Trump-Putin-Gipfel: What the F***???
Mediziner pflegen den sogenannten hippokratischen Eid abzulegen. Er lautet: «Zuerst einmal nicht schaden.» Das war auch der innigste Wunsch der Europäer und der Ukrainer im Vorfeld des historischen Gipfels zwischen Donald Trump und Wladimir Putin. Zumindest dieses Ziel ist erreicht worden: Es gibt keinen Deal, und das bedeutet auch, dass es dem russischen Präsidenten nicht gelungen ist, seinen amerikanischen Amtskollegen einzuseifen und auf Kosten der Ukraine mit dem US-Präsidenten eine schäbige Vereinbarung zu treffen.
An der kurzen Pressekonferenz nach dem Treffen wurden einzig ein paar wenige Floskeln verkündet. Trump gab bekannt, dass zwar Fortschritte erzielt wurden, in einem entscheidenden Punkt jedoch keine Einigung erzielt werden konnte. Sein erklärtes Ziel, dem russischen Präsidenten einen sofortigen Waffenstillstand abzuringen, hat er nicht erreicht. Der US-Präsident war auch für seine Verhältnisse äusserst diszipliniert.
Putin gab sich ebenfalls sehr schmallippig, sprach von einem Ausgangspunkt für neue Gespräche und lud Trump zu einem baldigen Besuch in Moskau ein. Auch der russische Präsident hat sein Ziel jedoch nicht erreicht. Es ist ihm nicht gelungen, Trump davon zu überzeugen, dass «die Wurzeln des Konflikts» beseitigt werden müssen. Das ist Putins Code für die totale Unterwerfung der Ukraine unter Moskau. Putin muss sich daher – zumindest vorläufig – damit begnügen, dass er zum ersten Mal seit Jahren wieder auf der globalen Bühne auftreten durfte.
Das war’s schon. Fragen durften die Journalisten, die zu hunderten nach Alaska gepilgert waren, keine stellen. Nach zehn Minuten war der Spuk vorbei. Was also soll das Ganze?
Immerhin dürfen wir feststellen, dass ein zweites Jalta verhindert werden konnte. Was ist damit gemeint? Im Februar 1945 trafen sich auf der Halbinsel Krim die drei Staatsoberhäupter Joseph Stalin, Franklin Roosevelt und Winston Churchill. Der Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland stand unmittelbar bevor. Es ging darum, wie Europa aufgeteilt werden soll.
Der US-Präsident Roosevelt war todkrank, der auch nicht mehr ganz junge britische Premierminister Churchill erschöpft. Deshalb hatte der sowjetische Präsident Stalin leichtes Spiel. Es gelang ihm, die Kontrolle über Osteuropa zu erhalten und damit die Grundlage für den Eisernen Vorhang zu legen. Für die Polen, Tschechen, Rumänen und die Bewohner der baltischen Staaten ist Jalta daher zu einem nationalen Trauma geworden, zum Mahnmal, wie der Westen sie verraten hat.
Im Vorfeld des historischen Treffens zwischen Donald Trump und Wladimir Putin wurde immer wieder an das Abkommen von Jalta erinnert. Wird auch der aktuelle US-Präsident einem russischen Präsidenten auf den Leim kriechen und die Ukraine «unter den Bus werfen», wie sich die Amerikaner auszudrücken pflegen?
Diese Angst war begründet. Als ehemaliger KGB-Agent weiss Putin, wie man sich minutiös auf seine Verhandlungspartner einstellt und sie über den Tisch zieht. Beim legendären Treffen der beiden in Helsinki 2018 ist ihm dies bereits einmal gelungen. Der US-Präsident hat damals vor laufenden Kameras seine eigenen Nachrichtendienste desavouiert und sich auf die Seite des russischen Präsidenten gestellt.
Von Trump hingegen weiss man, dass er sich nur oberflächlich vorbereitet und sich auf sein Bauchgefühl verlässt. Die Resultate dieses Vorgehens sind jedoch überschaubar. Seine Treffen mit Kim Jong-un beispielsweise endeten im Niemandsland. Ausser einem Liebesbrief des nordkoreanischen Diktators konnte Trump nichts Zählbares vorweisen.
Als deshalb bekannt wurde, dass Trump Putin nur unter vier Augen sprechen wollte, löste dies Panik in Kiew und Brüssel aus. Schliesslich hatte Fiona Hill, die Sicherheitsberaterin, die in Helsinki den US-Präsidenten begleitete, später berichtet, dass das Gespräch so schlecht verlaufen sei, dass sie sich überlegt habe, einen Ohnmachtsanfall zu simulieren. Zum Glück hat sich der US-Präsident dieses Mal im letzten Moment entschieden, wenigstens Marco Rubio, seinen Aussenminister, und seinen Sonderberater Steve Witkoff zur Seite zu haben.
Vor dem Gipfel hatte Trump geprahlt:
Das Meeting hat gegen drei Stunden gedauert, aber ein Frieden zeichnet sich nicht ab. Wie wird Trump nun reagieren? Wird er seine im Vorfeld geäusserten Drohungen gegen Putin jetzt auch umsetzen? Die Möglichkeit dazu hat er. Mit grosser Mehrheit hat der Senat bereits ein Gesetz verabschiedet, das es ihm ermöglicht, alle Länder, die russisches Öl kaufen, mit drastischen Sanktionen zu belegen. Und sämtliche Militärexperten drängen den US-Präsidenten, der Ukraine die Waffen zu liefern, die sie dringend braucht.
Ob Trump sich tatsächlich dazu durchringen kann, endlich mit aller Härte gegen den Kriegsverbrecher Putin vorzugehen, weiss wahrscheinlich nicht einmal der Himmel. Schliesslich hat der US-Präsident nach dem Treffen auch erklärt, er möge Putin sehr. Das Einzige, das sich deshalb nach diesem «Nothingburger» in Anchorage sagen lässt, ist: Trump muss weiter auf seinen so heiss begehrten Friedensnobelpreis verzichten.