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Lehrbeginn – und es gibt noch immer über 7000 freie Stellen in der Schweiz

Madlen Huber, Coiffeur Lernende im 1. Lehrjahr, foehnt das Haar an einem Modell-Kopf mit Echthaar, am Dienstag, 31. Maerz 2015 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Ein möglicher Grund für die unbesetzten Coiffeur-Lehrstellen könnten die tiefen Löhne sein.
Bild: KEYSTONE

Lehrbeginn – und es gibt noch immer über 7000 freie Stellen in der Schweiz

02.08.2016, 17:0402.08.2016, 17:50
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In diesen Tagen beginnen in der Schweiz Tausende Schulabgängerinnen und Schulabgänger ihre Berufslehre. Doch noch nicht alle Jugendliche haben eine Lehrstelle gefunden. Dabei sind zahlreiche Lehren zu vergeben - etwa als Coiffeuse oder im Hoch- und Tiefbau.

Unter www.berufsberatung.ch zeigt der Lehrstellennachweis LENA, welche Lehrstellen in den jeweiligen Kantonen zu vergeben sind. Am Dienstag waren dort schweizweit noch 7109 Lehrstellen unbesetzt.

Coiffeur-Lehren nicht sehr nachgefragt

Im Kanton Zürich entfielen zwei Drittel der freien Stellen auf die Berufsfelder Bau, Handel, Schönheitsgewerbe, Elektrizität und Gastgewerbe. Die Zahl der offenen Stellen betrug per Ende Juli 1395, wie die Bildungsstatistik zeigt.

«In gewissen technischen Berufen ist es nicht ganz einfach, Lernende zu finden, welche die schulischen Anforderungen der Grundbildung erfüllen», sagt Sergio Casucci vom Laufbahnzentrum der Stadt Zürich. Auch Coiffeur-Lehren seien derzeit nicht sehr nachgefragt.

«Ein möglicher Grund für die unbesetzten Coiffeur-Lehrstellen könnten die tiefen Löhne sein», so der Berufsberater. Demgegenüber stünden KV-Lehren bei der Jugend nach wie vor hoch im Kurs.

KV, Soziales, Informatik sind gefragt

Dass KV-Lehren bei den Jugendlichen zu den gefragtesten gehören, beobachtet auch Marine Ding vom Bereitschaftsdienst für Lehrstellensuchende im Kanton Freiburg. Ebenfalls sehr beliebt seien Berufe in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Informatik.

«Im Vergleich zur Nachfrage gibt es nicht viele Lehrstellen. Ausserdem sind es anspruchsvolle Lehren, und die Lehrmeister sind wählerisch.»

Im Kanton Bern gab es Ende Juni vor allem in handwerklichen und technischen Berufen, im Detailhandel und in der Gastronomie noch offene Stellen. Ende Juli waren allerdings nur noch 56 Lehrstellen ausgeschrieben - im Vergleich zu rund 10'000 bewilligten Lehrverträgen.

«Die Lehrstellen sind eigentlich besetzt», sagte Mario Battaglia vom Berner Mittelschul- und Berufsbildungsamt. Zu den restlichen Stellen gehörten zwanzig Gärtner-Lehren. Auch vier Coiffeur-Betriebe suchten noch Lernende.

Zu enge Berufswahl

Wer kurzfristig noch eine Lehrstelle sucht, muss möglicherweise bei der Berufswahl etwas flexibler werden. Laut den Berufsberatungs- und Informationszentren des Kantons Bern fassen viele Jugendliche nur sehr wenige Berufe ins Auge. «Der Standard-Ratschlag lautet deshalb, den Berufswunsch auszuweiten», sagt Battaglia.

Damit die Jugendlichen kurz vor Lehrbeginn nicht ohne Lehrvertrag dastehen, versucht der Kanton Bern, Jugendliche mit Schwierigkeiten bei der Stellensuche möglichst früh zu erfassen und zu unterstützen. Angehende Schulabgänger können auch bei einer neu geschaffenen Triagestelle angemeldet werden, wo man mit ihnen nach einer geeigneten Anschlusslösung sucht.

Lehrstellenbörsen

Auch die Stadt Zürich unternimmt einiges, um Lehrmeister und Lernende zusammenzubringen. Im Frühling veranstaltet sie jeweils Lehrstellenbörsen und im Juni den Anlass «Keine Lehrstelle - was tun?», um geeignete Anschlusslösungen zu vermitteln.

Am 8. September bietet sie mit der Veranstaltung «Last Call» allen Schulabgängerinnen und Schulabgängern ohne Anschlusslösung die Chance, doch noch eine Lehre oder eine andere Lösung wie ein Berufsvorbereitungsjahr zu finden.

Firmen in der Pflicht

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund sieht in erster Linie die Firmen in der Pflicht, damit alle Jugendlichen eine passende Lehrstelle finden. Im Schweizer System habe der Bund eine beschränkte Rolle und setze Rahmenbedingungen. Die Kantone kümmerten sich um die Umsetzung, sagt Zentralsekretärin Laura Perret.

Vor allem für die Deutschschweiz treffe das zu, wo der duale Bildungsweg mit Praxis im Betrieb und Theorie in der Schule der Königsweg sei. In der Romandie sei die Rolle der Kantone wichtiger, weil rein schulische Berufsausbildungen verbreiteter seien. (whr/sda)

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