Hat es je einen wirkungsloseren Trainerwechsel gegeben? Wahrscheinlich nicht. Lugano entlässt Chris McSorley aus einem noch bis Ende nächster Saison laufenden Vertrag. Sein Nachfolger Luca Gianinazzi bleibt weiterhin erfolglos: 2:3 gegen Davos sowie 2:4 gegen Gottéron auf eigenem Eis und nun gar 1:6 in Langnau. Die Emmentaler haben inzwischen auf dem 12. Platz einen Punkt mehr als Lugano (13.).
Ist dieses 1:6 nun ein Drama? Eigentlich müsste es eines sein. Denn Lugano gibt für sein spielendes Personal (nicht für das arbeitende im Büro) mindestens doppelt so viel Geld aus wie Langnau. Um das Potenzial eines Teams einzuschätzen, gibt es eine gute Vergleichsmöglichkeit. Nehmen wir einmal an, alle Schweizer Spieler von Lugano, die bei der 1:6-Pleite dabei waren, kommen am Montag ablösefrei auf den Markt. Wer würde problemlos einen Job bei fast jedem anderen Team ohne Lohnreduktion finden?
Ganz sicher die Nationalverteidiger Mirco Müller, Santeri Alatalo, Elia Riva und Samuel Guerra und die Nationalstürmer Calvin Thürkauf, Luca Fazzini und Giovanni Morini. Auch Torhüter Niklas Schlegel würde kaum arbeitslos bleiben.
Und wer von den Langnauer 6:1-Helden mit Schweizer Pass hätte sogleich wieder Arbeit in der höchsten Liga? Luca Boltshauser auf jeden Fall. Mit etwas Glück Miro Zryd und vielleicht Anthony Huguenin. Aber wohl mit Lohnreduktion. Von den Stürmern wahrscheinlich bloss Flavio Schmutz.
Ein Verhältnis von 8:4 zugunsten von Lugano. Was lernen wir daraus? Erstens: Namen sind in dieser ausgeglichenen Liga nur auf dem Dress aufgenähte Buchstaben. Zweitens: Hockey ist ein Teamsport.
Langnau hat Lugano nicht überrannt oder vom Eis gefegt. Das bestätigt uns die Statistik: 34:42 Torschüsse (16:10, 14:15, 4:17) zugunsten von Lugano. Es war auch nicht so, dass Niklas Schlegel ein Lotter-Goalie war. Ganz im Gegenteil. Er sorgte dafür, dass es nach dem 1. Drittel nicht 7:0 stand. Sondern bloss 2:0. Seine Auswechslung nach dem 4. Gegentreffer war taktischer Natur: Es ging Cheftrainer Luca Gianinazzi darum, ein Zeichen zu setzen.
Der Aussenseiter hat den vermeintlichen Titanen durch Disziplin und einer an einen Geometer mahnende Präzision «zerlegt». Nicht durch stürmische Laufarbeit. Es war eher so wie beim Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel. Der schlaue Igel war immer schon dort, wo der eigentlich schnellere Hase hinkommen wollte. Es ist das Hockey, mit dem der grantige Heinz Ehlers einst Langnau in die Playoffs geführt hat (2019). Der Schlüssel: Jeder (aber wirklich jeder), der die Scheibe nicht hat, muss wissen, was er zu tun hat. Dann spielt es keine Rolle mehr, wenn der Gegner mehr Spieler hat, die mit der Scheibe besser sind. Langnaus Trainer Thierry Paterlini widerspricht dieser Analyse nicht und bringt es auf den Punkt: «Es braucht jeden von uns zum Erfolg.» Auch wenn die Ausländer fünf der sechs Tore gegen Lugano erzielt haben.
Thierry Paterlini ist mit den Langnauern seit dem Amtsantritt im Sommer schon einen weiten Weg gegangen. Er hat eine Mannschaft übernommen, die zwei Jahre lang fast nur verloren bzw. fast nie gewonnen hat. Während der Saisonvorbereitung funktionierte noch nichts. Sieben Niederlagen in acht Testpartien. Nur Langenthal konnte knapp niedergerungen werden. Das letzte Testspiel ging gegen Lugano auf eigenem Eis 0:3 verloren. Die logische Saisonprognose: der 14. und letzte Platz. Der logische Saisonstart: sechs Niederlagen in den ersten sieben Spielen. Seither sind es drei Siege in fünf Partien.
Entscheidend sind zwei Faktoren: erstens genügend Zeit für den Trainer. Zweitens ein Trainer, der weiss, was er will. Thierry Paterlini bekommt in Langnau die Zeit, die ein Trainer braucht, um einem Team ein taktisches Konzept beizubringen. Er hat mit Pascal Müller einen Sportchef, der ihm den Rücken freihält. In der Art, wie Paolo Duca in Ambri Trainer Luca Cereda stützt. Und über der Sportabteilung einen Verwaltungsrat, der gewillt ist, durch alle Böden hindurch am Trainer festzuhalten.
