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Der Eismeister-Check

SCB in der Saison 2023/24: Alles zu Kader und Spielplan

Marc Luethi, CEO SC Bern, kurz vor Beginn einer Medienkonferenz zur Saison 2023/24, am Montag, 28. August 2023 in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Beim SCB ist Marc Lüthi wieder «Tätschmeister». Bild: keystone
Der Eismeister-Check

Eine Radikalkur beim SCB für Europas teuerstes Mittelmass

Kann der neue Trainer Jussi Tapola den SCB nach der tiefsten sportlichen Krise seit 1986 zurück zu alter Stärke führen? Ja, er kann. Die «Radikalkur Tapola» ist die letzte Chance, um zu verhindern, dass der SC Bern ein Lugano ohne Palmen und Milliardäre wird und diese Saison wird uns eine Antwort auf die Frage liefern: Wer ist in Bern eigentlich mächtiger? Der Trainer oder die Spieler?
12.09.2023, 10:0412.09.2023, 13:14
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Die Renovationsarbeiten am Kader sind weitgehend abgeschlossen. Mit Adam Reideborn kommt eine starke Nummer 1 und mit Jussi Tapola der sechste Coach seit Januar 2020. Mit ihm kehrt das Primat der Leistung über die Ausrede zurück.

Über diese Serie
Klaus Zaugg ist seit Jahrzehnten einer der profiliertesten Eishockey-Journalisten der Schweiz. Sein während vielen Jahren publizierter Guide galt vielen als «Hockey-Bibel». Nun erscheint die Einschätzung des watson-Eismeisters über jeden Spieler der National League erstmals online.

Zum letztmöglichen Zeitpunkt: Vergangene Saison kamen im Schnitt noch 14'750 Fans in die Postfinance-Arena. Das ist nach wie vor einsamer Rekord in Europa. Aber eine Auslastung von nur 86,6 Prozent wäre noch vor kurzem undenkbar gewesen. In der letzten Meistersaison (2018/19) war die grösste Arena Europas während der Qualifikation noch zu 95,50 Prozent gefüllt.

Die grosse Frage ist ja nicht nur, ob Jussi Tapola das Team in die obere Tabellenhälfte zurückzuführen vermag. Sondern ebenso sehr, ob sein Hockey die Fans mobilisiert: Anders als die Titanen aus Zug, Lugano oder Zürich ist der SCB darauf angewiesen, die Mittel zur Finanzierung eines Spitzenteams über die Bewirtschaftung des Publikums (Gastronomie, Eintritte) während der Qualifikation zu erwirtschaften: Die Berner haben keine spendablen Milliardäre in der VIP-Loge.

Andrew Ebbett, Sportchef SC Bern, spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Saison 2023/24, am Montag, 28. August 2023 in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Hat wieder einen Obersportchef: Berns Andrew Ebbett.Bild: keystone

Der Weg zurück an die Spitze nach vier sportlich verlorenen Jahren mit den Rängen 9, 9, 11 und 8 ist allerdings beschwerlich. Die mächtige Kerngruppe um den alten und neuen Captain Simon Moser («Ancien Regime»), mit der die Berner einst die Liga dominiert haben und nun ins untere Mittelmass gerutscht sind, macht nach wie vor die Kabinen-Politik. Mit einem neuen Trainer und einer doppelten, neuen, sportlichen Führungsstruktur mit Obersportchef Martin Plüss (er hat bereits das von Raeto Raffainer verlassene Büro in der SCB-Geschäftsstelle bezogen) und Untersportchef Andrew Ebbett wird die Leistungskultur renoviert.

Auch aus wirtschaftlichen Gründen muss der Weg zurück nach oben in kürzester Zeit zurückgelegt werden und dieses Tempo erfordert nicht nur eine Revolution in der Chefetage, die mit der Rückkehr von Marc Lüthi bereits erfolgt ist. Auch eine sportliche Revolution ist erforderlich: die «Entmachtung» des «Ancien Regimes» in der Kabine. Die sportlichen Einzelteile zu neuem, sportlichem Ruhm sind vorhanden. Die Frage ist, ob es Jussi Tapola gelingt, daraus ein Playoff-Puzzle zusammenzustellen.

