Sport
Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: Ist Biels Glück am Ende doch nicht so zerbrechlich?

Van Pottelberghe wird von Bachofner abgeräumt

1 / 6
Van Pottelberghe wird von Bachofner abgeräumt
EVZ-Stürmer Jérôme Bachofner prallt in den Bieler Torhüter Joren van Pottelberghe. (KEYSTONE/Peter Schneider)
quelle: keystone / peter schneider
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Eismeister Zaugg

Goalie verletzt – Foul oder Unfall? Ist Biels Glück am Ende doch nicht so zerbrechlich?

Zwei Szenen, die uns sagen, warum Biel das Team der zerbrechlichen Träume ist, warum Biel in den nächsten Wochen Meister werden oder schon in den Pre-Playoffs scheitern kann: Joren van Pottelberghe und Damien Brunner können das Spiel gegen Meister Zug nicht beenden. Aber Biel gewinnt trotzdem in der Verlängerung 3:2.
13.03.2022, 11:2813.03.2022, 13:28
Folge mir
Mehr «Sport»

Es passiert zum Glück selten. Aber es passiert ausgerechnet Biels letztem Mann: Joren van Pottelberghe (24) prallt ausserhalb des Torraums mit Jérôme Bachofner (25) zusammen. Zugs Stürmer ist zwar elf Zentimeter kleiner und fünf Kilo leichter als Biels sanfter Goalie-Titan (191 cm/85 kg). Aber die Kombination aus Bachofners Tempo und der Überraschung (der Goalie sieht den angreifenden Stürmer nicht) entfaltet eine verhängnisvolle Wucht. Joren van Pottelberghe bleibt benommen liegen, wird auf einer Bahre vom Eis geführt und durch Elien Paupe (26) ersetzt. Spielstand: 0:0. Zeit: 8:02 Minuten.

Joren van Pottelberghe ist Biels unumstrittene Nummer 1. Ein Goalie mit dem Potenzial, einmal in der Nationalmannschaft die Nummer 1 zu sein. Und heute schon Meister zu werden. Ein verletzungsbedingter Ausfall im zweitletzten Qualifikationsspiel: ein Albtraum. Zwar hat Sportchef Martin Steinegger in weiser Voraussicht (und wohl auch, weil er als Bieler weiss, wie zerbrechlich Biels Glück sein kann) mit Dmitri Schikin einen ausländischen Goalie als Reserve verpflichtet. Aber wenn Trainer Antti Törmänen den Russen einsetzen muss, geht das auf Kosten eines ausländischen Feldspielers.

Biel's Head coach Antti Toermaenen reacts, during a National League regular season game of the Swiss Championship between Geneve-Servette HC and EHC Biel-Bienne, at the ice stadium Les Vernets, i ...
Ein ausländischer Goalie zu Lasten eines Feldspielers? Biels Cheftrainer Antti Törmänen muss eine schwierige Entscheidung fällen.Bild: KEYSTONE

Eine erste Diagnose kurz nach dem Spiel ist hoffnungsvoll: gut ansprechbar, vielleicht doch keine Gehirnerschütterung. Am Sonntagmorgen sagt Martin Steinegger: «Die ersten Untersuchungen stimmen sehr vorsichtig positiv.»

Der Unfall hat ein Nachspiel. Oder war es ein übles Foul? Die TV-Bilder zeigen: nein, ganz sicher kein übles Foul. Das Wort Unfall trifft es am besten. Ein Unfall ist ein plötzliches Ereignis, bei dem jemand unfreiwillig einen Körperschaden erleidet. Aber warum musste Jérôme Bachofner trotzdem für fünf Minuten auf die Strafbank, warum wurde er nicht in die Kabine geschickt und kehrte nach fünf Minuten ins Spiel zurück? Normalerweise zieht eine Fünfminutenstrafe einen Restausschluss nach sich und ist das Verdikt für ein übles Vergehen.

