Das Kind des Übervorsichtigen trägt Helm, Rücken- und Mundschutz. Trotzdem darf es nicht gleich mit den anderen den Hügel runter: Es muss erstmal zum Einturnen – wegen Muskelfaserrissen und so. Danach folgen Falltraining und Drill der Notfallszenarien. Kurz bevor die Sonne untergeht, darf es dann auf die Piste – aber nur im unteren Drittel, dort wo es flach ist. «Horror» und «voll von Spinnern» sei es weiter oben. Dass der Übervorsichtige seinem Filius keinen Gefallen tut, versteht sich von selbst. Denn auch Fallen will gelernt sein.
Das Gegenteil des Übervorsichtigen ist der Pistenrowdy. Er glaubt an sein Recht auf freie Fahrt, und wenn es hart auf hart kommt, schreckt er auch vor physischer Gewalt nicht zurück. Er kann gar nicht anders, denn kopfüber auf dem Davoser bremst es sich nur noch schwer. Dass sich die Aufnahmen seiner GoPro in einem möglichen Strafprozess einmal gegen ihn richten könnten, berücksichtigt der Pistenrowdy nicht. Kein Wunder. Rücksicht ist nicht seine Stärke. Aber Rücksicht sieht eben auch nicht geil aus, auf dem Flatscreen zuhause.
Aus seiner Thermoskanne dampft der heisse Punsch, ready, beim ersten Fröstelanzeichen ausgeschenkt zu werden. Doch frösteln wird das Kind des Superdads gopfristüdeli nie, schliesslich wurde der Bob zuvor mit einem Fell ausstaffiert. Der Skianzug (mit wasserdichter Goretex-Membran und einer Primaloft-Füllung) ist auch eher von Moncler als von Aldi. So rutscht das Kind des Superdads mit rosa Bäckchen und weissem Mund (Daylong 50 EXTREME Lippen- und Nasenstift) stundenlang den Hang hinunter. Husten und schnuddern tun die anderen. Beim Superdad hingegen zahlt sich die tägliche Ration Bio-Öpfeli und Gmüesli wieder einmal aus. Tüdelidü!
Der Vollpfosten besteigt den Schlittelhügel nicht wie jeder normale Mensch auf dem Gehweg, der Vollpfosten steigt mitten auf der Schlittelpiste hoch. Weshalb? Wir wissen es nicht. Aber irgendwer ist ja verantwortlich für die Falschfahrermeldungen im Radio. Unglücklich ist: Vollpfosten haben in der Regel Vollpfosten-Kinder. Und plötzlich verspürt man eine gewisse Dankbarkeit für die selbstlose Arbeit der Pistenrowdys.
Er steht einfach nur da, in seinem dunklen Mantel. Oben am Hang. Im Schneegestöber. Und von dort schaut er runter auf die Leute, durch seine Sonnenbrille. Während die Kälte bei allen anderen langsam Rötungen ins Gesicht zaubert, erhält sich der Coole seine vornehme Blässe. Die Kälte perlt an ihm ab, wie Wasser an einem Seerosenblatt.
Kaum am Hügel angekommen, beginnt der Aktivist mit seiner Mission: der Optimierung des Schlittelspasses. Als erste Amtshandlung sperrt er die steilste Passage grossräumig ab. Schliesslich muss er ungestört arbeiten können. Mit schwerem Gerät macht er sich dann daran, eine Schanze im Stile des Holmenkollbakkens zu bauen. Die berühmte Spass-Grösse-der-Schanze-Korrelationskurve kennt er nicht. Und längst fragen sich die anderen Eltern, wem er mit diesem Kunstwerk ein Denkmal setzen will. Den Kindern auf jeden Fall nicht.
Ähnlich wie der Aktivist geht auch das Kind im Manne nicht primär wegen des Nachwuchses zum Schlitteln. Das Kind im Manne will selbst möglichst viel Fun erleben. Grundsätzlich ist das nichts Verwerfliches, wenn aber Papi noch fünf Mal fahren will und sich täubelnd in den Schnee wirft, wenn das Kind mit steifen Fingern endlich nach Hause will, dann ist die Schmerzgrenze erreicht.
Bereits beim ersten Erklimmen des Schlittelhügels holt sich der Ungeschickte eine blutige Nase. «Nicht so schlimm», sagt er tapfer, nur um bei der ersten Abfahrt den einzigen Baum im Hang zu rammen. Sekunden später fährt ihm ein Pistenrowdy in die Beine. Es sei heute nicht so sein Tag, sagt er mit gequältem Lächeln. Wobei das nicht ganz stimmt. Denn heute darf er mit dem Rega-Heli fliegen. Wieder einmal.
Und weil es so lustig war, gleich nochmals:
So und noch das letzte: