Langnaus Trainer Heinz Ehlers sagte nach dem Sieg gegen Gottéron (3:2): «Wenn wir die Namen beim Gegner betrachten, dann ist es eigentlich unglaublich, dass wir dieses Spiel gewinnen konnten.»
Wo er recht hat, da hat er recht. Auf dem Papier ist Gottéron eine Nummer grösser als Langnau. Aber was bedeuten eigentlich grosse Namen noch? Die Nivellierung der Liga nach oben macht es den vermeintlich grossen Namen schwer wie vielleicht noch nie.
Es mag nur eine Spielerei sein. Und doch zeigt die Torhüterstatistik diese neue Ausgeglichenheit und wie sehr Namen nur Schall und Rauch sein können.
Zugs Leonardo Genoni hat von allen Schweizer Goalies, die bisher mindestens eine Partie bestritten haben, die schwächste Statistik.
1. Gauthier Descloux (Servette) 100 %
2. Jonas Hiller (Biel) 96,23 %
3. Melvin Nyffeler (Lakers) 94,25 %
4. Ivars Punnenovs (Tigers) 93,75 %
5. Robert Mayer (Servette) 93,65 %
6. Niklas Schlegel (SCB) 92,98 %
7. Elien Paupe (Biel) 92,00 %
8. Reto Berra (Gottéron) 91,87 %
9. Daniel Manzato (Ambri) 90,00 %
10. Tobias Stephan (Lausanne) 8971 %
11. Damiano Ciaccio (Tigers) 89,66 %
12. Sandro Zurkirchen (Lugano) 88,52 %
13. Lukas Flüeler (ZSC) 88,10 %
14. Sandro Aeschlimann (Davos) 87,50 %
15. Leonardo Genoni (Zug) 86,30 %
16. Dominik Hrachovina (Ambri) 85,19 %
Melvin Nyffeler auf Positon 3 und Leonardo Genoni auf Rang 15. Dürfen wir «Grande Melvin» sagen? Ja, natürlich. Zwei Spiele ohne Gegentore nacheinander (3:0 gegen Ambri, 1:0 in Biel) mit den Lakers – das sind wahrlich sportliche Heldentagen.
Dürfen wir «Lotter Leo» sagen? Nein, eine derartige Respektlosigkeit sollten wir unterlassen. Sonst werden wir es im Frühjahr noch bitter bereuen.
Solche Fangquoten-Spielereien werden in der Regel spätestens im November langsam aber sicher korrigiert. Und doch widerspiegeln sie den überraschenden Saisonauftakt. Eben eine Nivellierung nach oben.
Und noch ein Gedanke kommt auf: überschätzen die Sportchefs (und die Chronisten) die grossen Namen im Tor? Ist es notwendig, so viel Geld in eine Nummer 1 zu investieren wie es Zug im Falle von Leonardo Genoni getan hat? Sind über die Jahre die anderen Goalies unterschätzt worden? Waren wir bei den Goalies viel zu «namengläubig»? Ist es Zeit für eine «Demokratisierung» zwischen den Pfosten? Also eine Arbeitsteilung mit zwei Goalies, die sich ergänzen wie es Langnau mit Damiano Ciaccio und Ivars Punnenovs als erster Klub seit zwei Jahren konsequent und mit erstaunlichem Erfolg durchzieht? Und wie es nun Davos mit Sandro Aeschlimann und Joren van Pottelberghe versucht? Zieht die «Götterdämmerung» für die Titanen zwischen den Pfosten herauf, die 40 oder gar mehr Partien in der Qualifikation bestreiten und dann in den Playoffs ein Team zum Titel hexen?
Und noch eine Frage: unsere National League zahlt seinem ausländischen Personal die höchsten Löhne ausserhalb der NHL und KHL. Werden auch hier die Namen überbewertet?
Langnau gibt für seine fünf ausländischen Stürmer – Chris DiDomenico, Harri Pesonen, Ben Maxwell, Aaron Gagnon und Robbie Earl – mindestens ein Drittel weniger Geld aus als der SCB, die ZSC Lions, Lugano, Lausanne, Gottéron oder Zug für das ausländische Personal.
Beim 3:2 gegen Gottéron erzielten Harri Pesonen, Aaron Gagnon und Ben Maxwell die drei Treffer – den Dritten buchte Maxwell sogar in Unterzahl.
Chris Di Domenico schmorte rauchend vor Zorn über die Nichtnomination auf der Tribüne – was Heinz Ehlers gefiel: «Hoffentlich ist er sauer, es wäre nicht gut, wenn er die Nichtnomination gleichgültig hingenommen hätte.». Nicht gesetzte, teure ausländische Stars wie in Zürich, Zug, Bern, Zürich, Lugano, Lausanne und Gottéron. Sondern ein Leistungsprinzip ohne Rücksicht auf die Namen unter einem verhältnismässig günstigen ausländischen Personal.
Mag sein, dass sich die Theorien und Weisheiten des Septembers schon im November als Torheiten erweisen. Und doch gibt es in den letzten Jahren eine Gesetzmässigkeit: Fast jede Saison erwischt es einen vermeintlich Grossen. Mit dem SC Bern (2014) und den ZSC Lions (2019) haben sogar Titelverteidiger die Playoffs verpasst. Der Favoritensturz zeichnet sich jeweils früh ab.
So wie die Wetterpropheten in ländlichen Gebieten die Entwicklung des Winterwetters bereits im Herbst recht gut aufgrund der Haardichte des Hofhundes, der Flughöhe der Milane, der Laune der Hauskatze oder dem Arbeitstempo der Ameisen vorhersagen können, so können wir recht früh erkennen, ob ein vermeintlicher Titan in den Strudel einer Krise gerät.
Es reicht, wenn wir gut hinhören, was Funktionäre, Trainer, Spieler oder Experten sagen und wie sich die Tonlage des Optimismus subtil ändert. Der Krisenmodus läuft in vier Phasen (so wie ja auch die Qualifikation eigentlich in vier Phasen verläuft).
1. Phase (ab Trainingsbeginn im August bis ungefähr Ende September): Kein Problem: wir sind ein Playoffteam!
2. Phase (ab Ende September bis zur Nationalmannschaftspause im November): Nur keine Panik - wir werden schon in die Playoffs kommen.
3. Phase (ab der Nationalmannschaftspause im November bis Ende Januar): Mit diesen Namen und diesem Budget müssen wir einfach in die Playoffs!
4. Phase (ab Anfang März bis Saisonschluss): Naja, wenigstens können wir nicht mehr absteigen. Es hat ja andere auch schon erwischt.
Lugano und Gottéron sind zu einem gefährlich frühen Zeitpunkt bereits auf dem Weg in die zweite Phase.
Dazu nochmal einer meiner letzten Kommentare:
Lümmel
13.09.2019 12:08
Meiner Meinung nach wird das Thema Genoni zu heiss gekocht. Klar ist Genoni aktuell wohl der beste Schweizer Torhüter, jedoch ist es ja nicht so dass Zug die letzten Meisterschaften wegen einem schlechten Torhüter verloren hat. Stephan war die Nr. 2, direkt hinter Genoni. Ergo hat sich Zug auf dieser Position nicht plötzlich von 0 auf 100 verbessert.
Wenn sich ein SCB hinter Schlegel noch ein Caminada leisten kann - auch gut.
Man stelle sich jedoch vor Nyff fällt 3 Monate aus. 😬 Dann gute Nacht 🌙