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Die Freiheitstrychler, die Antifa und Ken Jebsen – ein Zusammentreffen

Die Freiheitstrychler, die Antifa und Ken Jebsen – ein Zusammentreffen

In Winterthur trafen die Freiheitstrychler auf die Antifa. Ken Jebsen hielt eine Rede und im Polizeikessel gab es eine Yoga-Session. Ein Rückblick auf einen etwas anderen Sonntag.
08.05.2023, 15:2915.05.2023, 10:11
Lea Oetiker
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Am Sonntag wurde in Winterthur demonstriert. Für Frieden, Neutralität, Souveränität und Freiheit. Der sogenannte «Freiluft-Kongress» wurde durchgeführt.

Die Organisatoren: das Verfassungsbündnis Schweiz unter Leitung von Urs Hans, Landwirt aus Turbenthal und ehemaliger Kantonsrat (parteilos).
Das Ziel: Eine «breite Palette von in den Mainstream-Medien kaum gehörten Fakten» zum Ukraine-Krieg zu präsentieren.
Der Stargast: Ken Jebsen alias Kayvan Soufi-Siavash.

Und dann war da noch die Gegendemo: «No Nazis, no AFD, no Trychler: Winti bleibt stabil.»

Urs Hans, der Organisator

Urs Hans.
Urs Hans.bild: keystone

Urs Hans kommt aus dem linken Spektrum. So wurde er 2020 aus der Grünen Partei herausgeworfen, weil er während der Pandemie Verschwörungstheorien verbreitet hatte.

Momentan beschäftigt er sich aber mit dem Ukraine-Krieg. Genauer: der Kritik an dessen Darstellung in den westlichen Medien. Er scheut sich nicht, das Narrativ des Kremls zu übernehmen, wonach der Westen die Schuld am Krieg trage.

Mittlerweile wird dem ehemaligen Politiker der Grünen vorgeworfen, dass er mit dem ganz rechten Spektrum sympathisiere und dieses auch anspreche mit seinen Demos. Denn bei Corona-Massnahmen-Demos, die Hans während der letzten Jahre organisierte, war fast immer mit dabei: die Junge Tat. Er grenzt sich allerdings von diesem Vorwurf ab. Gegenüber dem Landboten erklärt er, wer ihn kenne, wisse, dass er mit Rechtsextremismus nichts am Hut habe.

Item: Corona sollte am Sonntag nicht der Aufhänger für die Kundgebung sein. Diesmal war es der Krieg in der Ukraine. Eingeladen waren weder Nazis noch «andere Linksextreme».

Die Freiheitstrychler

Ein Freiheitstrychler waehrend einer Demonstration gegen die Massnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus, am Donnerstag, 16. September 2021 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Freiheitstrychler am 7. Mai in Winterthur.Bild: keystone

Das Verfassungsbündnis Schweiz plante am vergangenen Sonntag also einen grossen Umzug. An der Spitze des Umzuges hätten die Freiheitstrychler laufen sollen. Mit ihren Kuhglocken und Sennenhemden sind sie zum Symbol für die Corona-Skeptiker geworden.

Sowieso tummelt sich am Sonntag in Winterthur ein ähnliches Publikum wie bei den Corona-Massnahmen-Demos, die Hans in der Vergangenheit organisierte. Rund 250 Menschen haben an der Kundgebung teilgenommen, sagt die Polizei. Hans spricht von bis zu 700 Menschen.

Der Neumarkt – wo die Kundgebung stattfand – war von allen Seiten eingezäunt. Menschen wurden nur nach prüfendem Blick durchgelassen. Rund um den Stadtpark postierten sich weitere Polizisten. Ein Durchkommen war kaum möglich.

Kurz nach 12 Uhr trafen die Freiheitstrychler dann endlich ein. Sie wurden durch ein eigenes, offizielles Sicherheitsteam begleitet. Doch auch sie waren schon zahlreicher erschienen. Das war auch schon fast der gesamte Aufritt der Trychler. Zu einem Umzug kam es schlussendlich nicht. Um 12.30 Uhr sagte es Organisator Urs Hans seinen Mitstreitern in der Altstadt. Man habe sich aus Sicherheitsgründen gegen einen Umzug entschieden.

Und so wurde der «Freiluft-Kongress» zu einer unfreiwilligen geschlossenen Gesellschaft mit ein paar hundert Verschworenen, die hier ihr Wiedersehen feiern. Man kennt sich ja. Dazu gab es Pizza und Dosenbier.

Vereinzelte Freiheitstrychler und Massnahmenkritiker demonstrieren, aufgenommen am Sonntag, 7. Mai 2023 in Winterthur. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Die Menge ist überschaubar.Bild: keystone

Die Antifa

Polizisten zingeln vereinzelte linke Aktivisten ein, welche die Demonstration der Freiheitstrychler und Massnahmenkritikern stoeren wollten, aufgenommen am Sonntag, 7. Mai 2023 in Winterthur. (KEYSTON ...
Polizisten kesselten linke Aktivisten und Aktivistinnen ein.Bild: keystone

Auf den «Freilufts-Kongress» wurde auch die linksextreme Seite aufmerksam – obwohl sie explizit nicht erwünscht waren. Sie riefen zur Gegendemonstration auf. Unter dem Motto: «Gemeinsam gegen Rechts!»