Die Konfliktgefahr mit dem bestens vernetzten und politisch mächtigen Kabinen-Personal ist so gross, dass eine Krise den Trainer trotz aller Treueschwüre aus dem Amt fegen kann. Die «Radikalkur Tapola» läuft auf die Frage hinaus: Wer ist beim SCB mächtiger? Der Trainer oder die Spieler? Manager Marc Lüthi mag im «Universum SCB» fast allmächtig sein. Aber die SCB-Politik wird am Ende des Tages in der Kabine gemacht. Scheitert Jussi Tapola, wird der SC Bern ein Lugano ohne Palmen, steht vor einer langen Phase der Stagnation mit einer viel zu teuren Mannschaft und der 60-Millionen Hockey- und Gastrokonzern wird Europas teuerstes Hockey-Mittelmass.

Die Spieler

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
player_image

Nation Flag

Aktuelle
Note

  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

5,2

09.22

5,2

09.23

5,2

01.24

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

  • Erwarte

Der Trainer

Jussi Tapola (49) stand seit 2010 in elf Finals, gewann mit Tappara Tampere vier Titel und 2023 neben der finnischen Meisterschaft auch die Champions League. Er gilt als unnachgiebig und kompromisslos und detailversessen wie Kari Jalonen (2017 und 2019 mit dem SCB Meister), schont die Leitwölfe nicht und managt die Eiszeiten vortrefflich: Bei Tappara musste letzte Saison keiner länger als 19 Minuten pro Partie spielen.

SC Bern Trainer Jussi Tapola gibt seinen Spielern Anweisungen, beim ersten offiziellen Eistraining des SC Bern, am Montag, 7. August 2023 in der Trainingshalle der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE ...
Der neue Trainer Jussi Tapola erwartet viel von seinen Spielern.Bild: keystone

Er ist kommunikativ, im Temperament eher ein Lateiner als ein Finne, wahr und klar in seinen Aussagen und der Sache verpflichtet. Mit etwas Boshaftigkeit können wir ihn als «gezähmte Mineralwasser-Version von Hannu Jortikka» bezeichnen. Aber wie gesagt: Das ist boshaft.

Wenn einer die Leistungskultur in Bern wieder aufbauen kann, dann Jussi Tapola und in Tampere hat er eindrücklich bewiesen, dass er sportliche Revolution kann. Auch Tappara darbte vor seiner Ankunft im Mittelmass. Aber Erfolg kann er in Bern nur haben, wenn ihm Marc Lüthi und Martin Plüss durch alle Böden hindurch stützen, wenn in der Kabine gemurrt wird. Die Entlassungsgefahr ist gering, weil der neue Obersportchef Martin Plüss grundsätzlich Trainerentlassungen nicht mag. Er wagt es als erster Sportchef seit Sven Leuenberger, dem Architekten der letzten SCB-Meisterteams, eine eigene Meinung zu vertreten und Marc Lüthi zu widersprechen.

Eine spontane Trainerentlassung können wir also ausschliessen. Zudem käme ein Trainerwechsel einem Verrat an der Leistungskultur gleich und würde die Mannschaft vollends uncoachbar machen.

Die Stärken und Schwächen

Die Torhüterposition ist mit Adam Reideborn erstmals wieder so gut besetzt wie in der Meistersaison 2018/19 mit Leonardo Genoni und die Wiederherstellung defensiver Stabilität (erstmals seit der Meistersaison 2018/19 weniger als 140 Tore) darf erwartet werden.
Internes Konfliktpotenzial mit einflussreichen alten, hochdekorierten Leitwölfen, die ihre Position gegen junge Herausforderer zu verteidigen wissen: Der SCB hat sportlich viel zu viel Vergangenheit, wenig Gegenwart und zu wenig Zukunft.
Trainer Jussi Tapola hat in Tampere die Mannschaft nach einer sportlichen Radikalkur zur besten Europas gemacht – er kann Revolution und der neue Obersportchef Martin Plüss wird ihm den Rücken stärken.
Wer ersetzt eigentlichTopskorer Chris DiDomenico? Die offensive Feuerkraft muss für einen Spitzenplatz um mindestens 20 Tore erhöht werden.
Fünf neue, ausländische Spieler und keiner davon ist ein billiger Spar-Ausländer: Zum ersten Mal seit der letzten Meistersaison (2018/19) sind alle Ausländerpositionen zumindest nominell gut besetzt.
Keine «Königstransfers» auf dem heimischen Markt: Nach wie vor nicht die Tempofestigkeit und die Mittelachse von Servette, Davos, Zug oder Zürich.

Die Prognose

Berns Strahlkraft hat dazu geführt, dass der Blick auf die sportlichen Realitäten seit dem letzten Titelgewinn von 2019 Jahr für Jahr ein wenig vernebelt worden ist. Der SCB, als «Bayern München des Hockeys» nur noch Mittelmass in der unteren Tabellenhälfte? Der SCB nicht direkt in den Playoffs? Einfach unvorstellbar. So waren die Saisonprognosen seit 2019 stets viel zu optimistisch.

