Zunächst wohl eher nicht. Ausländischen Anbietern ist es aufgrund des Kabotageverbots weiterhin verboten, Passagiere innerhalb der Schweiz zu befördern. Bisher steht lediglich der Anbieter Domo Reisen aus Glattbrugg ZH in den Startlöchern. Er will sich zunächst auf den frequenzstarken Strecken der Nord-Süd-Achse (Basel-Brig und Basel-Chiasso) und Ost-West-Achse (St. Gallen-Genf) konzentrieren. Gemäss Blick prüft allerdings auch Flixbus, gemeinsam mit einem lokalen Partner, ein Schweizer Tochterunternehmen zu gründen, um so in den Markt einzusteigen.
Gemäss Verkehrsexperte Thomas Sauter-Servaes von der Fachhochschule ZHAW in Winterthur sind Prognosen darüber, was sich mit der Zulassung von nationalen Fernbuslinien für den Konsumenten konkret ändert, derzeit schwierig. In Deutschland habe es nach der quasi vollständigen Liberalisierung des Fernbusverkehrs sehr rasch Fernbus-Angebote sowohl auf frequenzstarken als auch auf von der Bahn unvollständig abgedeckten Strecken gegeben. Im Gegensatz zur Schweiz besteht dort allerdings keine Konzessionspflicht.
Über die Tarifgestaltung von Anbietern wie Domo Reisen ist derzeit noch nichts bekannt. Schliesslich steht der Konzessionsentscheid des BAV noch aus. Der Bund wird Konzessionen nur dann erteilen, wenn die Anbieter GA und Halbtax anerkennen. Diese Bedingung sei für die privaten Anbieter sicherlich «ein Wermutstropfen», sagt Verkehrsexperte Sauter-Servaes. «Es ist aber gut vorstellbar, dass sie auf ihren Strecken den Halbtax-Tarif der SBB sowieso preislich unterbieten werden.»
«Auf frequenzstarken Strecken in Deutschland wird vor allem die Zielgruppe der sogenannten ‹Time rich, money poor› angesprochen», sagt Sauter-Servaes. Auf dieses Kundensegment werden sich auch die Schweizer Anbieter fokussieren. Damit gemeint sind Rentner oder Jugendliche, die wenig Geld zur Verfügung haben, denen dafür eine etwas längere Reisezeit nichts ausmacht. Dafür würde den Passagieren die Reisezeit etwa mithilfe schneller WLAN-Verbindungen nutzbar gemacht, meint Suter-Servaes.
Bei der SBB betrachtet man Fernbusse im nationalen Verkehr –wie es im internationalen Markt bereits der Fall sei – als Konkurrenz, sagt Sprecher Oliver Dischoe. Er verweist darauf, dass der Konzessionsentscheid des Bundes noch ausstehend sei. Wichtig für die SBB sei, dass «faire und gleiche Rahmenbedingungen» für alle Anbieter einen echten Wettbewerb ermöglichten. Dies gelte insbesondere bei den Arbeitsbedingungen, der Sicherheit und der Einhaltung des Behindertengleichstellungsgesetzes.
Für die SBB stellen parallele Fernbus-Angebote «im gut ausgebauten und eng abgestimmten ÖV-System keinen echten Mehrwert dar». Es werde an der Solidarität der Tarifsysteme im Schweizer ÖV gerüttelt, wenn ein Anbieter Rosinen herauspickt, indem «nur profitable Leistungen und für gewisse Linien Billigstpreise angeboten werden».
Nein, der Bundesrat prüft lediglich, ob ausländische Bahnunternehmen im grenzüberschreitenden Verkehr zukünftig auch ohne Kooperation mit der SBB Passagiere auf Schweizer Schienen transportieren dürfen. So könnte man etwa in Interlaken einen Zug der Deutschen Bahn (DB) nehmen, der weiter nach Hamburg fährt, und in Basel wieder aussteigen. Anders als bisher müsste die DB diesen Zug nicht mehr in Kooperation mit der SBB betreiben. Umgekehrt könnten die SBB theoretisch etwa die Verbindung Zürich-Mailand ohne Kooperation mit den italienischen Staatsbahnen FS betreiben.
Noch hat der Bundesrat in dieser Frage nicht entschieden. Für die SBB braucht es dazu erst eine politische Diskussion. Auf jeden Fall brauche es gleich lange Spiesse für alle. Eine Öffnung dürfe die Errungenschaften des Bahnverkehrs nicht gefährden, sagt SBB-Sprecher Dischoe: «Vor weitergehenden Entscheiden sind deshalb die Chancen und Risiken und möglichen Auswirkungen auf den gesamten ÖV in der Schweiz ganz genau auszuleuchten.» Grundsätzlich nehme man jede Art von Wettbewerb ernst und sei bereit, sich diesem zu stellen.
Verkehrsforscher Sauter-Servaes glaubt, dass die Öffnung dem Konsumenten helfen könnte: «Wettbewerb tut dem Markt grundsätzlich gut.» Es sei vorstellbar, dass etwa die Deutsche Bahn auf der Strecke zwischen Interlaken und Basel tiefere Preise anbieten wird als die SBB oder regelmässige Kunden mit Rabatten oder anderen Reduktionsmöglichkeiten lockt. «Auch bei Dienstleistungen wie etwa Gastronomie oder WLAN haben die Anbieter die Gelegenheit, sich gegenüber der Konkurrenz zu profilieren.» Auch für die SBB eröffneten sich Marktlücken in den Nachbarländern.
Die bestehenden Kooperationen funktionierten gut und werden weiter ausgebaut, heisst es bei der SBB. Es sei laufend in den internationalen Verkehr investiert und ein attraktives Angebot mit täglichen Verbindungen nach Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich geschaffen worden. Dieses Angebot wird gemeinsam mit den Partnerbahnen weiterentwickelt und ausgebaut. Thomas Sauter-Servaes kann sich dennoch vorstellen, dass die SBB künftig gewisse Kooperationen mit ausländischen Partnern aufgebe und die grenzüberschreitenden Verbindungen im Alleingang anbiete.
Verkehrsexperte Thomas Sauter-Servaes zieht ein insgesamt positives Fazit zu den Ankündigungen des Bundesrats. Mehr Wettbewerb könne zu einem besseren Angeboten für die Konsumenten führen. Wichtig sei, dass der Wettbewerb fair bleibe und alle Anbieter gleich lange Spiesse hätten – indem etwa Dumpinglöhne durch ausländische Anbieter verhindert würden. Auch die Frage der Infrastruktur-Kosten der verschiedenen Anbieter auf Schiene und Strasse müsse miteinbezogen werden.
Auch für die Umwelt sieht Sauter-Servaes positive Effekte: «Je attraktiver der öffentliche Verkehr insgesamt ist, desto mehr Leute nutzen ihn und desto nachhaltiger und umweltfreundlicher wird das Verkehrssystem als Ganzes.» (cbe)