Nach den Demos gegen die Corona-Massnahmen hätte die gleiche Klientel jetzt mit dem Krieg in der Ukraine ein neues Thema gefunden, hiess es in einem Aufruf. Weiter hiess es im Vorfeld: An der Rednerliste sei die rassistische und antisemitische Ausrichtung klar zu erkennen.

Und so versammelten sich die Gegendemonstrierenden am Sonntag im Stadtpark. Auf diese Gegendemo war die Polizei vorbereitet: Kurz vor 13 Uhr fuhr die Polizei am Sonntag mit einem Wasserwerfer vor und kesselte die Menschen ein. Doch anstatt Steine zu werfen, machten die Demonstrierenden Yoga. Die Polizei brachte den Yogis Wasser in PET-Flaschen und eine Toilette.

Kurz nach 16 Uhr konnte die letzte Person den Polizeikessel im Stadtgarten verlassen. Die Polizeikontrolle lief gesittet ab. Wie viele Personen kontrolliert wurden, ist noch nicht ganz klar.

Der Wasserwerfer kam nicht zum Einsatz.

Ken Jebsen, der Verschwörungsideologe

Der wahrscheinlich umstrittenste Redner, den das Verfassungsbündnis Schweiz eingeladen hatte, war Kayvan Soufi-Siavash. Besser bekannt als Ken Jebsen.

Der Deutsche gilt als Verschwörungsideologe. Mit seinem Youtube-Kanal KenFM erreichte der ehemalige Radiomoderator während der Pandemie zeitweise Millionen von Menschen. Er sprach auf grossen Querdenker-Demos in Deutschland und nannte die Massnahmen zu Bekämpfung der Pandemie ein «Gehorsamkeitsexperiment».

Jebsen verbreitet aber nicht erst seit der Pandemie Verschwörungserzählungen. 9/11 nannte er einst eine «Terrorlüge». Der preisgekrönte Podcast «Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?» zeichnete seinen Werdegang detailliert nach.

Auch am Sonntag zog er seine übliche Show ab: Ganz in Schwarz gekleidet, sprach er auf der Bühne – wie immer – schnell und am liebsten über öffentlich-rechtliche Medien und die USA. Doch seine Rede bekam teils nur zögerlichen Applaus. Laut dem «Landboten» entstanden unangenehme Stillen während künstlichen Applaus-Pausen.

Am Tag zuvor hielt der Verschwörungsideologe einen Vortrag im Raum Zürich. Der etwas kryptische Titel: «Angst essen Freiheit auf!» Die Beschreibung der Veranstaltung lautet auf Eventfrog:

«Wer den Menschen um seinen Drang zur Freiheit bringen möchte, muss die Technik beherrschen, Massen über den Hebel Angst in Schach zu halten. Der vom Mensch gemachte politische Klimawandel hat das Ziel, echte Demokratie und damit tatsächliche Freiheit für alle Zukunft unmöglich zu machen. Was tun, um dieser Tyrannei entgegenzutreten? Wer die Techniken der permanenten Propaganda durchschaut, kann sich erfolgreich gegen die eigene Manipulation wehren – angstfrei!»

Wo der Vortrag genau stattgefunden hat, wurde nicht öffentlich gemacht. Der einzige Hinweis: in einem Hotel im Raum Zürich. Videos zufolge war der Raum gut gefüllt.

Und so ging auch dieser etwas andere Sonntag in Winterthur zu Ende. Friedlich.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Massalia
08.05.2023 16:22registriert Juni 2021
Die reaktionären "Freiheits"- Trychler demonstrieren für Putin Unrechtsregime und seinen verbrecherischen Angriffskrieg, nachdem sie nun 3 Jahre lang nach Grundrechten geschrien und den CH- Bundesstaat als Diktatur bezeichnet haben. Realsatire, wenn es nicht so traurig wäre. Diese Leute merken gar nicht, wie sehr sie schon in die Fänge des Kremls und seiner faschistischen Unterstützer im Westen geraten sind.
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Magnum
08.05.2023 16:04registriert Februar 2015
Urs Hans ist ein Muster-Schwurbler, der sich verrannt und immer weiter radikalisiert hat. KenFm ist ein antisemitischer Hetzer, und der AfD-Bundestagsabgeordnete steht wohl auf der Lohnliste vom Kreml.
Keine 300 Nasen sind am ersten sonnigen Sonntag dieses Jahres nach Winterthur gepilgert, um ihre Meinung ohne Ahnung Kund zu tun. Dafür wurden mit dem Neumarkt ein zentraler Platz und dazu weitere Routen in der Stadt abgesperrt.
Urs Hans soll seine nächste Querdenker-Versammlung bitte sehr weit hinten im Tösstal durchführen, wo keine Stadtbewohner eingeschränkt werden.
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Lowend
08.05.2023 17:22registriert Februar 2014
Wie wahr: «Wer die Techniken der permanenten Propaganda durchschaut, kann sich erfolgreich gegen die eigene Manipulation wehren», aber dazu braucht es das Mittel der Vernunft, die in Schwurblerkreisen leider nicht sehr weit verbreitet ist. 🤔
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