Über 30'000 Mal geteilt, verbreitet sich der Leserbrief über Sozialhilfebeiträge für Asylbewerber noch immer auf Facebook. Und obwohl das, was drinsteht, diskussionslos falsch ist, wirft er Fragen auf: Was genau ist so falsch an den kolportierten Zahlen? Warum soll man nicht die AHV-Beiträge mit den Sozialhilfebeiträgen für Asylbewerber vergleichen können? Und schon sind die Zweifel da. Vielleicht, ja vielleicht, ist da doch was dran.
Nein, ist es nicht.
Hier die Erklärungen:
Kälin legt in ihrer Streitschrift gerade mal mit einer pauschalen Aussage los: «Die armen Asylanten der Schweiz bekommen Sozialhilfe in der Schweiz ...»
Das ist – in dieser Absolutheit – falsch. Das Bundesamt für Statistik zählt per 30. Juni 2014 19'815 Sozialhilfebeziehende im Asylbereich. Rund zwei Drittel davon sind Asylsuchende, ein Drittel vorläufig aufgenommene Personen mit weniger als 7 Jahren Aufenthalt in der Schweiz.
Die Sozialhilfequote aller Sozialhilfeempfänger im Asylbereich belief sich dabei auf 83,5 Prozent. 16,5 Prozent der Asylsuchenden beziehen also keine Sozialhilfe, sondern Nothilfe.
Übrigens: Arbeiten dürfen Asylbewerber die ersten drei Monate nicht. Danach entscheiden die Kantone. Und selbst dann ist es ihnen fast unmöglich, einen Job zu bekommen: Der Inländervorrang legt fest, dass eine Person mit dem Schweizer Pass oder aus dem EU-Raum zuerst berücksichtigt werden muss.
Kälin schreibt weiter: «Die armen Asylanten der Schweiz bekommen Sozialhilfe in der Schweiz und dies sind gemäss aktuellen Medienberichten 56 Franken pro Person und Tag.»
Das ist falsch. Kälin bezieht sich auf den Pauschalbeitrag, den die Kantone pro Asylbewerber bekommen (damals etwas unglücklich in diesem Artikel als Unterstützungsbeitrag formuliert).
Nochmals deutlicher formuliert: Für die Kantone gibt's 56 Franken, für den Asylbewerber einen Bruchteil davon.
Dieser Bruchteil ist ein sehr viel kleinerer Betrag: Die zum Zeitpunkt von Kälins Leserbrief gültigen Unterstützungsgelder belaufen sich – je nach Kanton – auf circa 11 bis 15 Franken.
«Zugegeben», schreibt Kälin, Rentner würden zwar zwei Franken mehr als die 56 Franken bekommen, jedoch mit dem Unterschied, dass die Schweizer davon Krankenkasse, Versicherungen, Mietzins, Zahnarzt und Kleider bezahlen würden.
Das ist nicht richtig. Auch die Leistungen für Asylsuchende unterscheiden sich von Kanton zu Kanton. In Bern beispielsweise müssen die 15.40 Franken für sämtliche Lebenshaltungskosten reichen.
«Und trotzdem», schreibt Kälin weiter, «werden auch die ärmsten Rentner, die lediglich 27'840 Franken in 12 Monaten bekommen (...) nicht kriminell».
Auch das ist eine leider kreuzfalsche Pauschalaussage. Die Kriminalitätsrate der über 50-Jährigen steigt seit Jahren. In diesem watson-Artikel gibt's anschauliche Grafiken dazu.
«Diese Sozialhilfekosten für Asylanten», kommt Kälin zum Finale,« ist eine Ohrfeige für alle Rentnerinnen und Rentner, die ein Leben lang gespart und gearbeitet haben.» Auch das ist Unsinn.
Die Einzahlung in die Pensionskasse ist obligatorisch, neben der AHV stehen Rentnern also auch diese Gelder zu Verfügung. Der Vergleich zwischen den AHV-Beiträgen und Sozialhilfebeiträgen für Asylbewerber hinkt also schon aus dem Grund, dass die AHV-Rente «nur» die erste von drei Säulen der Altersrente ist.
Ausserdem können Pensionäre mit tiefen AHV-Renten Ergänzungsleistungen beantragen – zum Beispiel Leistungen für die Krankenkasse.