Die Bilder gehen dieser Tage um die Welt: Eine Frau in traditionellen mexikanischen Kleidern, ohne moderne Laufschuhe und mit einem Gehstock in der Hand überquert die Ziellinie bei einem Ultramarathon im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua als Erste.
Candelaria Rivas Ramos an extraordinary runner from Chihuahua, Mexico, stunned the world at the 2025 Canyon Ultra Marathon, winning the brutal 63-kilometer race in 7 hours and 34 minutes. pic.twitter.com/BWGZ7ZYqDM
— Historic Vids (@historyinmemes) August 12, 2025
Doch ist das wirklich echt? Ja. Die Läuferin heisst Candelaria Rivas Ramos und hat im Juli die Frauen-Kategorie in ihrer Distanz beim Ultramaratón De Los Cañones gewonnen. Sie absolvierte die 63 Kilometer mit über 2700 Höhenmetern – etwa anderthalb Jungfrau-Marathons – in sieben Stunden und 34 Minuten. Das bestätigt ein Blick auf die Zeitmessung des Rennens.
Es gibt auch Videos, die zeigen, wie Rivas Ramos ins Ziel kommt und vom Speaker zur Siegerin erklärt wird. Es ist allerdings so, dass es eher ein kleineres, lokales Rennen mit 1400 Läuferinnen und Läufern auf fünf verschiedene Distanzen verteilt war.
Candelaria hails from Chihuahua, a region in Mexico known for its rugged beauty and the incredible endurance of its people. Her training ground wasn't a pristine track; it was the sprawling, challenging Sierra Madre mountains. This isn't just a feel-good story about a surprise… pic.twitter.com/jGNBJ0zB3F
— Mr Shelby (@mrshelby101) August 12, 2025
Trotzdem ist die Leistung von Candelaria Rivas Ramos natürlich beeindruckend. Der Erfolg der 30-Jährigen ist mit ihrer Herkunft zu begründen. Sie ist Teil der Raramuri (auch Tarahumara genannt), einer indigenen Völkergruppe aus Chihuahua, einem Bundesstaat im Norden Mexikos. Raramuri lässt sich mit «Jene, die schnell laufen» übersetzen – und damit ist schon ziemlich klar, woher Rivas Ramos’ Ausdauer kommt.
Das Laufen über lange Strecken nimmt in der Kultur der Raramuri einen wichtigen Platz ein. Traditionell betrieben sie Hetzjagden, sie liefen ihrer Beute – Wild wie Hirsche und Rehe – so lange hinterher, bis die Tiere vor Erschöpfung zusammenbrachen und einfach erlegt werden konnten.
Gemäss Harvard-Anthropologe und Langstreckenläufer Daniel Liebermann hat es religiöse Gründe, warum die Raramuri bevorzugt in ihren traditionellen Sandalen («Huaraches») laufen. Gleichzeitig sollen die Schuhe einen Laufstil fördern, der geringere Verletzungsrisiken birgt. Beim Laufen würden die Ureinwohner in einen Trance-ähnlichen Zustand geraten, um die Schmerzen auszuhalten. «Für sie ist das Laufen spirituell, eine Art von Gebet und eine Danksagung an ihren Gott», erklärt Liebermann.
Das würde dann auch erklären, warum Candelaria Rivas Ramos nach ihrem Sieg derart unaufgeregt war. Berichte, wonach die 30-Jährige die 14-stündige Reise von ihrem Dorf zum Startort in Guachochi ebenfalls zu Fuss zurückgelegt hatte, konnten bislang nicht bestätigt werden. Klar ist: Es war das erste Rennen dieser Art von Rivas Ramos und sie widmete ihren Sieg danach ihrer Familie.
Als ich mal ein Stück zu Fuss mit einem Raramuri unterwegs war, erzählte er mir, dass er gerade kurz in einem anderen Dorf etwas erledigen musste (er war auf dem Rückweg) und gemütliche 20km pro Weg zu Fuss zurückgelegt hatte. Sowas ist da ganz normal. Er sah auch nicht im Ansatz erschöpft aus.