Port-Gentil war in den Anfangszeiten vielleicht noch nett (gentil). Damals war das Nest ein Fischerdorf im Delta des Ogooué. Abgeschieden von der Welt, nur per Schiff erreichbar. Den Namen erhielten die paar Hüttchen aber nicht wegen der netten Lage, sondern eher, weil der ehemalige Verwalter des damaligen Französisch-Äquatorialafrika, Emile Gentil, sich anfangs des 20. Jahrhunderts verewigen wollte. Heute ist nicht mehr viel «nett» hier. Das beschauliche Örtchen explodierte, nachdem man 1970 vor der Küste Öl fand. Statt einem verträumten Kaff ist Port-Gentil heute mit rund 140’000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt Gabuns und die Wirtschaftsmetropole des Landes.
Was aber mit Sicherheit noch immer «nett» ist, ist die Tatsache, dass hier viel Geld verdient wird – obwohl die Stadt noch immer nur per Schiff oder Flugzeug zu erreichen ist. Eine Strasse für die einfachere und billigere Verbindung nach Libreville soll zwar seit drei Jahren gebaut werden. Aber niemand weiss, wann und ob diese wirklich je eröffnet wird. So bleibt Port-Gentil – weil alles mühsam angeliefert werden muss – vorerst nicht nur Goldgrube, sondern auch das teuerste Pflaster Gabuns.
Das einzige, was es hier im Überfluss gibt, ist Öl. Mehr als 50 Prozent der Staatseinnahmen der Nation sind vom Rohstoff abhängig. Das schwarze Gold sorgte dafür, dass sich das zentralafrikanische Land zu einem der reichsten des Kontinents wandelte. Das Jahreseinkommen pro Kopf von über 10’000 Dollar spricht dafür. Allerdings mangelt es – wie so oft – an der fairen Verteilung. Aber das ist ein anderes Problem.
Denn seit 2014 plagt auch die begünstigte Oberschicht ein Problem: der Zerfall des Ölpreises. Kassierte man vor drei Jahren noch rund 150 Dollar pro Barrel, wird heute noch etwas über 40 Dollar bezahlt. Zwischenzeitlich lag der Preis gar unter 30. Diese Tatsache stürzte das ganze Land in die Krise.
Der in Port-Gentil tätige französische Ölriese Total braucht hier einen Preis von ca. 50 Dollar, damit die schwarze Null steht. Das Unternehmen hat sich ein riesiges Gelände erbaut. Die Mitarbeiter wohnen in einem eigenen Viertel mit Swimmingpool, Tennisplatz und anderen Annehmlichkeiten. Man sagt, es gibt zwei Arten von Menschen in Port-Gentil: Diejenigen, die für Total arbeiten und die anderen.
Aber viele der Wohnblocks stehen mittlerweile halb leer. Denn die Firma muss sparen. Expats werden weniger eingestellt, lokale Arbeitskräfte wurden (vorübergehend) entlassen. Viele von ihnen versuchen jetzt als Taxifahrer ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die vier Offshore-Bohrinseln fördern Öl zwar weiterhin aus der Tiefe, aber nach neuen Feldern wird nicht gebohrt: «Das lohnt sich bei den aktuellen Preisen nicht», sagt ein Mitarbeiter.
So hoffen hier alle: Möge der Ölpreis wieder ansteigen. Denn bleibt er tief, ist die Zukunft Gabuns alles andere als rosig. Klar, man hat auch noch den Wirtschaftszweig Holz, aber damit wird ein Land nicht mehr reich.
Präsident Ali Bongo kurbelt den Verkauf von Edelhölzern trotzdem an. Die mögliche Grossrodung des Regenwalds wird natürlich nicht überall gerne gesehen. Und dass der Tourismus bald zur grossen Einnahmequelle wird, davon ist nicht auszugehen. Flora und Fauna wären zwar da, aber die Infrastruktur steckt in den Kinderschuhen. Aktuell ist die Anreise zu den Nationalparks kompliziert, langwierig und teuer.
Bleibt also vorerst doch nur das Öl übrig. Wie lange die Vorräte noch reichen, weiss niemand. Es hat schon noch, aber alle wissen, dass das nicht für ewig sein wird. Und eben: Wenn man mit Öl kein Geld mehr verdienen kann, macht alles eh nur noch wenig Sinn hier. Was mit Port-Gentil geschieht, wenn das schwarze Gold nicht mehr sprudelt, daran wollen die Menschen hier gar nicht erst denken. Es dürfte zur Geisterstadt werden. Vielleicht noch mit ein paar netten Fischerhüttchen, abgeschieden im Ogooué-Delta. So wie damals, vor dem Boom.