Knapp fünf Monate ist es her. Am 10. November wurde Brian Keller aus dem Gefängnis entlassen. Das Bezirksgericht Dielsdorf hatte Keller zwar wegen rund 30 im Gefängnis begangener Delikte schuldig gesprochen, jedoch die Entlassung aus der Sicherheitshaft angeordnet.
Der damals 28-Jährige wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, 370 Tage davon hat er bereits abgesessen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine unbedingte Freiheitsstrafe von neun Jahren und sieben Monaten, Kellers Verteidiger einen Freispruch.
Keller hat sich der einfachen Körperverletzung, der Sachbeschädigung sowie der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte schuldig gemacht. Die verbleibende Freiheitsstrafe hat er möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt anzutreten.
Diese Woche macht das Verhalten von Brian Keller erneut Schlagzeilen. Keller soll am Mittwochabend in Zürich den TikToker «Skorp808» mit Faustschlägen angegriffen haben. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, wie Keller auf seinen Kontrahenten zurennt und ihn niederschlägt. «Skorp808» hat laut eigenen Aussagen einen dreifachen Jochbeinbruch erlitten.
Am Donnerstagmorgen wurde bekannt, dass die Zürcher Stadtpolizei Keller vorläufig festgenommen hat, die Staatsanwaltschaft hat zudem ein Verfahren wegen des Verdachts auf versuchte schwere Körperverletzung eröffnet.
Ob die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft beantragt, muss sie innerhalb von 48 Stunden entscheiden. Justizvollzugsexperte Benjamin Brägger sagt gegenüber watson: «Mögliche Gründe dafür sind Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr oder Verdunkelungsgefahr.»
Beantrage die Staatsanwaltschaft keine Untersuchungshaft, könne Keller nach der Befragung wieder gehen. «Dies kann jedoch auch unter Auflagen geschehen, beispielsweise mit einer Meldepflicht, einer elektronischen Fussfessel oder einer Rayonsperre», so Brägger.
Brian Kellers Verteidiger Philip Stolkin wollte sich auf Anfrage nicht zum jüngsten Vorfall äussern. Am Telefon sagte er kurz und knapp: «No comment.»
Sollte die Staatsanwaltschaft zum Schluss kommen, dass keine schwere Körperverletzung vorliegt, muss das Opfer, also TikToker «Skorp808», Strafanzeige einreichen, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Brägger sagt: «Nur die schwere Körperverletzung wird von Amtes wegen verfolgt.»
In der Zwischenzeit wurde bekannt, dass «Skorp808» für sein gebrochenes Jochbein Schadenersatz fordert, dies schreibt der «Blick». Die Festnahme Kellers feiert der Tiktoker in einem Live-Stream.
Bei der Gerichtsverhandlung im vergangenen November sagte der zuständige Richter: «Brian muss sich bewusst sein, dass neuerliche Gewalthandlungen wieder zu einer Inhaftierung führen können.» Er sprach auch von einem «neuen Kapitel», das nun aufgehe.
Nach wie vor hängig ist ein zweites Strafverfahren vor dem Obergericht. Auch dort geht es um eine mögliche Freiheitsstrafe, das Urteil wird für Mitte oder Ende 2024 erwartet. Ob der aktuelle Vorfall einen Einfluss auf dieses zweite Verfahren haben kann, möchte Justizvollzugsexperte Benjamin Brägger nicht beurteilen.
Keller und «Skorp808» tragen seit Längerem einen Konflikt aus. Am Donnerstag haben beide Videos veröffentlicht, in denen sie sich zum Vorfall äusserten.
Videos der beiden Männer sind ausserdem bereits im März aufgetaucht, Keller beschimpfte darin seinen Gegner und forderte mit einem Messer posierend dessen Kopf. Er machte geltend, es handle sich dabei um Werbung für einen Kampf und um «Trash Talk», wie er im Boxen üblich sei. Keller wurde daraufhin von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Es gilt die Unschuldsvermutung. (watson, mit Material der sda)