Gegen die Schweiz konnten die Österreicher jubeln, dennoch droht heute der Abstieg.Bild: DAVID W CERNY/REUTERS
Eismeister Zaugg
Es könnte die späte Rache für Gijon 1982 werden. Damals betrogen
Deutschland und Österreich Algerien bei der Fussball-WM. Jetzt kann es die
Österreicher an der Hockey-WM in Prag erwischen.
12.05.2015, 11:3212.05.2015, 15:06
klaus zaugg, prag
Nach der 1:10-Niederlage von Österreich gegen Kanada ist die Ausgangslage in der Gruppe A delikat. Wenn Frankreich die Letten nach Verlängerung
oder Penaltyschiessen besiegt, sind beide Teams gerettet und Österreich steigt
ab.
Wenn Lettland oder Frankreich nach 60 Minuten gewinnen, oder wenn
Lettland nach Verlängerung oder Penaltyschiessen siegt, steigt der Verlierer ab
und das tapfere Österreich ist gerettet.
Die Ausgangslage in der Gruppe B
6. Österreich, 5 Punkte
7. Lettland, 4 Punkte
8. Frankreich, 3 Punkte
Frankreich und Lettland können also einen «Nichtangriffs-Pakt» schliessen wie
einst Österreich und Deutschland bei der Fussball-WM 1982 in Spanien.
Damals musste Deutschland, das gegen Algerien 1:2 verloren hatte, gegen
Österreich 1:0 gewinnen – dann waren beide Teams auf Kosten Algeriens eine
Runde weiter.
Und siehe da: Deutschland gewann am 26. Juni 1982 in Gijon
1:0 und nach dem ersten Tor von Horst Hrubesch in der 11. Minute blieben
beide Teams so tatenlos, dass von einem «Nichtangriffs-Pakt von Gijon» gesprochen, geschrieben und gesendet wurde. Es war einer der grössten
Skandale in der Geschichte der Fussball-WM. Deutschland erreichte bei diesem
Turnier das Endspiel und verlor gegen Italien.
Gibt's heute lange Gesichter im Austria-Lager?Bild: freshfocus
Die Schweiz hat auch schon geschummelt
Auch das Eishockey kennt eine solche Geschichte. Bei der B-WM 1982 in
Klagenfurt spielte die Schweiz in der allerletzten Partie des Turniers gegen
Rumänien. Die Ausgangslage war brisant: Der Verlierer wäre in die C-Gruppe
abgestiegen. Im Falle eines Unentschiedens (damals gab es das noch im
Eishockey) würde es neben Holland hingegen China erwischen, die Schweiz
und Rumänien wären gerettet.
IIHF unternimmt nichts
Als Präsident des Internationalen Eishockey-Verbandes (IIHF) ist der
Schweizer Dr. René Fasel der oberste Schirmherr der WM. Er sagt, man sei
sich sehr wohl bewusst, dass die Frankreich und Lettland auf das Resultat
einigen könnten, das Österreich den Abstieg beschert.
René Fasel: «Wir wissen um die Betrugsgefahr. Aber wir
können nichts machen. Wir haben darüber diskutiert, ob wir die Coaches
ermahnen sollten. Aber das bringt nichts. Alle wissen um die Ausgangslage,
alle wissen, wie delikat die Angelegenheit ist.» (kza)
Und siehe da: Die Schweiz und Rumänien
einigten sich am 27. März 1982 auf ein 3:3. Damit es ja echt aussah,
inszenierte Köbi Kölliker kurz vor Schluss sogar eine Schlägerei. Aber es war
offensichtlich: Die beiden Teams hatten sich abgesprochen. Unvergessen
bleibt, wie der Delegationsleiter der Chinesen nach dem Spiel aufgebracht
durch die Kabinengänge rannte und jeden fragte: «Wel is Mistel Wasselvogel?,
Wel is Mistel Wasselvogel?» Er meinte: «Where is Mister Wasservogel».
Das war
der Name des Generalsekretärs des Internationalen Verbandes IIHF. Aber
Walter Wasservogel zeigte sich wohlweislich nicht. Der Gipfel dieses
unwürdigen Schauspiels: Die Rumänen wurden auch noch mit dem Fair-Play-Cup ausgezeichnet. Der Skandal von Klagenfurt blieb für die Beteiligten
ebenso ohne Folgen wie der «Nichtangriffs-Pakt von Gijon».
Und nun also die WM 2015 in Prag. Sollte Österreich tatsächlich absteigen, weil
es zwischen Frankreich und Lettland zum richtigen Resultat kommt, dann
haben wir den «Skandal von Prag».
Könnte dich ebenfalls interessieren: Die bestverdienenden WM-Spieler pro Team
1 / 15
Die bestverdienenden WM-Spieler pro Team
Kanada: Sidney Crosby, Pittsburgh. 12 Millionen.
quelle: keystone / salvatore di nolfi
Das könnte dich auch noch interessieren:
Wie erwartet erhalten Spanien, Portugal und Marokko den Zuschlag für die Fussball-WM 2030, wobei wenige Spiele auch in Südamerika ausgetragen werden, sowie Saudi-Arabien für das Turnier 2034. Niemand stellt sich FIFA-Präsident Gianni Infantino in den Weg.
Fast entschuldigend wirkte die Erklärung des Schweizerischen Fussballverbandes, der am Dienstag in einer Mitteilung formulierte, warum er den WM-Vergaben zustimmen werde. Man wolle den eingeschlagenen Weg «Dialog anstatt Boykott» weitergehen, «mit dem Ziel, die Situation vor Ort mit unserem bescheidenen Einfluss als Fussballverband zu verbessern versuchen».