem doppelten Nein, sowohl zum Rahmenabkommen als auch zur Personenfreizügigkeit, schuldig.
Und als wäre dies nicht genug, wurde die SVP-Nationalrätin auch noch von der Europarechtlerin Christa Tobler vorgeführt. Als Martullo-Blocher behauptete, dass durch die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie in Zukunft EU-Bürger in der Schweiz Wahlrecht erhalten würden, schritt die Professorin entschieden ein. «Das stimmt einfach nicht, das stimmt einfach nicht, das steht nicht in dieser Richtlinie, das ist ein ganz anderes Thema», korrigierte sie Martullo-Blocher und erhielt Szenenapplaus.
Spätestens nach dem Einschreiten der Professorin fürchtete sich nicht mehr nur Filippo Lombardi, dass der Schweiz beim eingeschlagenen Kurs der SVP ein Brexit-ähnliches Szenario droht.