Zwei Spiele, null Punkte. Mit den Niederlagen gegen England und Slowenien hat Vladimir Petkovic den schlechtesten Start eines Nati-Trainers seit 28 Jahren eingezogen.
1986 erlitt auch Daniel Jeandupeux dieses Schicksal. Das zeigt, wie historisch der aktuelle Fehlstart ist: Die Mehrheit des heutigen Kaders war damals noch nicht einmal auf der Welt. Petkovics Ansage nach dem bitteren 0:1 von Maribor ist entsprechend deutlich: «Ab jetzt ist jeder Match ein Cupspiel.»
Bei der ersten Trainingseinheit zurück auf Schweizer Boden ist die Stimmung am Samstag entsprechend nüchtern. Die üblichen Spässe und Sprüche zwischen den Übungen sind zwar nicht ganz verschwunden, doch es gibt derzeit merklich weniger davon.
Steve von Bergen hat Sloweniens Flitzer Kevin Kampl am Donnerstag vor der entscheidenden Penaltyszene entwischen lassen. Er erklärt seinen Gemütszustand: «Wir haben nach der Rückkehr die Videos analysiert – das war schon ärgerlich. Aber jetzt müssen wir das hinter uns lassen und ruhig bleiben. Es bringt nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.»
Auch Petrus hatte schon bessere Laune: Die Nati ackert bei nasskalten 14 Grad auf dem Sportplatz Chrummen in Freienbach. Der Blick auf die nebelverhangenen Hügel gleicht demjenigen der Nati auf die Tabelle: Die Spitze ist nicht mehr in Sicht.
Schnell ist der Fahrplan klar, den Vladimir Petkovic nach der Slowenien-Pleite verfolgt. Seine Spieler sollen vor der Partie gegen das Weltranglisten-Schlusslicht San Marino Selbstvertrauen tanken. Und wie geht das? Durch Tore, Tore, Tore. Denn ein solches ist der Schweiz im Ernstkampf seit dem 3:0 gegen Honduras an der WM vor dreieinhalb Monaten nicht mehr gelungen. 319 Spielminuten warten die Fans mittlerweile schon auf einen solchen Glücksmoment.
Einen Grossteil der Einheit verbringt das Team deshalb damit, sich gegen eine Viererkette aus wehrlosen Pappkameraden durch zu kombinieren. Eine Angriffswelle darf dabei nie länger als zehn Sekunden dauern. Drmic, Seferovic und Shaqiri schiessen aus allen Rohren und die Treffer fallen dutzendfach.
San Marino hat zwar keine Weltklasse-Verteidiger, doch ein bisschen mehr Gegenwehr werden sie trotzdem leisten. Xherdan Shaqiri erklärt, weshalb die Übung trotzdem sinnvoll ist: «Wir haben das Spiel am Donnerstag dominiert und viele Chancen herausgespielt. Aber auf den letzten 30 Metern fehlte einfach die Effizienz. Daran müssen wir arbeiten.»
Für den Bayern-Legionär sind das nicht nur leere Worte. Noch lange nach dem offiziellen Training lässt er sich von Josip Drmic Flanken schlagen. Die beiden simulieren die Situation aus der 60. Minute gegen Slowenien: Xherdan Shaqiri ist dort bei einem Scherenschlag-Versuch jämmerlich am Ball vorbei gesegelt.
Mehr als 20 Versuche startet Shaqiri nach Trainingsschluss in Freienbach. Die meisten klappen wieder nicht – und der 23-Jährige regt sich fürchterlich darüber auf. Er erklärt, weshalb: «Wir dürfen nicht überheblich in das Spiel gegen San Marino gehen. Es muss endlich klappen mit der Effizienz. Für mich gibt es heutzutage im Fussball keine richtig schwachen Gegner mehr.»
Diese Einstellung dürfte Steve von Bergen gefallen. Der Innenverteidiger analysiert seine Offensiv-Kollegen: «Unsere Angreifer haben ihre Qualität nicht plötzlich verloren – und sie sind sich dessen auch bewusst. Wir müssen vielleicht vor dem Tor in bisschen böser sein und den Erfolg mit noch mehr Willen suchen.»
Drei Tage bleiben, um dieses Mantra umzusetzen. Dann muss die Nati in San Marino endlich ihre Torflaute beenden und die ersten Punkte auf dem Weg an die EM einfahren. Von Bergen bleibt wie alle Schweizer zuversichtlich: «Wenn wir unseren Rhythmus auf den Platz bringen, dann werden sie Probleme bekommen. Ich kenne den Goalie. Er ist ein guter Typ und ich glaube, die Hälfte des Teams sind seine Cousins – das ist ja fast eine Familienmannschaft.»