Die ZSC Lions sind auf eigenem Eis in den Playoffs letzte und diese Saison nie besiegt worden. Auch der HCD hat es nicht geschafft. Die 0:3-Niederlage war eine ehrenvolle. Aber auch eine unvermeidliche: Die Zürcher haben, wohl wissend, wie delikat die Lage bei einer Niederlage geworden wäre, auf jedes Risiko verzichtet und echtes, nur aufs Resultat ausgerichtetes Playoffhockey gespielt.
Im ersten Drittel konzentrierten sie sich auf solide Defensivarbeit und verzichteten fast ganz auf Störarbeit im gegnerischen Drittel (Forechecking). Die tapferen Davoser dominierten in den ersten 20 Minuten gar bei den Torschüssen (10:8). Im zweiten Drittel beschlossen die ZSC Lions, die Partie zügig, aber ohne Hast zu entscheiden und sorgten mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen bei «Halbzeit» (29:32 und 30:40 Minuten) mit dem 1:0 und dem 2:0 für klare Verhältnisse.
Nach dem Motto «Vollgas ZSC!» dominierten die Zürcher den HCD im Mitteldrittel gleich mit 12:4 Abschlüssen. Die Messe war gelesen. Und somit blieb reichlich Zeit, sich einem interessanten Thema zuzuwenden: Kommt Andres Ambühl zu seinem 20. WM-Aufgebot?
Romantiker oder Realist? Diese Frage ist durchaus berechtigt, wenn es um Patrick Fischers WM-Pläne für Andres Ambühl geht. Wenn er den HCD-Captain auf der WM-Rechnung hat, dann mag Romantik eine Rolle spielen. Der Nationaltrainer sagt: «Es wäre natürlich ein toller Abschluss seiner Karriere.» Aber er ist nicht als Romantiker der erfolgreichste Nationalcoach der Geschichte geworden. Sondern als Realist.
Patrick Fischer stellt für den HCD-Captain noch kein WM-Ticket aus. Sagt aber erstmals klar und deutlich: «Seine Chancen sind intakt.» Weil es für Andres Ambühl eine perfekte Rolle gibt. Sozusagen die eines 13. Stürmers. Also eines «Edelreservisten».
Ein Stürmer als «Edelreservist» eines WM-Teams ist ein Spieler, der sich nahtlos ins Team einfügt und jede Rolle klaglos übernimmt: als Reservist ohne Murren auf der Tribüne. Als 13. Stürmer auf dem Matchblatt mit wenig Eiszeit oder als «Feuerwehrmann», der in der ersten, zweiten, dritten oder vierten Sturmreihe einspringen kann. Weil er das Spiel-System längst verinnerlicht hat. Mit seiner immensen Erfahrung ist er zudem für die Stimmung im Team von unbezahlbarem Wert – was bei einer mehrwöchigen WM-Expedition ein entscheidender Faktor sein kann.
Patrick Fischer sagt: «Eigentlich war bereits bei der letzten WM in Prag diese Rolle angedacht.» Aber dann habe sich der HCD-Captain im Team nach vorne gespielt. Der vermeintliche «Edelreservist» war im WM-Silberteam mit fünf Assists der beste Stürmer, der nicht aus der NHL gekommen war. Und ein Leitwolf.
Was für Andres Ambühl spricht: Er gehört in den Playoffs zu den besten HCD-Stürmern: 4 Punkte in den bisherigen 9 Partien und 15:54 Minuten durchschnittliche Eiszeit. Im Halbfinal gegen die ZSC Lions hat er bisher sogar 16:23 Minuten geschultert. Und er spielt intensiv und markiert Präsenz. Statistiken und Spielweise, die ihn nicht nur für Romantiker, sondern auch für einen Realisten zum WM-Kandidaten machen. Erst recht bei seiner Erfahrung aus bisher 19 WM-Teilnahmen plus fünf Olympia-Turnieren.
Scheidet der HCD im Halbfinal gegen die ZSC Lions aus, dann wird Patrick Fischer Andres Ambühl für die WM-Vorbereitung aufbieten. «Er bekommt die Chance, sich ins WM-Team zu spielen.» Rückt der HCD in den Final vor, dann wird die Sache ein wenig delikater. Patrick Fischer: «Die Finalisten, die wir aufbieten, kommen mit an die WM.» Dann wäre es eine Direktqualifikation für das am 9. Mai im dänischen Herning beginnende Turnier.
Halbfinal oder Final mit dem HCD ist eigentlich einerlei. Andres Ambühls Chancen sind auch deshalb intakt, weil zwei NHL-Stürmer für die WM fraglich sind. Pius Suter hat mit Vancouver nur noch theoretische Playoff-Chancen und Philipp Kurashev mit Chicago definitiv keine mehr. Beide sind also WM-Kandidaten.
Pius Suter hat in Vancouver die beste Saison seiner Karriere gespielt: 45 Punkte in bisher 77 Partien, davon 24 Tore. Sein Vertrag, der ihm diese Saison 1,6 Millionen Dollar brutto eingebracht hat, läuft aus. Sein Marktwert ist jetzt so gross wie nie. Und vielleicht wie nie mehr.
Das Problem ist die Versicherung. Eine Verletzung bei der WM kann alle Chancen ruinieren. Patrick Fischer hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben: «Wir arbeiten an einer Lösung. Das Problem bei der Versicherung ist, dass nur der bisherige Lohn, aber nicht ein zu erwartender künftiger Lohn versichert werden kann.»
Pius Suter ist mit 28 im besten Alter und hat eine realistische Chance auf einen Mehrjahresvertrag, der ihm zwischen 10 und 20 Millionen Dollar einbringen kann. Dieses eben erst in Aussicht stehende Salär kann nicht versichert werden. Patrick Fischer sagt, dass er im Falle eines Falles Verständnis für diese Problematik habe. Es wäre also nicht so, dass Pius Suter im Falle einer WM-Absage einen künftigen WM-Bann riskieren würde.
Bei Philipp Kurashev ist die Situation ähnlich: Er ist diese Saison mit 2,25 Millionen Dollar gelöhnt worden und sein Vertrag endet. Aber seine Marktchancen in der NHL sind gering: Er ist zwar erst 25. Aber er war bei Chicago nie Stammspieler, sass zwischendurch auf der Tribüne und kam bisher in 49 Partien lediglich auf 13 Punkte und weist eine Minus-27-Bilanz auf.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er bei einer Rückkehr in die National League einen besseren Vertrag herausholen kann (nicht nur der SCB ist interessiert) als in der NHL. Die Versicherung ist in seinem Fall nicht das zentrale Problem. Aber erst einmal muss geklärt sein, ob er hundertprozentig fit ist.
Andres Ambühls WM-Chancen und ein letztes Hurra sind also intakt. Er ist mit 338 Länderspielen nicht nur Schweizer Rekordhalter vor Mathias Seger (305). Mit 141 WM-Partien hält er auch einen famosen Weltrekord. Dieser Rekord ist wohl für die Ewigkeit. Der aktive Spieler, der ihm am nächsten kommt, ist der ehemalige Lakers-Kultstürmer Roman Cervenka mit 97 WM-Spielen für Tschechien. Er ist im Dezember auch schon 39 geworden.
Am meisten WM-Einsätze:
Aber Fischer ein «realist»? Cmon Klaus...
Ich glaube auch, dass es Ambühl selber nicht anders will. Rein die Leistung soll zählen. Die Romantik darf keinen Platz haben.