Kurz vor zehn Uhr abends war die Sache klar: Johanna Gapany setzte sich am Sonntag im zweiten Wahlgang gegen den bisherigen CVP-Ständerat Beat Vonlanthen durch. Hauchdünn mit einem Vorsprung von 138 Stimmen.
Zwar verlangte die unterlegene Partei am Sonntag noch vor Mitternacht eine Nachzählung, da es bei der Stimmenzählung zu IT-Problemen und grossen Verzögerungen gekommen war. Dazu dürfte es aber höchstwahrscheinlich nicht kommen.
Somit bleibt Gapany die Polit-Frau der Stunde. Die 31-jährige Senkrechtstarterin zieht aller Voraussicht nach als erste Frau für Freiburg ins Stöckli ein. Der Freiburger Bundesrat Alain Berset war bei seiner Wahl in den Ständerat damals ebenfalls erst 31 Jahre alt. Und so stellt sich die Frage: Wer ist die Frau, die zuvor im Gemeinderat von Bulle und im Freiburger Grossrat politisierte? Und wie schaffte sie es, den etablierten, 62-jährigen Vonlanthen aus seinem Amt zu verdrängen?
Ihre politische Karriere startet die Betriebsökonomin aus dem Greyerzerland 2010, als sie in den Vorstand der Freiburger Jungfreisinnigen gewählt wurde und kurz darauf das Präsidium übernahm.
Nur zwei Jahre später wurde sie Vize-Präsidentin der nationalen Jungfreisinnigen. Andri Silberschmidt, seit dem 20. Oktober frisch gewählter FDP-Nationalrat, arbeitete damals mit Gapany zusammen. «Als unser Präsident zurücktrat, wollten viele Jungfreisinnige einen Zweikampf zwischen mir und Johanna ums Präsidium», erinnert sich Silberschmidt. «Das wollten wir nicht, also schlugen wir ein Co-Präsidium vor.»
Die Basis der Jungfreisinnigen hielt von dieser Idee allerdings wenig. Gapany, die aus einer Bauernfamilie stammt, zog in der Folge ihre Kandidatur zurück, zugunsten ihres Zürcher Parteikollegen. Zeigt die Episode einen starken Konsenswillen oder zu wenig Durchsetzungsvermögen? «Ihr Schritt war mutig und widerspiegelt ihren Einsatz für das grössere Ziel», sagt Silberschmidt.
Sie habe es auch gewagt, sich deutlich gegen die Volksinitiativen «AHV+» und «Altersvorsorge 2020» auszusprechen, was in der Romandie viel heikler sei als in der Deutschschweiz.
Diese Linientreue attestiert ihr auch Benoît Piller, SP-Vertreter im Freiburger Grossrat, wenn auch nicht unbedingt in positiver Hinsicht. «Sie politisiert stramm auf der rechten FDP-Linie, auch wenn es um Themen der Gleichberechtigung geht.» Auch deswegen hatte die SP die Kandidatur Vonlanthens bevorzugt.
Als Gapany 2015 in den Grossrat gewählt wurde, sei sie sehr schüchtern gewesen, sagt Piller. Davon sei im Wahlkampf aber nicht viel zu spüren gewesen. «Sie hat es geschafft, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.» Dabei habe Gapany aber vor allem mit den Argumenten «Jung» und «Frau» für sich geworben. «Thematisch fehlte es ihr an Tiefe.»
Ihr grösster Erfolg in den letzten vier Jahren war eine Liberalisierung der Freiburger Öffnungszeiten für Bars, Restaurants und Discos. Laut der Zeitung «La Liberté» hat sie in den letzten drei Jahren nur ein Dutzend Mal das Wort im Grossrat ergriffen – massiv weniger als viele ihrer Ratskollegen.
Seit 2016 ist Gapany, die als Projektleiterin an einem Spital arbeitet, zusätzlich Gemeinderätin in Bulle tätig und dort zuständig für Themen wie Strassenunterhalt, Forstwirtschaft, Entsorgung und Sport.
«Vor ihrer Ständerats-Kandidatur ist sie nicht aufgefallen», sagt Serge Gumy, Chefredaktor von «La Liberté». Auch im Gemeinderat von Bulle gelte sie nicht als politisches Schwergewicht. «Aber sie legte im Wahlkampf einen unbändigen Wille an den Tag.»
In den Debatten mit Vonlanthen und SP-Ständerat Christian Levrat, welche die Zeitung organisierte, sei sie top vorbereitet gewesen, sagt Gumy. «Sie war nicht die junge Gemeinderätin aus Bulle, sondern politisierte in derselben Liga.» Einzig, so Gumy, wirke bei Gapany vieles einstudiert, etwas gekünstelt; die politischen Parolen ihrer Partei, die Marketing-Slogans. «Man kann ihr aber definitiv nicht vorwerfen, sie hätte ihre Hausaufgaben nicht gemacht.»
Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass Gapanys Deutschkenntnisse nicht über alle Zweifel erhaben sind. Im Ständerat wird erwartet, dass die Ratsmitglieder die Landessprachen beherrschen.
Zudem ist der Kanton mit Gapany und Levrat nur noch von frankophonen Freiburgern vertreten. Ein Problem? «Das denke ich nicht», sagt der Chefredaktor der «Liberté». «Für viele Freiburger war die Sprachenfrage weniger wichtig als die Möglichkeit, erstmals eine Frau in den Ständerat zu hieven.» Und was ist mit den Deutschkenntnissen? «Wenn man gesehen hat, wie schnell sie im Wahlkampf dazugelernt hat, wird sie auch das rasch meistern.»