An den Von-Wattenwyl-Gesprächen reden die Bundesräte mit den Spitzen der Regierungsparteien. Finanzminister Ueli Maurer (SVP) nutzte den Termin am Freitag für eine Kapuzinerpredigt. Er verwies auf einen Fehlbetrag von 7.4 Milliarden Franken, der dem Bundeshaushalt 2026 drohe, im schlechten Fall.
Maurer warnte vor steigenden strukturellen Defiziten – also vor Fehlbeträgen, die nicht von einmaligen Ausgaben verursacht werden. In einem Dokument des Bundesrats, das dieser Redaktion vorliegt, nannte Maurer die geplanten Ausgaben für die Armee in der Höhe von 0.5 Milliarden pro Jahr. Die Umsetzung der Gegenvorschläge zur Prämienentlastungs- und zur Gletscherinitiative würde mehr als 2 Milliarden kosten, wiederkehrend.
Wenn Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht bald beendet, braucht die Schweiz mehr Geld zur Unterbringung der Flüchtlinge. Bundesrat Maurer verweist ausserdem auf Entscheide über «weitere kostspielige Massnahmen»: bei der familienergänzenden Kinderbetreuung, dem Forschungsaustausch Horizon und bei den SBB.
Anderseits sind «Milliardenausfälle bei den Steuereinnahmen» zu befürchten – dann nämlich, wenn die Individualbesteuerung eingeführt und der Eigenmietwert aufgehoben werde.
Ueli Maurer erinnerte die Vertreter der Bundesratsparteien auch daran, dass es neue Forderungen an den Bund gebe: Ein Teil der Bevölkerung soll durch Zuschüsse oder Steuersenkungen entlastet werden von den Preissteigerungen für Energie. «Solche Massnahmen erscheinen finanz- und umweltpolitisch kaum vertretbar,» heisst es im Papier der Regierung. Der Bundesrat erinnert die Parteien daran, dass «die Schuldenbremse keine systematische Neuverschuldung zulässt.»
Was ist nun zu tun? Ueli Maurer und mit ihm die ganze Regierung fordern «effektive Entlastungen, um die Finanzpläne wieder ins Lot zu bringen.» Zudem seien «finanzielle Mehrbelastungen» zu vermeiden.
Die Prognosen Ueli Maurers haben sich verschiedentlich als allzu pessimistisch herausgestellt. Er will das Parlament damit davon abbringen, ständig hohe Mehrausgaben zu beschliessen. Nun zeichnet sich aber tatsächlich ab, dass die Lage des Bundeshaushalts schlechter wird. Das Wachstum der Wirtschaft könnte bald sinken; das würde sich negativ auf die Steuereinnahmen auswirken.
Dies führt zur Frage, ob es Zeit ist für ein Sparpaket. Sollen die Amtsdirektoren nach Entbehrlichem in der Bundesverwaltung suchen? Im Dokument des Bundesrats ist von einem Sparpaket nicht explizit die Rede. Um «effektive Entlastungen» zu erreichen, könnte die Landesregierung aber schon bald entsprechende Schritte einleiten.
Was sagen die Adressaten von Maurers Strafpredigt? Die Exponenten der FDP und der Mitte geben sich erstaunlich korrekt. Sie weisen darauf hin, dass die Von-Wattenwyl-Gespräche vertraulich seien. Darum wolle man keine Kommentare abgeben.
Die SVP ist hier ungezwungener – was vielleicht damit zusammenhängt, dass Bundesrat Maurer der Volkspartei angehört. Nationalrat Lars Guggisberg betont, dass es seit der Coronakrise bei den Ausgaben kein Mass mehr gebe. Es gehe nicht an, dass der Bund immer mehr Geld ausgebe. Das Ausgabenwachstum sei vor allem in den Bereichen zu stoppen, die in den letzten Jahrzehnten am meisten gewachsen seien. «Die soziale Wohlfahrt hat sich vervierfacht, die Aufwendungen für die internationale Zusammenarbeit haben sich verzweieinhalbfacht. Die Ausgaben für das Bundespersonal sind ebenfalls zu hoch.» Lars Guggisberg fordert:
Die Grünen haben keinen Bundesrat und werden darum nicht an die Gespräche eingeladen. Nationalrat Gerhard Andrey erklärt aber, dass die Grünen Bundesrat Maurer in einem Punkt zustimmten: Die finanziellen Aussichten des Bundes seien düster. «Man sollte von weiteren unnötigen Steuersenkungen absehen. Unternehmen, die wegen der Pandemie oder der Energiekrise besonders hohe Gewinne erzielen, sollten eine Sondersteuer entrichten. Die Ausgaben für die Armee sollten nicht blind erhöht werden. Dazu sollte Bundesbern akzeptieren, dass Schuldenmachen in Krisenzeiten das Richtige ist», meint Andrey.
Originell ist schliesslich die Stellungnahme von SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann: Das Volk könne im September die Verrechnungsteuerreform ablehnen und so einen Milliardenausfall über die Jahre vermeiden. «Mit seiner Warnung ruft Ueli Maurer implizit auf, diese Vorlage abzulehnen.» (aargauerzeitung.ch)