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Brutaler Mord von Bottighofen TG – das Motiv ist noch immer ein Rätsel

Brutaler Mord von Bottighofen TG – das Motiv ist noch immer ein Rätsel

23.03.2022, 09:1323.03.2022, 18:17
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Das Bezirksgericht Kreuzlingen
Das Bezirksgericht Kreuzlingenbild: tg.ch

Vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen TG ist am Mittwoch das Tötungsdelikt in Bottighofen verhandelt worden. Die Anklage geht von vorsätzlicher Tötung aus, die Verteidigung fordert wegen berechtigter Notwehr einen Freispruch. Das Urteil steht noch aus.

Der Fall begann mit einem grausigen Fund: Spaziergänger entdeckten im Dezember 2020 in einem Waldstück bei Egnach einen menschlichen Kopf mit einer Schussverletzung. Eine DNA-Analyse führte zum Opfer: eine 63-jährige Frau aus Bottighofen.

Wenig später wurde die 55-jährige Vermieterin des Opfers, eine in der Ukraine geborene liechtensteinische Staatsbürgerin, festgenommen. Bei der Frau fand die Polizei die Tatwaffe.

Der Prozess begann mit der Befragung der Beschuldigten. Im Februar 2020 hatte sie dem späteren Opfer eine Wohnung in ihrem eigenen Mehrfamilienhaus vermietet. Bald gab es Probleme. Die Miete blieb aus, und der Betreibungsauszug erwies sich als gefälscht.

Sie habe der Mieterin kündigen wollen und sie angezeigt, erzählte die Beschuldigte. Darauf habe die Frau zu ihr gesagt: «Pass auf, du kennst uns nicht». Da habe sie eine «tierische Angst» bekommen. Fortan trug sie in einer Bauchtasche eine geladene Pistole mit sich.

Bevor es zur Tat kam, gab es eine verbale Auseinandersetzung zwischen den beiden Frau. Sie hätten «hart geredet», erzählte die Beschuldigte. Später habe sie die Mieterin in der Waschküche von hinten angegriffen und am Hals gewürgt. In Panik habe sie drei-, viermal geschossen. Alles sei innert Sekunden passiert.

Chaos im Kopf

Die Gerichtspräsidentin wies die Beschuldigte auf Widersprüche zu früheren Aussagen hin. Sie habe «ein Chaos im Kopf» gehabt, entgegnete die 55-Jährige. Keine Erklärung fand sie für einen Reim, den sie vor der Tat auf Youtube veröffentlicht hatte. Darin kommt die Zeile vor: «Auf den Mieter wird sogleich geschossen, Piff-Paff!».

Der geschilderte Ablauf sei «spurentechnisch nicht möglich», sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Die Untersuchung zeige, dass sieben Schüsse von oben auf das bäuchlings und regungslos auf dem Betonboden liegende Opfer abgefeuert worden seien. Die Beschuldigte sei Mitglied im Schützenverein, so der Staatsanwalt.

Anschliessend habe die Vermieterin die Leiche mit Küchenmessern zerteilt und die Körperteile in verschiedenen Unterflurcontainern entsorgt. Den abgetrennten Kopf wollte sie im Wald vergraben. Vor Gericht erklärte sie, sie sei das Arbeiten mit Fleisch von früher her gewohnt.

Die Beschuldigte habe 20 Jahre lang hart im Rotlichtmilieu gearbeitet und einen «abgrundtiefen Hass» auf die Frau entwickelt, die in ihrem Haus wohnte und einfach keine Miete zahlte, sagte der Staatsanwalt. Sie habe die 63-Jährige als «Parasit» bezeichnet. Es sei ihr «um die Elimination einer als lästig empfundenen Person» gegangen.

Die Anklage forderte für vorsätzliche Tötung und Störung des Totenfriedens eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Dazu soll die Frau für 15 Jahre des Landes verwiesen werden.

Berechtigte Notwehr

Der Verteidiger erklärte, es gehe im Prozess um die Frage, wann Notwehr berechtigt sei. Er forderte einen Freispruch vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung. Für die Störung der Totenruhe sei eine Busse von maximal 1000 Franken angemessen.

Die Ereignisse im Haus hätten sich auf kaum nachvollziehbare Weise zugespitzt. Was genau geschehen sei, könne nicht mehr geklärt werden. Es gebe schliesslich keinen Körper mehr, der obduziert werden könne. Deshalb sei zu hinterfragen, was von der Anklage angenommen werde.

Der Verteidiger zeichnete ein anderes Bild des Opfers: Die 63-Jährige sei wegen Geldwäscherei vorbestraft gewesen. Als kleines Rädchen im Netzwerk der organisierten Drogenkriminalität habe sie ihr Konto für das Verschieben von Geldern zur Verfügung gestellt. Die Beschuldigte habe sich vor Hintermännern gefürchtet, mit denen die Mieterin Kontakt hatte.

Am Tag der Tat sei ein Angriff erfolgt, bei dem seine Mandantin heftig gewürgt wurde. Es sei zu einem «krampfartigen Atemschock» gekommen. In Todesangst habe sie «unter einer heftigen Gemütsbewegung» reagiert. Es habe sich um berechtigte Notwehr gehandelt.

Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt. Das Bezirksgericht Kreuzlingen wird sein Urteil voraussichtlich am Freitag bekanntgeben. (sda)

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