Zu keiner anderen Hockeykultur pflegt die Schweiz einen so intensiven Kontakt. Am 12. Januar 1910 haben wir zum ersten Mal gegen die Deutschen gespielt (und 1:8 verloren). Schweiz – Deutschland (bzw. BRD/DDR) ist das am häufigsten ausgetragene Derby des internationalen Hockeys.
Jahrelang haben wir mit Bewunderung und Ehrfurcht die Entwicklung des deutschen Hockeys verfolgt. Wir darbten in der internationalen Zweitklassigkeit. Die Deutschen aber waren mit Ausnahme einer Depression in den späten 1990er-Jahren immer erstklassig. Ach, wären doch auch wir dazu in der Lage, aus unserem Potenzial so viel herauszuholen!
Erst mit dem Sieg im WM-Viertelfinal von 1992 löste sich der tiefsitzende «Deutschland-Komplex». Er ist allerdings durch die Viertelfinal-Niederlagen beim Olympischen Turnier von 2018 und bei der letzten WM in Riga wieder kräftig aufgefrischt worden.
Seltsamerweise spielen die Deutschen in der Schweizer Hockeykultur fast keine Rolle. Trainer und Spieler aus Nordamerika, Osteuropa und Skandinavien prägten und prägen unser Eishockey.
Die Deutschen, die doch so nahe sind, unsere Sprache sprechen und ähnliche Sitten und Gebräuche pflegen, sind uns weitgehend ferngeblieben. Trotz sehr guten Erfahrungen: Xaver Unsinn coachte den SCB 1979 zur Meisterschaft, Peter Ustorf führte Ambri 1985 ins gelobte Land der NLA zurück, Erich Kühnhackl war in Olten zwischen 1985 und 1987 einer der besten Ausländer der Liga (50 Spiele/59 Punkte), Trainer Charlie Weise setzte in Olten die ersten Bausteine fürs Fundament des späteren Aufstiegsteams (1983/84) und Torhüter Siggi Suttner war in Arosa ein Publikumsliebling (1984/85).
In der Neuzeit finden wir nur noch das spektakuläre, kurze Gastspiel von Kulttrainer Hans Zach bei den ZSC Lions (1997/98), das mit Donnerhall vorzeitig endete und einen Einsatz von Torhüter Robert Müller im Abstiegskampf in Basel (2003/04). Und soeben macht der SCB beste Erfahrungen. Der von Untersportchef Andrew Ebbett rekrutierte deutsche Nationalstürmer Dominik Kahun ist der einzige überdurchschnittliche SCB-Ausländer und einer der besten der Liga.
Dass österreichische Nationalspieler bei uns häufiger sind, hat nicht mit einer höheren Einschätzung des österreichischen Hockeys zu tun, sondern mit ihrer Lizenz. Weil Dominic Zwerger, Fabio Hofer, Stefan Ulmer oder Bernd Wolf als Junioren in unser Hockey kamen, besitzen sie eine Schweizer Lizenz und belasten das Ausländer-Kontingent nicht.
Erstaunlicherweise gibt es bis heute auch nur relativ wenige DEL-Ausländer in unserem Hockey. Hin und wieder wechselten Kanadier oder Skandinavier aus der DEL in unsere höchste Liga. Aber es sind Ausnahmen geblieben. Obwohl jüngste Erfahrungen durchaus positiv sind: Langnaus Alexandre Grenier kommt direkt aus der DEL und ist aktuell die Nummer 4 der Liga-Skorerliste.
Dass der Spielermarkt DEL so wenig Bedeutung hat, ist erstaunlich. Ein gründliches Scouting in der DEL wäre so einfach. Jeder Spielort ist mit dem Auto oder mit dem Zug in einem Tag locker erreichbar und eine Zeitumstellung gibt es auch nicht. Aber möglicherweise ist für die Sportchefs eine Dienstreise nach New York oder Skandinavien attraktiver.
Dabei haben die jüngsten Resultate in der Champions Hockey League gezeigt, dass die DEL alles andere als eine Operettenliga ist. Meister Zug ist soeben gegen München aus dem Wettbewerb geflogen, Lugano scheiterte an Berlin und Lausanne an Mannheim.