EV Zug Stuermer Jerome Bachofner waehrend dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil-Jona Lakers und dem EV Zug am Samstag, 11. Dezember 2021, in Rapperswil. (KEY ...
Kein Bösewicht, aber vielleicht hätte er die Intensität des Checks mildern können: Jérôme Bachofner.Bild: keystone

Joren van Pottelberghe läuft aus seinem Tor, um die Scheibe mit dem Stock aus der Gefahrenzone «wegzustechen». Dabei gerät er in die Laufbahn von Jérôme Bachofner, der auf der Jagd nach diesem Puck ist. Der Zusammenprall ist von den physikalischen Gesetzen her unvermeidlich. Die Bilder zeigen auch: Der Zuger sucht keinen Check, er nimmt den Goalie nichts ins Visier. Es ist ein ritterlicher Kampf um die Scheibe. Bleibt lediglich die Frage: Hätte er die Wucht des Zusammenpralls, die Intensität des Checks mildern können?

Es handelt sich um einen regeltechnisch seltenen Fall. Der Torhüter ist in seinem Torraum, der auf dem Eis sogar mit einer besonderen Farbe markiert wird, unantastbar. Also strengstens geschützt. Die Behinderung des Goalies ist verboten. Rauscht der Puck ins Netz, aber ein Spieler der angreifenden Mannschaft hat den Torhüter in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt, dann zählt der Treffer nicht. Eine Torhüterbehinderung kann eine Zweiminutenstrafe nach sich ziehen.

Aber wenn der Goalie seinen Torraum verlässt, darf er im Kampf um die Scheibe bedrängt werden. Eigentlich wie ein Feldspieler, aber eben doch nicht ganz. Die Regelhüter drücken es so aus: Der Torhüter ist kein Freiwild. Sie wollen damit sagen: Er wird zwar zu einem Feldspieler, aber er darf nicht wie ein Feldspieler mit einem gezielten Check von der Scheibe getrennt werden. Wir können es auch so sagen: Um schonenden Umgang im Zweikampf wird gebeten. Es ist einer der wenigen Fälle, in denen das Regelbuch nicht glasklar ist, nicht glasklar sein kann und Spielraum zur Interpretation lässt.

Die TV-Bilder zeigen: Jérôme Bachofner trifft Joren van Pottelberghe nicht am Kopf. Es ist kein Check gegen den Kopf. Der Bieler wird vom Zusammenprall überrascht und vom eigenen Stockhandschuh am Kopf getroffen und bleibt dann benommen liegen. Es ist eine heftige Kollision.

Die Schiedsrichter, die für diesen Fall die TV-Bilder nicht konsultieren können, entscheiden richtig: Wenn der Goalie mit der Bahre vom Eis geführt werden muss, war der Zusammenstoss heftig. Eine Strafe ist eigentlich unbedingt erforderlich. Gross die Empörung im Publikum. Zwei Minuten sind zu wenig. Aber es ist mehr Unfall als Regelwidrigkeit. Ein Restausschluss wäre ein zu strenges Verdikt. Also gibt es fünf Minuten ohne Restausschluss. Der Video-Richter wird nun beurteilen, ob Jérôme Bachofner die Heftigkeit, die Intensität des Zusammenpralls hätte abmildern können und der Vorfall noch eine Sperre nach sich zieht.

Es gibt aus diesem Spiel noch eine Besonderheit, die zeigt, wie zerbrechlich Biels Glück sein kann. Damien Brunner, der so flinke, schlaue, ja geniale, aber zerbrechliche offensive Schillerfalter trifft im Powerplay zum 2:1 (38. Min.). Aber er kehrt im letzten Drittel nicht mehr aufs Eis zurück.

