Samstagvormittag, kurz nach 11 Uhr. Die Rolltreppe befördert den etwas übernächtigten Chronisten aus den Katakomben der U-Bahn hinauf ans Tageslicht der goldenen Stadt gleich bei der Arena. In knapp anderthalb Stunden (12.20 Uhr) spielt die Schweiz gegen Dänemark.
Er hört Ländler-Musik. Etwas blechern aus einem Ghettoblaster. Aber durchaus «lüpfig». Äh, war die Nacht wohl doch zu kurz? Er blickt in die Richtung, aus der die Musik ertönt und sieht einen Raclette-Stand. Raclette in Prag? Doch eine zu kurze Nacht? Böhmische Bauern oder mährische Käser? Nein, Freiburger. Abgesandte aus dem Lande Gottérons.
Olivier kommt aus Avenches, der alten Römerstadt. Er hat bei der U-Bahn-Station gleich gegenüber dem Stadion einen Raclette-Stand aufgebaut. Emsig schabt er den schmelzenden Käse auf Pappteller. Auf Wunsch flambiert, mit Schnaps darauf. Den Original-Raclette-Käse aus dem Wallis hat Olivier auch mitgebracht. Mit den örtlichen Behörden gebe es keine Probleme. Die goldene Stadt ist eben weltoffen und tolerant.
Die Nachfrage ist rege. Ungefähr so wird es sein, wenn die WM 2026 in Fribourg und Zürich zelebriert wird. Wohin man blickt: Fans in roten Gewändern. Gut 5000 Schweizerinnen und Schweizer dürften angereist sein. Die «Raclette-Invasion».
Olivier erzählt seine Geschichte. Die Raclette-Maschine sei zusammenlegbar. Die habe er als Handgepäck im Flugzeug mit nach Prag genommen, die Gasflasche nicht. Natürlich nicht. Die habe er vor Ort gekauft. Ob der Chronist auch eine Portion Raclette möchte? Ja, klar. Die Bezahlung sei freiwillig. Manche geben etwas, manche nicht.
Olivier ist Gottéron-Fan. Mit Saisonkarte. Ist doch klar. Und schon sind wir im regen Gespräch über Gottéron und die Welt.
Schliesslich die Frage, die einfach nicht fehlen darf: «Bist du zufrieden, dass Christian Dubé Cheftrainer bleibt?» Vor dem Stadion im goldenen Prag hebt nun eine längere Debatte mit Olivier und seinen Kumpels an. Es gibt verschiedene Ansichten und Meinungen. So wie es zu unserer lebendigen Demokratie gehört. Man habe ja eigentlich eine tolle Saison erlebt. Ja, ja, es sei schade, dass es in den Playoffs wieder nicht funktioniert habe. Aber das sei ja schon früher so gewesen. Der Chronist hört aus der Debatte die sympathische Demut einer Fangemeinde, die tief in der Hockey-Seele weiss, dass es nie zum Titel reichen wird.
Der Chronist mahnt zur «Schlussabstimmung». Damit er sich ein Urteil über die Stimmung im Volke Gottérons machen kann. Also, seid ihr glücklich, dass Christian Dubé weiterhin an der Bande steht?
Olivier schabt wieder eine Portion wunderbar mundendes Raclette auf einen Pappteller, schaut kurz auf und sagt kurz, klipp und klar: «Non!»
Ich bin Davoser und ich wünsche mir echt, dass Fribourg in den rund 40 Saisons, die ich äuä noch mitbekommen werde, Meister wird.
Alleine der Gänsehaut wegen.
PS. Machen Sie doch aufs Alter mehr Reisebericht, das ist Ihre heimliche Liebe und wahre Passion. Durchaus auch während der Saison.