Zwei Spiele, sechs Drittel, zwei Niederlagen. 0:2 in Tampere, 2:3 auf eigenem Eis. Alles klar? Statistisch ja. Hockeytechnisch nein. Die Zuger führen im Rückspiel 1:0 und gleich zu Beginn des Schlussdrittels 2:1. Nur 38 Sekunden nach Wiederbeginn trifft Fabrice Herzog im letzten Drittel im Powerplay zum 2:1. Nun liegt ein dritter Treffer, der eine Verlängerung und vielleicht ein Penaltyschiessen ermöglicht, in der Luft. 2 Minuten und 28 Sekunden vor Schluss verlässt Leonardo Genoni das Eis für einen sechsten Feldspieler. Es ist der dramatische Höhepunkt dieses Halbfinals und endet mit dem alles entscheidenden Treffer zum 2:2 ins leere Tor. Das 2:3 hat keine Bedeutung mehr.
Rückblickend erkennen wir: Die Zuger haben diesen Halbfinal gegen den Champion aus dem Land des Olympiasiegers und Weltmeisters nicht im Rückspiel verloren. Sondern in der ersten Partie in Tampere vor einer Woche. Dort haben sie die Intensität des zweiten Spiels nie auch nur annähernd erreicht, waren chancenlos und verloren 0:2. Sie entfalten erst im Rückspiel das beste Hockey der Saison. Nicht das spektakulärste. Aber das mit Abstand intensivste und taktisch beste. Kein offensives Sonntagshockey und keine sorglose defensive Folklore wie so oft in der Meisterschaft.
Nach zehn Minuten kommt die Intensität ins Spiel, die es Zug ermöglicht, die defensiv stabilen Finnen aus der neutralen Zone über die blaue Linie ins gegnerische Verteidigungsdrittel zu drücken. Oder noch anders gesagt: In den zwei Halbfinalpartien (mit insgesamt 120 Minuten) sehen wir erst ungefähr ab der 70. Minute das wahre, das grosse Zug. Und trotz dieses späten Erwachens hätte es beinahe gereicht. Gut möglich, dass sich die Zuger in einer längeren Serie über drei, fünf oder sieben Spiele durchgesetzt hätten.
Dieses Rückspiel ist die intensivste Partie der Saison, noch eine Spur besser als der Final des Spengler Cups (Ambri – Sparta Prag 3:2 n. P). Einerseits ein defensives Lehrstück der Finnen und andererseits eine gut strukturierte offensive Dynamik der Zuger auf europäischem Niveau. Zug, in der Meisterschaft nicht in der oberen Tabellenhälfte (9.), offensiv bloss die Nummer sechs und defensiv die Nummer sieben der National League, legt Ehre ein für unsere höchste Liga.
Haben die Zuger alles richtig gemacht? Oder gibt es einen Sündenbock? Zug hat alles richtig gemacht und es gibt keinen Sündenbock. Taktik und Disziplin stimmten. Bei maximalem Einsatz kassiert der Schweizer Meister keine einzige Strafe und die Mannschaft lässt sich auch durch den Ausfall von Grégory Hofmann durch eine Fussverletzung (21.) nicht irritieren.
Richtigerweise hat Trainer Dan Tangnes Leonardo Genoni vom Eis geholt, um das dritte Tor zu erzwingen. Kritik wäre billige Polemik. In der Regel gelingt es in einem solchen Fall, die Scheibe in der gegnerischen Zone zu behaupten. Aber manchmal eben nicht. Das ist die Unberechenbarkeit dieses Spiels auf rutschiger Unterlage. Zugs Trainer sagt denn auch, er würde in der gleichen Situation wieder so handeln.
Dan Tangnes spricht nach dem Spiel von einer tiefen Frustration, die es noch zu verarbeiten gebe. Davon, dass es so eine Situation sei, in der man am liebsten einen Stuhl zertrümmern würde. Was dieser «Hexenmeister» der emotionalen Selbstkontrolle nicht getan hat. Wenn er sagt, er sei stolz auf diese Mannschaft, dann ist es keine Floskel.
Seit der Finalniederlage von 2019 gegen den SC Bern ist den Zugern eigentlich alles gelungen. Die Playoffs von 2020 sind der Pandemie zum Opfer gefallen, die Titel von 2021 und 2022 haben sie gewonnen. Nun ist es das erste Scheitern seit 2019. Hat dieses Scheitern für den Titelverteidiger Auswirkungen auf den Rest der Saison?
Dan Tangnes geht davon aus, dass das dramatische Scheitern keine Nachwirkungen haben wird. Diese Annahme (oder Hoffnung) ist dann berechtigt, wenn das Drama der Champions League die Demut und Bescheidenheit fördert, die oben in der Chefetage (nicht unten in der Kabine) nach zwei gewonnenen Meisterschaften hin und wieder ein wenig verloren gegangen sind und die es doch braucht, wenn ein dritter Titel in Serie gelingen soll.