SCB-Untersportchef Andrew Ebbett wird sich in der DEL umsehen. Er war noch letzte Saison bei München in dieser Liga beschäftigt. Er sagt: «In der DEL gibt es sehr gute Spieler, vor allem auch Verteidiger.» Nächste Saison dürfen fünf Ausländer eingesetzt werden und wenn es einen Aufsteiger gibt, sogar sechs. Kein anderer Klub hat in den letzten Jahren so viele ausländische Nieten teuer bezahlt wie der SCB. Das soll sich ändern. Ebbett sagt: «Wir werden für nächste Saison eine Ausländerposition mit einem Verteidiger besetzen. Es ist gut möglich, dass wir, wenn sechs Ausländer eingesetzt werden können, beim Saisonanfang noch nicht das ganze Kontingent ausschöpfen.»
Deutschland für einen besseren SC Bern: Andrew Ebbett schaut sich nun in der DEL um. Er vermutet, dass das auch andere Sportchefs tun werden. Weil auf nächste Saison mehr ausländische Stellen besetzt werden müssen. Es gebe in der DEL gewisse Befürchtungen, dass die Löhne durch Angebote aus der Schweiz angeheizt werden könnten. «Die Ausländer verdienen in der DEL klar weniger als in der National League», weiss Ebbett.
Jaro Tuma hat seinen Wohnsitz in Langenthal, gehört aber seit Jahrzehnten zu den einflussreichsten Spieleragenten der DEL. Er kennt das deutsche und das schweizerische Hockey als Spieler, als Trainer und eben als Agent. Der Gentleman aus Prag wunderte sich schon immer über das geringe Schweizer Interesse an der DEL. Er habe immer wieder mal einen Spieler angeboten. Aber ohne Erfolg.
Tuma vermutet eine Mischung aus Arroganz und Unkenntnis. Dazu komme, dass es halt attraktiver sei, dem Publikum einen Spieler mit Referenzen aus Finnland, Schweden, Nordamerika oder Osteuropa zu präsentieren. Was er nicht sagt: Erweist sich einer aus der NHL, aus der KHL, aus Finnland, Schweden oder Tschechien als Flop, so bleibt immerhin die Ausrede, der Mann habe sich doch in Montreal oder Helsinki bewährt. Hingegen würde die Ausrede, der betreffende Spieler sei ein Star in Düsseldorf gewesen, einem Sportchef wohl Hohn und Spott bescheren. Das Schlagersternchen Dorthe Kollo trällerte schon 1968: «Wärst du doch in Düsseldorf geblieben.»
Was auch eine Rolle spielt: Die Trainer haben sehr grossen Einfluss auf die Wahl des ausländischen Personals. Gerade die Kanadier sind sehr gut vernetzt («kanadische Mafia») und kümmern sich um ihre Landsleute. Weil wir keine deutschen Trainer beschäftigen, haben deutsche Spieler keine Lobby in der Schweiz.
Eine entscheidende Frage ist beim erwachenden Interesse an der DEL: Sind die Stars dieser Liga wirklich günstiger? Agent Jaro Tuma mahnt zur Vorsicht: «Die guten Spieler verdienen in der DEL ähnliche Saläre wie in der Schweiz.» Kommt dazu: Wenn sich mehrere Klubs um einen Spieler bemühen, steigt der Preis.
Bald wird sich zeigen: Die Erhöhung der Anzahl Ausländer müssen die Klubs sehr, sehr teuer bezahlen. Die billigen Ausländer, von denen Marc Lüthi fabulierte, gibt es auch in der DEL nicht. Der SCB-Manager wird seinem Untersportchef das Einkaufsbudget auch dann kräftig aufstocken müssen, wenn Andrew Ebett in der DEL fündig wird.
Jahrelang vom Eismeister als Operettenliga verspottet gibt's jetzt mal ein Loblied.
Ich denke die DEL Spieler gehen einfach lieber in die NHL oder wechseln innerhalb der DEL als in die Schweiz zu kommen. Fast alle NLA Mannschaften machen ja Testspiele gegen DEL Mannschaften. Man kennt sich also schon ein bisschen.