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Wann für Doris Leuthard wegen des Postauto-Bschiss Köpfe rollen müssen

Doris Leuthard im «Talk Täglich». Video: kaltura.com

Wann für Doris Leuthard wegen des Postauto-Bschiss Köpfe rollen müssen

Verkehrsministerin Doris Leuthard erklärt im «TalkTäglich», wann sie vom Post-Skandal erfahren hat, warum Postchefin Susanne Ruoff weiterhin ihr Vertrauen hat, macht aber auch klar, wo die rote Linie ist.
13.02.2018, 02:4715.02.2018, 08:14
Jürg Krebs / Nordwestschweiz
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Die zuständige Bundesrätin Doris Leuthard äusserte sich bislang kurz und knapp zum Buchhaltungs-Bschiss bei der Postauto AG: «Ich bin enttäuscht über die Vorgänge», liess sie letzte Woche ausrichten zu den Falschbuchungen in der Höhe von 78 Millionen Franken, die das Geschäftsergebnis der Postauto AG aufbessern sollten. Im «TalkTäglich» der Regionalsender der AZ Medien stellt sich Leuthard am Montag den Fragen von Moderator Oliver Steffen und nimmt erstmals ausführlicher Stellung zu den Vorgängen. Das Interview ist eine Abschrift des Gesprächs.

Wann haben Sie davon erfahren, dass über 78 Millionen Franken Steuergelder ertrogen worden sind?
Doris Leuthard: Ich bin im November 2017 vom Bundesamt für Verkehr informiert worden, dass bei der Postauto AG etwas in der Rechnung nicht stimmt, dass es Unregelmässigkeiten gibt. Damals wusste ich noch nichts vom Umfang. Wir wussten nur, wir mussten einschreiten und die Postauto AG damit konfrontieren.

Es wurde schon lange vorher versucht, genauer in die Bücher zu schauen. Haben Sie das mitbekommen?
Nein, das ist Sache des Bundesamts für Verkehr (dem Aufsichtsorgan der Postauto AG; Anm. der Red).

Seit 2013 wusste die Postspitze nach heutigem Kenntnisstand über den Bschiss Bescheid. Sie haben nichts davon erfahren?
Nein. Es geht dabei um einen internen Bericht, der nicht bis zum Bundesrat und auch nicht zum Bundesamt für Verkehr kommt. Wir haben ihn bis heute nicht. Aber wir werden diesen jetzt bei der Postauto AG bestellen.

Handelt es sich bei der Sache aus Ihrer Sicht um Betrug?
Es ist zu früh, um darüber zu urteilen. Es wird vieles behauptet, das nicht bewiesen ist. Auch die Diskussionen um die Gewinnziele sind falsch. Wir machen im Bereich des regionalen Personenverkehrs (RPV) immer Null-Gewinn-Vorgaben. Hier wird derzeit einiges vermischt. Es ist jetzt wichtig, dass wir möglichst schnell die Berichte auf dem Tisch liegen haben. Danach reden wir faktenorientiert und nicht aufgrund von Vermutungen.

Dennoch ist man erstaunt. Was sagen Sie zur stückchenweisen Informationspolitik von Postchefin Ruoff? Jetzt kommt aus, sie hat schon länger davon gewusst.
Man muss sehr vorsichtig sein. Wenn ein interner Revisor sagt, es habe zwar Falschbuchungen gegeben, es bestehe aber kein Handlungsbedarf, dann würde ich als Verwaltungsrat auch sagen: Ok, wenn das der Experte sagt, dann machen wir nichts.

Wenn jetzt aufgedeckt wird, es hätte doch Handlungsbedarf bestanden, dann stellen sich Fragen. Warum hat nicht schon der Revisor gesagt: Halt, das ist etwas Illegales?
Eine illegale Handlung ist etwas anderes als Falschbuchungen. Wir sollten aufhören zu spekulieren und abwarten, was wirklich passiert ist.

Susanne Ruoff, Konzernleiterin der Schweizerischen Post AG, aeussert sich an einer Medienkonferenz zur Pruefung der ordentlichen Revisionstaetigkeit der subventionsrechtlichen Rechnungsbelegung der Po ...
Ihr Stuhl wackelt: Post-Chefin Susanne Ruoff.Bild: KEYSTONE

Kann es sein, dass man sich bei der Postauto AG – die so schön in die Schweizer Landschaft passt – nicht vorstellen konnte, dass etwas Illegales am Laufen ist?
Wir sind ein Rechtsstaat. Ich erwarte von allen Unternehmen, die Gelder vom Bund kassieren, und das sind beim Regionalen Privatverkehr viele Transportfirmen, dass diese nicht betrügen und sich an die Gesetze halten. Sonst müsste ich nebst den bestehenden Revisoren zusätzlich eine ganze Armee von Revisoren anstellen – das kann nicht sein in einem Rechtsstaat. Und die Erwartungen an die Postauto AG sind noch höher, denn sie gehört dem Staat. Sie muss sogar vorbildlich sein.

«Wenn strafrechtliche Handlungen vorlieben, dann haben wir ein Problem. Dann müssen die Verantwortlichen dran glauben»

Sollte sich erhärten, dass strafrechtlich relevante Handlungen vorliegen, dann haben wir ein Problem, dann müssen die Verantwortlichen dran glauben. Aber erst müssen wir schauen, was ist passiert, wer hat was gewusst, wer hat was angewiesen, sind es Falschbuchungen oder nicht.

Meinen Sie mit «dran glauben» die Direktinvolvierten oder auch die Postchefin Susanne Ruoff?
Wir müssen schauen, wer wirklich verantwortlich ist. Das sind in erster Linie die, die beschissen haben. Aber das wissen wir jetzt noch nicht. Vorverurteilungen sind schnell gemacht und Köpferollen ist schnell gefordert, doch erst müssen wir genau wissen, was passiert ist, und wer verantwortlich ist.

Hat Frau Ruoff noch ihr Vertrauen?
Ja.Der politische Druck ist aber gross.Ja. Aber erst müssen wir wissen, was passiert ist, dann reden wir über Konsequenzen.

Wenn die Autobus AG Gewinn machen wollte, müsste sie den Kunden Langstrecken anbieten und würde dadurch in Konkurrenz mit den SBB treten.
Das darf sie nicht.Das System des regionalen Personenverkehrs, das keinen Gewinn machen darf ist per se etwas Komisches. Ich sage schon lange, wir müssen vom Abgeltungssystem wegkommen, das Bund und Kantone jedes Jahr mehr kostet. Wir sind schon länger daran, mit den Kantonen über ein neues System zu sprechen, sie wollten bislang nicht so richtig. Vielleicht ist der Fall Ansporn, über das System zu sprechen, statt über einen Einzelfall.

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