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Dario Cologna im Interview: «Ich wollte immer der Beste sein»

epa09805432 Dario Cologna of Switzerland celebrates with sparkling wine in the finish area of the men's 50 km classic race at the FIS Cross Country World Cup event at Holmenkollen, Oslo, Norway,  ...
Dario Cologna feiert am Holmenkollen in Oslo seinen Abschied aus dem Weltcupzirkus gebührend mit Champagner.Bild: keystone
Interview

«Wenn man so lange im Rampenlicht steht, ist es nicht einfach, danach den Tritt zu finden»

Der Schweizer Langlaufstar nahm heute Sonntag letztmals als Profisportler am Engadin Skimarathon teil. Doch was kommt nach der Langlauf-Karriere? Wir bringen Licht ins Dunkel.
13.03.2022, 17:56
rainer sommerhalder / schweiz am wochenende
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Skispringer Simon Ammann wuselt nur so durch all seine parallel laufenden Projekte. Von den Interessen des ­zweiten Schweizers mit Heldenstatus im nordischen Skisport hingegen weiss man wenig. Dario Cologna war in den vergangenen 16 Jahren hauptsächlich Langläufer. Damit ist jetzt Schluss. Wir treffen den vierfachen Olympiasieger am Tag vor seinem 36. Geburtstag in Davos zu einem Bewerbungsgespräch der anderen Art.

Was würden Sie in einer Bewerbung über ihre speziellen Fähigkeiten schreiben?
Dario Cologna:
(lacht) Es kommt wohl darauf an, für welche Tätigkeit genau die Bewerbung gedacht ist. Als Langlauflehrer würde ich von sehr guten Voraussetzungen schreiben.​

Engadin Skimarathon 2022: Furger bezwingt Cologna im Schlussspurt
Dario Cologna wird nicht Rekord-Sieger beim Engadin Skimarathon. Bei seinem letzten Einsatz im Engadin als Spitzenläufer fand der 36-Jährige im endschnellen Roman Furger einen Bezwinger.

Der Bündner und der Urner weisen nun je vier Siege auf. Cologna gewann den nach dem Wasalauf prestigeträchtigsten Volkslauf 2007, 2010, 2017 und 2019. Die Siege des vier Jahre jüngeren Furger datieren aus den Jahren 2012, 2016, 2018 und 2022. Erfolgreichster Teilnehmer bleibt somit der im vergangenen September verstorbene Albert Giger, der zwischen 1971 und 1978 fünf Mal triumphierte.

Ihre menschlichen Vorzüge gelten hoffentlich bei jeder Bewerbung!
Ich würde die Erfolge und das Erlebte der vergangenen 16 Jahre im bisherigen Job erwähnen. Ich bin überzeugt, dass ich diese Erfahrungen auf jeden Fall als Pluspunkte mit ins künftige Berufsleben einbringen kann. Als Einzelsportler war ich mein eigener Chef, musste alle Aktivitäten rund um meine Karriere selbst koordinieren – sei es beim Trainer, dem Skiservice, Medien, Sponsoren oder dem Management. Man sieht in viele komplexe Bereiche hinein. Ich bin sicher, dass ich dies für meine Zukunft gebrauchen kann.​

Und was gewinnt ein neuer Chef mit dem Menschen Dario Cologna?
Einen feinen Kerl (lacht)! Der Mensch Dario Cologna ist zuallererst einmal vierfacher Olympiasieger. Damit gewinnt er schon mal viel. Um in einer Sportart wie Langlauf, welche in der Schweiz nicht gerade zu den populärsten Disziplinen gehört, überhaupt Erfolg haben zu können, muss ein Mensch grosse Zielstrebigkeit, ein hohes Mass an Motivationsfähigkeit und Begeisterungsfähigkeit mitbringen. Und auch die Gabe, hartnäckig an sich zu arbeiten, um jeden Tag besser zu werden.

Nach 16 Jahren als Langläufer folgt für Sie ein neues Kapitel. Als was werden Sie sich nun bewerben?
Aktuell habe ich noch nicht vor, mich irgendwo aktiv zu bewerben. Es ist auch ein schönes Gefühl, dass ich dies nicht von einem Tag auf den anderen muss. Ich werde vorerst eigene Projekte mit bisherigen Partnern und Sponsoren vorantreiben. Es gibt schon viele Ideen, aber noch wenig davon ist wirklich spruchreif. Ich sehe mich definitiv noch nicht als Festangestellter.

Zur Person: Dario Cologna
Der Bündner mit italienischen Wurzeln, aufgewachsen im Val Mustair, ist vorgestern Freitag 36 Jahre alt geworden. Cologna ist vierfacher Langlauf-Olympiasieger, hat viermal den Gesamtweltcup gewonnen und ebenso oft die Tour de Ski. In total 285 Weltcuprennen feierte er 73 Podestplätze (26 Siege). Der Engadin Skimarathon ist sein letztes internationales Rennen als Profisportler. Cologna ist seit Juli 2020 mit Laura Bucher verheiratet und Vater eines sechs Monate alten Sohns. Die Familie lebt in Davos.

Ich gehe aber nicht davon aus, dass Sie bis zum AHV-Alter als Eigenmarke tätig sein können?
Ich habe das Privileg, in den nächsten Jahren den Weg mit einer gewissen Gelassenheit zu finden, in welche Richtung es gehen könnte. Ich spüre vielleicht bald, was mir beruflich am meisten Spass macht und investiere dann dort auch in die Aus- und Weiterbildungen. Das könnte etwas im Langlaufbereich, etwas in der Privatwirtschaft oder etwas mit Sponsoren sein. Aber so wie ich mich kenne, werde ich schnell wieder voller Tatendrang stecken.

