Die einheimischen Sexarbeiterinnen erhalten immer mehr Konkurrenz aus dem Ausland, vor allem aus Südeuropa: 2010 verdienten 38 Frauen aus Spanien, Portugal oder Italien ihr Geld als Prostituierte in der Stadt Bern. 2014 waren es bereits 402 Frauen – über 10 Mal mehr.
«Wir spüren die Wirtschaftskrise in den südlichen Ländern», bestätigt Christa Ammann von der Berner Fachstelle für Sexarbeit Xenia.
«Besonders aus Spanien kommen immer mehr Menschen, die ein paar Wochen in der Schweiz als Sexarbeitende tätig sind und dann wieder zurückkehren.»
Auch in der Stadt Basel haben sich in den letzten Jahren immer mehr Südeuropäerinnen angemeldet. Waren es 2009 noch 121 Frauen, registrierten sich drei Jahre später 369 Sexarbeiterinnen aus Spanien, Italien oder Portugal.
Noch stärker angestiegen ist die Zahl der Ungarinnen im Sexmilieu in Basel: 2011 meldeten sich 277 Frauen an, zwei Jahre später bereits 900. Der Grund: Die Erweiterung der Personenfreizügigkeit am 1. Mai 2011.
Sowohl in Bern als auch in Basel hat die Gesamtanzahl der Sexarbeiterinnen aus dem Ausland zugenommen. In Bern waren es 2010 388 registrierte Frauen, vier Jahre später meldeten sich 1502 Sexarbeiterinnen bei der Fremdenpolizei an.
Basel registrierte 2009 575 ausländische Frauen, 2014 waren es 1842.
Das bleibt nicht ohne Auswirkungen: «Das Angebot und der Konkurrenzdruck steigen, die Preise fallen», sagt Martin Schütz vom JSD in Basel. «Die Frauen stehen deshalb unter hohem Druck, ungeschützten Verkehr anzubieten. Das ist für alle Beteiligten mit Risiken verbunden.»
Auch in Bern steigt der Druck auf die Frauen: «Der Arbeitsraum wird knapper», sagt Ammann von Xenia. Die Einführung des kantonalen Prostitutionsgewerbegesetzes hat die Situation noch verschlechtert: Einige Etablissements haben ihre Tore geschlossen oder werden es bald tun.
Die einen, da sie keine Bewilligung einholen wollen, was neu Vorschrift ist. Andere müssen ihr Lokal aufgeben, da Etablissements in Wohngebieten nicht zonenkonform sind.
Dies führt auch in Bern zu einem Preisdruck: «Die Sexarbeitenden müssen für ihre Zimmer immer mehr bezahlen.» Um ein neues Lokal an einem anderen Ort zu eröffnen, bräuchte es in der Regel ein Baugesuch.
Die Krux: Das Gesuch wird öffentlich publiziert – mit dem Namen des Besitzers. Viele Immobilienbesitzer sind nicht bereit, den eigenen Namen im Zusammenhang mit einem Etablissement zu veröffentlichen.
Dennoch: Obwohl der Konkurrenzkampf und der Preisdruck steigen, scheinen die ausländischen Sexarbeiterinnen in der Schweiz immer noch genug zu verdienen, um den Weg auf sich zu nehmen.
Für Alexander Ott, Polizeiinspektor der Fremdenpolizei Bern, gibt es dafür verschiedene Gründe. Einerseits der wirtschaftliche Druck im Heimatland der Frauen.
Besonders in Ländern wie Spanien, Italien oder Portugal: «Die gesellschaftspolitische Komponente spielt sicher eine grosse Rolle», ist er überzeugt. «Stellen sie sich vor: Eine Frau in Spanien ist bestens ausgebildet, findet aber keinen Job in ihrem Berufsfeld. Eine Möglichkeit, aus dieser Misere herauszukommen, ist ins Sexmilieu einzusteigen.»
Dies in der Schweiz zu tun, ist für die Frauen oft einfacher: «Die Rahmenbedingungen sind hier viel besser als in ihren Herkunftsländern», sagt Ott.
Denn: «Die Frauen erhalten hier Rechtsschutz und Unterstützung von Fachstellen wie Xenia.» Und: Der Aufwand, eine dreimonatige Bewilligung zu erhalten, ist sehr gering. Das funktioniert mit wenigen Klicks via Internet.
Für 2015 rechnet man in Bern mit einer weiteren Zunahme der Anzahl ausländischer Sexarbeiterinnen. Denn bereits im ersten Halbjahr haben sich 1000 Frauen bei der Fremdenpolizei angemeldet. (ssu)