Wenn das erste Tor lange auf sich warten lässt, dann aber endlich fällt, spricht man im Fussball ja gerne mal vom Dosenöffner. Diesen Treffer als einfachen Dosenöffner zu bezeichnen, würde dem Freistosshammer von Declan Rice aber nicht gerecht.
Der Arsenal-Star riss die Dosen eher auf, schlug sie in bester Steve-Austin-Manier gegeneinander und verleibte sich den Inhalt in einem Zug ein. Übertragen auf den Fussball bedeutet das: Er knallte den Freistoss in der 58. Minute des Champions-League-Viertelfinals gegen Real Madrid aus knapp 25 Metern direkt neben den Innenpfosten unhaltbar ins Netz. Und wie bei der Wrestling-Legende «Stone Cold» ein Bier nie allein kam, legte Rice einige Minuten später gleich noch einmal nach.
Obwohl es kaum möglich ist, traf der 26-jährige Mittelfeldspieler noch schöner als zuvor. Aus halblinker Position schlenzte er den Ball ins Goalie-Eck und erinnerte dabei an David Beckham zu seinen besten Zeiten. Die «Sun» titelte in Anlehnung an den berühmten Film (Deutscher Titel: «Kick it like Beckham») «Bend it like Dec-Ham». Schöner hätte Rice kaum ins Lattenkreuz treffen können – millimetergenau vermass er das Tor. Einen Vorwurf kann man Real-Goalie Thibaut Courtois da nicht machen.
Gemäss «Opta» war Rice damit erst der fünfte Spieler in der Geschichte der Champions League, der in einem Spiel zwei Freistösse direkt verwandelte. Ausserdem sei der Engländer der Erste, dem dies in einem K.-o.-Spiel der Königsklasse gelang.
«Ich hatte ihn schon im Repertoire, aber ich habe zu oft in die Mauer geschossen, oder der Ball ging über die Latte», sagte Rice danach über seinen ersten Freistoss und erklärte: «Eigentlich wollten wir ihn flanken, aber ich habe die Position der Mauer und des Torhüters gesehen und zu mir gesagt: ‹Probier es einfach!›» Beim zweiten hätte er dann schon das Selbstvertrauen gespürt und ihn dann erneut reingehauen. Auf den perfekten Schuss musste selbst Gegenspieler Kylian Mbappé anerkennend reagieren.
Even Kylian Mbappé couldn't deny Declan Rice's second free kick 😮💨 pic.twitter.com/BEPWUwFi1M
— CBS Sports Golazo ⚽️ (@CBSSportsGolazo) April 8, 2025
Arsenal beliess es im Hinspiel gegen die Königlichen aber nicht bei den beiden Toren von Declan Rice. In der 75. Minute traf auch noch Mikel Merino und sorgte so für den 3:0-Endstand. Trotz der guten Ausgangslage zeigten sich die Gunners aber noch nicht siegessicher und warnten vor den Qualitäten des Gegners gerade im heimischen Santiago Bernabeu, in dem am nächsten Mittwoch das Rückspiel ansteht.
Die Arsenal-Fans konnten einen Seitenhieb gegen den Gegner und gleichzeitig den Stadtrivalen aber nicht lassen. «Seid ihr ein verkleidetes Tottenham?», schallte es in Nordlondon von den Rängen.
Der Sieg der Londoner war aber nicht nur für Arsenal ein Grund zur Freude. Auch die Konkurrenz in der Premier League dürfte glücklich sein. Denn dank des Erfolgs gegen Real Madrid hat die englische Liga für die nächste Saison einen zusätzlichen Platz in der Champions League sicher. Damit erreichen die Top 5 die Königsklasse. Aktuell belegt Newcastle den 5. Rang, punktgleich mit Chelsea auf Platz 4. Direkt dahinter folgen Manchester City und Aston Villa mit einem bzw. zwei Punkten Rückstand. Bis zum Elften Crystal Palace haben bei sieben verbleibenden Runden noch alle eine einigermassen realistische Chance auf den Europacup.
Bevor wir zum zweiten Spiel vom Dienstagabend kommen, noch ein interessanter Fakt: Real Madrids Luka Modric lief im August 2006 in der Champions-League-Qualifikation mit seinem Jugendklub Dinamo Zagreb erstmals in Arsenals damals neuem Stadion auf. Der heute 39-Jährige war zu dem Zeitpunkt wenige Wochen von seinem 19. Geburtstag entfernt. Der 18-jährige Arsenal-Verteidiger Miles Lewis-Skelly, der am gestrigen Dienstag wie Modric in der Startformation stand, war damals noch nicht einmal geboren.
Mit Inter Mailand kehrte Yann Sommer im Champions-League-Viertelfinal nach München zurück, wo er auf seinen Ex-Klub traf. Überraschend setzten sich die Nerazzurri auswärts 2:1 durch. Sommer hatte mit sechs Paraden entscheidenden Anteil, ausserdem lancierte er die beiden Angriffe, die zu den Toren führten. Für Bayern war es die erste Heimniederlage in der Champions League seit 22 Spielen und fast auf den Tag genau vier Jahren (2:3 gegen PSG).
Sommer bezeichnete den knappen Sieg als «hartes Stück Arbeit». Ihm persönlich hätten auch die jahrelange Bundesliga-Erfahrung und die vielen Spiele gegen Bayern geholfen: «Ich weiss, wie die Phasen sind, wenn sie drücken. Da muss man durch. Wir mussten viel aushalten, aber wir haben es gut gemacht und waren sicher hinten.»
Beinahe wäre das Spiel in München in der Schlussphase gekippt. In der 85. Minute stand der eingewechselte Thomas Müller goldrichtig und netzte zum 1:1-Ausgleich ein. Es schien wie das perfekte Fussballmärchen, nachdem der 35-Jährige am Wochenende seinen Abschied von Bayern München zum Saisonende verkündet hatte.
Das Happy End blieb jedoch aus. Denn Inter gelang die direkte Antwort: Davide Frattesi schloss einen perfekt vorgetragenen Konter, der bei Goalie Sommer begann, ab und sorgte so für den 2:1-Endstand.
Ein Ärgernis war die späte Niederlage auch für die Fans, die während über 90 Minuten mitfieberten. Eine Frau schüttete sich dabei aus Versehen gar einen Teil ihres Getränks ins Gesicht. Nach kurzem Schreck nahm sie die kleine Abkühlung aber mit Humor.
Oops! 😅
— Football on TNT Sports (@footballontnt) April 8, 2025
This Bayern fan got a bit over-excited watching her side 🤣
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Neben Sommer stand im Spiel zwischen Bayern München und Inter Mailand ein weiterer Schweizer auf dem Rasen. Nämlich Schiedsrichter Sandro Schärer. Der 36-Jährige durfte erstmals in seiner Karriere einen Champions-League-Viertelfinal leiten und war damit der erste Schweizer seit Massimo Busacca vor 15 Jahren. Schärer zeigte eine souveräne Leistung, Kritik am Schiedsrichter war nach dem Spiel nicht zu vernehmen. Damit dürfte sich Schärer, der einen guten Ruf geniesst und im letzten Sommer den UEFA-Supercup pfeifen durfte, für noch höhere Aufgaben empfohlen haben.
Ich hab allgemein das Gefühl in den letzten Jahren gab es immer weniger direkte Freistossstore und auch immer weniger Freistoss-Spezialisten. Hab ich vermisst.