Würde der SCB Rapperswil-Jona Lakers, Ambri, Langnau oder Lausanne heissen, dann wären die Prognosen in den letzten Jahren nach den Ränge 9, 9 und 11 realistischer ausgefallen. Letzte Saison kamen die Berner auf Platz 8. Wenn wir die Chancen und Risiken der «Radikalkur Tapola» nüchtern betrachten, die magische Bezeichnung «SC Bern» weglassen und eine sachliche Einschätzung machen, dann kommen wir bei einer Prognose für nächste Saison auf Rang 10.

Marc Lüthi ist zwar zurück und er ist sich bewusst, auf wie dünnem Eis «sein» SCB nach vier Jahren sportlicher Mittelmässigkeit inzwischen steht. Erst recht wegen der Konkurrenz durch YB auf der anderen Strassenseite. Hockeytechnisch ist die Mannschaft gut genug für die obere Tabellenhälfte. Aber das war sie jede Saison seit der letzten Meisterfeier von 2019. Ist sich auch jeder unten in der Kabine bewusst, was es geschlagen hat? Nach wie vor wird die Mannschaft von «Nostalgie-Titanen» geprägt: Von hoch- und überbezahlten Spielern mit einer ruhmreichen, meisterlichen Vergangenheit, die in den letzten vier Jahren versagt haben.

Es ist diese Kerngruppe in der Kabine, die den SCB prägt. Der Optimist sagt mit Wilhelm Busch: «Lange war der SCB sportlich krank, nun rockt er mit Jussi Tapola wieder, Gottseidank» und hofft auf eine durchschlagende Wirkung der «Radikalkur Tapola». Der Realist mahnt: Der Weg aus dem Mittelmass ist schwierig, die «Radikalkur Tapola» wird zu einem Wettlauf mit der Zeit und rät zu einer nüchternen Prognose – eben zu Rang 10. Auf jeden Fall ist der SCB himmelhoher Favorit auf den Titelgewinn der Keller-Meisterschaft. Schafft es der SCB doch in die obere Tabellenhälfte bleibt die Genugtuung, besser zu sein als gewisse «Experten» prophezeit hatten.

Prognose: Platz 10

Beim Manager-Game «Topscorers» erhält jeder Spieler ein Zufallskader à 16 Spieler im Wert von CHF 3 Mio. sowie ein Transferbudget von CHF 1 Mio. Innerhalb einer Fantasy-Liga gibt es jeden Spieler nur einmal und Punkte sammelt man durch die Performance der Akteure in der Realität (Eiszeit, Tore, Assists, +/-, Blocked Shots,etc.).

Marktwert-Spitzenreiter beim SC Bern

Name

Punkteschnitt

Marktwert

Ramon Untersander

89.93

630'240

Colton Sceviour

90.28

576'715

Martin Frk

-

500'000

Weitere Infos und Download der App: www.topscorers.ch

Der Spielplan

Idee, Konzept und Inhalt: Klaus Zaugg. | Redaktionelle Betreuung: Adrian Bürgler, Ralf Meile. | Technische Umsetzung: Nicole Christen, Carlo Natter, Philipp Reich, Raphael Strebel. | Spielerportraits: nationalleague.ch.

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quelle: keystone / salvatore di nolfi
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36 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Beobachter
12.09.2023 11:16registriert November 2014
Ich habe keine Innensicht zum SCB. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Führungsspieler wie Moser oder Scherwey in der Kabine ein Problem darstellen können. Die machen nach aussen eher so den Eindruck von Musterprofis. Von daher glaube ich nicht, dass die Berner in den letzten Jahren ein Problem in der Kabine hatten. In der Führungsetage wohl schon eher.
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maylander
12.09.2023 12:29registriert September 2018
Das Dramapotenzial wurde beim SCB auf allen Stufen minimiert. Der Trainer hat einen einen beeindruckenden Leistungsausweis. Von dem her könnte es durchaus sein, dass die sich jetzt voll auf die Leistung auf dem Eis konzentrieren können.
Zum Glück ist dies der SCB und irgendjemand ist sicher nicht zufrieden und wird irgendwelchen Chronisten ein paar interne Mails zuspielen.
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WhiskyBill
12.09.2023 14:20registriert November 2014
Platz 10 ist wohl mehr ein absichtlich polemisch platzierter Nadelstich Zauggscher Herkunft als ernst gemeinte Prognose.

Mit diesem Kader und Trainer kann ich mir nicht vorstellen, dass der SCB nicht unter die ersten 6-8 kommt.
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