Biels Damien Brunner jubelt beim 0:4 im Qualifikationsspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem EHC Biel, am Dienstag, 1. Maerz 2022, in der Postfinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Marcel Bi ...
Damien Brunner und seine Bieler haben Grund zur Freude.Bild: keystone

Damien Brunner, der sich mit seinem offensiven Kunstspiel, anders als Grégory Hofmann oder Gaëtan Haas, auch in der NHL vorübergehend durchgesetzt hat (136 Spiele/28 Tore/37 Assists), ist längst die Personifizierung der Bieler Eishockey-Kultur geworden: Eishockey als Spiel und Leidenschaft. Eishockey als mitreissendes Spektakel, ja, als Kunst. Und doch bleibt das grosse Ziel unerreicht: Damien Brunner ist noch nie Meister geworden. Nicht mit Kloten, nicht mit Zug, nicht mit Lugano. Und Biel hat im Zeitalter der Playoffs die Meisterschaft noch nie gewonnen. Und nun ist er 35 und steht in der vierten Saison mit Biel. Sage mir, ob Damien Brunner spielen kann, und ich sage dir, ob die Bieler Meister werden.

Kann Damien Brunner wieder spielen? Er sagt nach der Partie: «Ja, aber nicht mehr in der Qualifikation.» Er werde das letzte Qualifikations-Spiel am Montag auslassen. «Aber dann bin ich wieder bereit.» Er habe ohne gegnerische Einwirkung eine frühere Verletzung gespürt und deshalb vorsichtshalber die Partie nach zwei Dritteln abgebrochen.

Der Torhüter Nummer 1 verletzt ausgefallen. Damien Brunner im letzten Drittel geschont. Und trotzdem erzwingt Toni Rajala nach 31 Sekunden in der Verlängerung den Sieg. Biel trotzt allen und bezwingt Meister Zug 3:2. Ist das ein Hinweis darauf, dass Biels Glück robuster geworden, dass Biels Glück nicht mehr so zerbrechlich ist?

watson Eishockey auf Instagram
Selfies an den schönsten Stränden von Lombok bis Honolulu, Fotos von Quinoa-Avocado-Salaten und vegane Randen-Lauch-Smoothies – das alles findest du bei uns garantiert nicht. Dafür haben wir die besten Videos, spannendsten News und witzigsten Sprüche rund ums Eishockey.

Folge uns hier auf Instagram.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden
1 / 148
NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden
HC Davos: 5 - Marc Gianola.
quelle: keystone / fabrice coffrini
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Du bist ein echter Eishockey-Fan? So kriegst du das Stadion-Feeling zuhause hin.
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
40 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
ILikeTheRain
13.03.2022 12:08registriert Oktober 2020
Also hat es eine 5 Minuten Strafe gegeben, weil sonst das Publikum wütend geworden wäre? Weil es war ja ein Unfall, aber 2 Minuten zu wenig, weil der Torhüter rausgetragen werden musste?! Was ist denn das für eine Begründung?
634
Melden
Zum Kommentar
avatar
maylander
13.03.2022 12:01registriert September 2018
Die Energie des Aufpralls nimmt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu.
Viele Regeländerungen in den letzten Jahren haben das Spiel schneller gemacht.
Dadurch werden die Konsequenzen eines Zusammenpralls heftiger. Ob absichtlich oder nicht.
384
Melden
Zum Kommentar
avatar
Arnibald
13.03.2022 12:29registriert April 2020
Meiner Meinung nach hat Bachofner den Check gesucht. Er zieht sogar noch nach links, Richtung Pottelberghe… jähhnu, Morgen müssen Punkte her… 😉
2916
Melden
Zum Kommentar
40
Winti will seine Saison krönen: «Bodenständigkeit als Teil unserer DNA definiert»
Der FC Winterthur verblüfft in der zweiten Saison nach dem Aufstieg und kann sich sogar Hoffnungen auf eine Europacup-Teilnahme machen. Am Sonntag empfängt er im Halbfinal des Schweizer Cups Servette.

Gegen die Genfer sind die Winterthurer in dieser Saison noch ungeschlagen. Dem 1:0-Heimsieg im letzten Duell stehen zwei Unentschieden gegenüber. Der letzte Titelgewinn des FCW liegt bereits über hundert Jahre zurück; 1917 wurde er zum dritten Mal Schweizer Meister.

Zur Story