Die Langnauer sind jetzt an einem guten Abend dazu in der Lage, «Heinz-Ehlers-Hockey »zu spielen: Jene, die mit der Scheibe nicht so gut umgehen können, wissen inzwischen immer besser, was sie ohne den Puck zu tun haben. Dann fehlen den Gegenspielern, die mit dem Puck gut umgehen können, Raum und Zeit zur Entfaltung des Talentes. Das Konzept ist gegen Grosse eher besser umsetzbar als gegen Kleine, gegen die ein Sieg erwartet wird, wie gegen Ajoie (1:4) oder Kloten (2:3). Thierry Paterlini sagt es so: «Weil wir da bisher zu verkrampft waren und die Energie nicht freisetzen konnten, die in uns steckt.» Gegen Lugano hatte niemand einen Sieg erwartet.
Langnaus Beispiel ist Luganos Hoffnung. Wie Thierry Paterlini ist auch Chris McSorleys Nachfolger Luca Gianinazzi ein Zauberlehrling: Auch er hat noch nie in der höchsten Liga ein Profiteam geführt und auch er hat sich erst im Nachwuchshockey über einen längeren Zeitraum bewährt.
Luca Gianinazzi steht mit Lugano ungefähr dort, wo Thierry Paterlini mit Langnau am Saisonanfang war: am Nullpunkt. Nichts funktioniert. Aber er weiss, dass er etwas bekommt, was es sonst in Lugano nicht gibt: Zeit. Wie viel Zeit wissen wir noch nicht. Aber nach den bitteren Erfahrungen mit ständig wechselnden Trainern ist beschlossen worden, ihm bis Ende Saison Zeit zu geben. Die interessante Frage ist: Hat Lugano so viel Geduld wie Langnau? Die Erwartungen sind im Tessin schon ein wenig höher.
Und so gibt es nach diesem 1:6 erstaunliche Parallelen zwischen Langnau und Lugano. Thierry Paterlini mahnt nach dem bisher besten Saisonspiel mit Gelassenheit und Realismus an eine freundliche Version von Heinz Ehlers. Eigentlich kein Wunder: Er ist ja ein Anhänger einer sehr ähnlichen Hockeyphilosophie.
Luca Gianinazzi mahnt nach der bisher blamabelsten Niederlage der Saison mit Gelassenheit und Realismus an eine charmante Version von Heinz Ehlers. Das ist erstaunlich. Der Chronist kann sich nicht erinnern, dass es in diesem Jahrhundert bei Lugano im Kabinengang nach einer so beschämenden Niederlage so ruhig war. Und ein Trainer so gelassen und freundlich.
Luganos Trainer beschönigt rein gar nichts und sagt mit ruhiger, sanfter Stimme, dass in dieser Partie bald einmal nichts mehr funktioniert habe. Aber er sagt es mit der Gelassenheit eines Mannes, der nichts zu verlieren hat und davon überzeugt ist, dass er diese Krise meistern wird. Dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es gelingen wird, alles wieder ins Lot zu bringen. Mental, taktisch und überhaupt. Eine Frage der Geduld. Der Zeit. Er kenne diese Situation aus eigener Erfahrung. «Als ich das Juniorenteam übernommen habe, verloren wir erst einmal elf oder zwölf Spiele hintereinander. Aber dann funktionierte es.»
Alles deutet darauf hin, dass das Prinzip Zeit und Geduld in Langnau funktioniert. Noch deutet nichts darauf hin, dass dieses Prinzip auch in Lugano funktionieren wird. Aber in Langnau war das beim Saisonstart auch so. Allerdings: Elf oder zwölf Pleiten in Serie wie bei seinem Karrierestart als Juniorentrainer kann sich Luca Gianinazzi wahrscheinlich nicht leisten.
Und wir lernen noch etwas: Weil es wegen der Weltlage so viele gute ausländische Spieler gibt wie noch nie, werden die Schweizer in der dritten und vierten Linie aufgewertet. Immer mehr wird klar: Die Grossen, Reichen, Mächtigen, die Titanen, die mit den grösseren Geldspeichern haben nicht die besseren Ausländer als die vermeintlich Kleinen, Armen, Ohnmächtigen, die Zwerge mit den kleinen oder leeren Geldspeichern. Die ausländischen Stars können die Differenz nicht machen. Wenn die Schweizer fleissig, diszipliniert, taktisch folgsam und tapfer sind, wenn sie nach einem klugen taktischen Konzept gut gecoacht werden, wenn eine Mannschaft als Mannschaft auftritt, dann ist jedes Resultat möglich. Dann kann Langnau, das am Vorabend 2:3 in Kloten verloren hat, am nächsten Tag Lugano 6:1 besiegen.
Es kann eine der verrücktesten Meisterschaften seit Menschengedenken werden.
Bei lugano bleiben so ziemlich alle unter den Erwartungen. Wo ist fazz? Gueraa und riva nationalverteidiger? C‘mon! Und bei müller stimmt preis- Leistung sicher auch nicht…
Zeigt doch eigentlich schonungslos auf, dass im sonnigen Palmental, so einiges im Argen liegt - gegen ein Langnau in dieser Höhe zu verlieren, ist einfach nur strunzpeinlich und man wahrlich kein Lugano-Fan oder gar "Insider" sein, um dies zu erkennen.