Am Anfang war das Chaos. Als der FCB am Donnerstag zur freitäglichen Pressekonferenz einlud, hiess es, dass man um zirka 10.15 Uhr während der ersten Viertelstunde des Trainings zuschauen dürfe. Auf den Plätzen des St. Jakob-Areals, da wo immer trainiert wird, wenn kein Kunstrasen-Duell ansteht. Dann plötzlich, eine knappe Viertelstunde vor dem angekündigten Trainingsstart, ein Mail des FC Basel: Achtung Planänderung, Training auf dem Campus Gelände. Kurz nach 10.30 Uhr kommt Spielerentwickler Thomas Häberli heranpedalt und ruft Fans, Fotografen und Journalisten zu, dass Marcel Koller und sein Staff nun doch vorne seien. Zusammenpacken und zurückmarschieren. So ergeht es auch Materialwart Roger Eglin und Konditionstrainer Mathieu Degrange, die beim Campus schon alles vorbereitet hatten für das Aufwärmprogramm.
Natürlich, zu solchen Unstimmigkeiten kann es kommen, wenn ein Trainer neu übernimmt. Und doch ist die Szene sinnbildlich für die Situation, in der sich der FC Basel derzeit befindet. Eigentlich war es der Plan von Präsident Bernhard Burgener und Sportchef Marco Streller, die Identifikation mit dem Klub wieder zu vergrössern. Verbaslern und verjüngen – das war das Credo. Doch dann riss die Meisterserie, man verpasste die Qualifikation für die Champions League und entliess den Trainer. Panik allenthalben, Hauruck-Aktionen. Was dabei verloren ging, war die eigene Identität. Aus dem proaktiven Vorzeigeklub wurde reaktiver Durchschnitt.
Darum steht am Freitag Marcel Koller auf dem Platz neben dem Kilometerwegli. Der freundliche Herr Koller. «Schön, sind Sie hier», sagt er zu einer Gruppe von Fans. «Kommen Sie immer ins Training? Auch zum Spiel?» Er gibt sich offen, nahbar, wie angekündigt. Um Vorurteile abzubauen, den Baslern zu zeigen, dass er zwar Zürcher ist, aber letztlich einer wie sie, ein ganz normaler Mensch.
Kurz darauf bespricht er sich schon mit Carlos Bernegger, einem von zwei Assistenten, die er durchboxte. Gegen den Willen der sportlichen Führung, die gerne Marco Schällibaum dabei gehabt hätte. Aber Koller ging aus starker Position in die Abschlussverhandlungen. Er setzte sich durch. Deshalb wird er nun von Thomas Janesitz und dem genannten Bernegger assistiert. Letzterer war Cheftrainer beim FC Luzern, bis er von einem gewissen Alex Frei, Interimstrainer und Verwaltungsrat, entlassen wurde. Sie überwarfen sich. Aber Koller hat seine Vorstellungen, seine Leute und seine Linie.
Während Raphael Wicky weltgewandt zwischen Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch hin und her wechselte, gibt es Anweisungen von Koller nur auf Deutsch. Er sagt: «Es ist wichtig, dass die Spieler, die hierherkommen, Deutsch lernen und sich den Gepflogenheiten in der Schweiz anpassen. Dazu müssen sie kommunizieren können.» Grund könnte aber auch sein, dass Koller während seiner gesamten Karriere den deutschsprachigen Raum nie verliess. Für persönliche Gespräche mit den FCB-Söldnern wird er insbesondere auf die sprachlichen Fertigkeiten von Bernegger zählen können. Unter Wicky durften die Spieler die Nacht vor den Heimspielen zu Hause verbringen. Am Freitagabend, unter Koller, ging es für die FCB-Profis ins Hotel. Auch weil der neue Trainer dort Zeit für Einzelgespräche findet und sein Team besser kennen lernen kann. Er will das Maximum herausholen aus den knapp 48 Stunden, die ihm vor dem ersten Ernstkampf gegen GC bleiben.
Eindeutig waren seine Anweisungen nach Ablauf der Viertelstunde für die Öffentlichkeit: Bitte, gehen Sie nun raus. Als danach ein paar Fans durch Gucklöcher beim gegen neugierige Blicke geschützten Trainingsplatz äugten, wurden sie weggeschickt. Von öffentlichem Grund. Auch das eine ganz neue Sitte in Basel. Ganz zum Unmut der Anhänger. Aber Koller hat seine Linie.
Auch wenn es um den ganzen technischen Firlefanz geht, der im modernen Fussball zum Alltag geworden ist. Pulsgeräte, GPS et cetera. Bei der österreichischen Nationalmannschaft hat Koller ganz darauf verzichtet. Wie er es in Basel handhaben will, weiss er noch nicht genau. «Wir müssen uns da zuerst einmal reinarbeiten. Die Informationen können uns helfen. Aber wer erfolgreich sein will, muss auch mal an die Grenze und darüber hinaus gehen», sagt Koller. Auch das Leiden will trainiert sein.
Koller, das drang schon bei seiner Vorstellung durch, wird der starke Mann beim FCB. Jener starke Mann, der eigentlich Jean-Paul Brigger hätte sein sollen. Er kriegt mehr Macht als jeder andere Trainer seit Christian Gross, mit dem Marcel Koller als Spieler bei GC Meister wurde. Und weil Koller Macht und Linie hat, wird Sportchef Marco Streller künftig nicht mehr so nahe am Team sein wie zuletzt. Koller soll Ordnung ins Chaos bringen.
Wie schnell ihm das gelingt, sieht man am Samstagabend gegen GC. Gegen seinen Jugendverein dürfte Koller in einem 4-2-3-1 spielen lassen. Er muss dabei auf Stocker (Schlag in den Nacken), Campo (gesperrt), Xhaka und Kuzma novic (beide rekonvaleszent) verzichten. Gut möglich, dass Koller in der Offensive neue Akzente setzt und Spieler auf Positionen einsetzt, die sie so bei Basel noch nie oder schon länger nicht mehr gespielt haben.