Drei Wochen später als sonst verschickt der SCB nach Pfingsten die Rechnung für die Saisonkarten. Wer in der gesetzten Frist nicht zahlt, verliert den Anspruch auf seinen Platz in der grössten Arena Europas. Diese Frist wird nun um zwei Monate bis Ende Juli verlängert. Bei 13'000 Abis wird der Verkauf gestoppt. Kein Wunder, gibt es Wartelisten und wie in Montréal werden die begehrten SCB-Saisonkarten manchmal vererbt.
Die PostFinance Arena fasst 17'031 Zuschauerinnen und Zuschauer (7139 Sitzplätze, 9892 Stehplätze). Letzte Saison eilten trotz enttäuschenden Leistungen (Playoffs verpasst) pro Spiel durchschnittlich 15'588 Menschen in den SCB-Hockeytempel. Mehr als in jedes andere Stadion ausserhalb der NHL.
Der SCB hat keinen Mäzen und keine Mäzenin. Der SCB ist der einzige Meister seit Einführung der Playoffs (1986), der Meistermannschaften mit dem Geld zu finanzieren vermag, das er im Tagesgeschäft erwirtschaftet, und das einzige Hockeyunternehmen im Land, das im 21. Jahrhundert nie rote Zahlen geschrieben hat. Der Mittelzufluss durch den Verkauf der Dauerkarten ist also von existenzieller Bedeutung. Nur so gelingt es, die Liquidität bis zum Saisonstart zu sichern.
Erst recht im Sommer 2020. Der Hockey-Konzern SCB erwirtschaftet mehr als die Hälfte seines Gesamtumsatzes von rund 60 Millionen durch die Gastronomie (16 Beizen in Bern und Umgebung). Durch die Viruskrise ist diese Einnahmequelle zeitweise ganz versiegt.
Von den Mai-Löhnen sind vorerst nur 70 Prozent ausbezahlt worden. Die restlichen 30 Prozent stunden die Spieler dem Klub. Ob auch von den Juni-Löhnen erneut lediglich 70 Prozent ausbezahlt werden, ist noch offen. Marc Lüthi sagt: «Das werden wir erst noch entscheiden.»
Für solche Verhandlungen mit Marc Lüthi hat die Mannschaft einen «Wirtschaftsrat» um Captain Simon Moser gebildet. Und letztlich heisst stunden nicht schenken. Im Verlaufe der neuen Saison wird der SCB die jetzt «eingefrorenen» 30 Prozent nachzahlen. Es sei denn, es gelingt Marc Lüthi, die Spieler zu einem Lohnverzicht zu überreden.
Nach wie vor ist offen, ob die Saison wie geplant am Freitag, den 18. September, beginnen wird, wie viele Partien in der Qualifikation gespielt werden können und ob die Zuschauer überhaupt bei allen 52 Qualifikations-Spielen zugelassen sind. Wer ein Saisonabi erwirbt, kauft also gewissermassen die Katze im Sack. Marc Lüthi sagt: «Das Geld, das wir durch den Verkauf der Saisonkarten einnehmen, gehört uns erst, wenn wir die entsprechende Gegenleistung erbracht haben.»
Also Geld zurück, wenn nicht alle Heimspiele (neu sind es 26 statt 25) mit Zuschauern ausgetragen werden können? Dieses Versprechen mag der SCB-Manager nicht abgeben. Aber er sagt: «Wir überlegen uns, wie wir unsere Saisonkarteninhaber entschädigen können, wenn wir nicht dazu in der Lage sein sollten, alle Heimspiele vor Zuschauern zu bestreiten.»
Der SCB verkauft seine Saisonabis sozusagen mit einem «Garantie-Schein.» Angedacht ist ein Schlüssel, dass pro nicht gespielte Partie das Geld zurückerstattet wird. Die Playoffs (oder evtl. die im Falle einer Nichtqualifikation für die Playoffs auszutragenden Spiele) sind im Abo-Preis inbegriffen.
Wenn die Saison nach Plan beginnen kann, gibt es in Bern gleich zum Auftakt einen Kracher: Am 18. September spielt der nach wie vor amtierende Meister gegen die ZSC Lions, den Qualifikationssieger der letzten Saison.
Denn es war und ist klar, dass der SC Bern seinen Titel in diesem Frühjahr bei Abbruch der Saison bereits verloren hatte. Die Qualifikation war zu Ende gespielt, und die Berner nach 50 Spielen nicht auf einen Playoff-Rang. Die Möglichkeit, den Titel verteidigen zu können, was also bereits definitiv weg.
Meines Erachtens wird die Saison 2020/21 ohne amtierenden Meister gespielt. Der SCB war letzte Saison eines der vier Verliererteams.