Wo liegen die Interessen von Dario Cologna? Viel ist nicht bekannt!
Über diesen Punkt habe ich mit einem Bekannten auch schon diskutiert. Ich sehe das positiv. Mich kann man nicht einfach in eine Schublade stecken. Ich kann mir auch gut vorstellen, zur Arbeit einen Anzug zu tragen.

Wird man Sie auch künftig im Langlauf antreffen?
Ich war jetzt 16 Jahre lang Langläufer von Beruf und man kennt mich als Langläufer. Es wäre schade, wenn man das nun alles zur Seite stellen würde. Aber ich sehe mich nicht täglich als Trainer oder Langlauflehrer auf der Loipe. Aber ich würde gerne etwas von meinem Wissen an die nächste Generation weitergeben. Es gibt Pläne in diese Richtung.

Die Karriere von Dario Cologna

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Die Karriere von Dario Cologna
2007: Dario Cologna gelingt der Durchbruch bei den «Grossen» an seinem 21. Geburtstag. Der Junioren-Weltmeister gewinnt den Engadin Skimarathon vor Toni Livers und Christian Stebler (von rechts).
quelle: keystone / alessandro della bella
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Auf was freuen Sie sich besonders, das im Leben eines Spitzensportlers eher zurückgestellt werden muss?
Es sind die kleinen Dinge. Als Langläufer musste ich stets dranbleiben, selbst in den Ferien. Ich redete mir ein, ich könne nicht einfach zwei Wochen am Strand liegen. Im vergangenen Sommer waren wir mit der Familie auf Kreta. Während die anderen sich zum Morgenessen trafen, ging ich für drei Stunden aufs Velo. Ich freue mich also beispielsweise darauf, künftig auch ohne schlechtes Gewissen ausgiebig gemeinsam zu «Zmörgele». Oder mich während eines unterhaltsamen Abends nicht vorzeitig ins Bett zu verabschieden oder zu einem Glas Wein oder einem Bier nicht «nein» sagen zu müssen. Das verstehe ich unter zusätzlicher Lebensqualität. Aber ich freue mich auch darauf, weiterhin Sport zu treiben. Ich habe gerne trainiert. Aber Zeitpunkt und Dauer sind nun keine Pflicht mehr.

Nehmen Sie uns ein wenig mit in Ihre Gefühlswelt der letzten Wochen: Tut Abschied nehmen weh oder erleichtert es?
Die Wehmut überwiegt. Ich bin sicher, dass ich auch einiges aus meinem bisherigen Leben vermissen werde. Beispielsweise die Trainingslager mit den Teamkollegen, die Reisen an verschiedene Orte dieser Welt. Ich habe bis zuletzt gerne so gelebt. Der Entscheid zum Rücktritt fiel mir entsprechend nicht einfach, selbst wenn ich überzeugt bin, dass es der richtige Moment ist. Auch am vergangenen Wochenende in Oslo habe ich nochmals gesehen, dass für mich sportlich noch immer einiges möglich ist. Ich habe es zwar innerlich stets gewusst, konnte es aber in dieser Saison selten abrufen. Das war ein enttäuschendes Gefühl. Aufzuhören und dabei zu wissen, dass man vieles vermissen wird, ist letztlich aber schöner als am Ende einer Karriere nur noch froh zu sein, dass man es hinter sich hat.

Schweiften Ihre Gedanken in den Rennen mehr ab als üblich?
Ich glaube nicht, dass es sich während der Rennen anders anfühlte als in den Jahren zuvor.

Aber es gab solche Momente?
Ja, vor den Rennen. Zum Beispiel vor dem Heimrennen in Davos, als ich nicht gut schlief. Da gingen mir Gedanken durch den Kopf, dass es ein Abschied ist. Oder auch Oslo war sehr speziell. Da gibt es Momente, wo man realisiert, dass es jetzt vorbei ist. Ich war am Morgen vor dem Fünfziger beim Einlaufen unten am Fjord, das Wetter war traumhaft und ich dachte daran, dass ich diese Eindrücke und diese Gefühle das letzte Mal erleben werde.

Aber Ihnen war wichtig, nicht unter «ferner liefen» Tschüss zu sagen?
Mehr für mein eigenes Gefühl. Ich wollte schon anständig abschliessen. Es wäre schade gewesen, wenn ich ohne achtbares Resultat abgetreten wäre. Es war nie mein Ziel, einfach noch ein Jahr mitzulaufen. Trotzdem gab es in diesem Winter auch einige Enttäuschungen. Auch auf die Olympischen Spiele hin konnte ich mich in der Vergangenheit stets entscheidend steigern. Da war in diesem Jahr nicht der Fall, da muss ich in der Analyse genug ehrlich sein.

Blicken wir zurück: Welcher war Ihr Lieblingsgegner?
Da kommt man wohl auf den Namen Petter Northug. Lieblings- und zugleich wohl auch härtester Gegner. Unsere Duelle in den Anfangszeiten der Karrieren waren auch für die Aufmerksamkeit des Langlaufs eine gute Sache.

Das Duell zweier ziemlich unterschiedlicher Typen?
Die Unterschiede wurden in der Öffentlichkeit etwas überhöht dargestellt. Northug war etwas der extrovertiertere Typ und ein wenig mehr der Showman. Aber ich bezweifle, dass wir wirklich so unterschiedlich sind. Ich bin wohl nicht ganz so ruhig, wie viele denken, und umgekehrt erlebe ich Petter privat als durchaus ruhige Person.

Switzerland's Dario Cologna in action behind Norway's Petter Northug during the men's 50 km classic mass start competition at the 2015 Nordic World Skiing Championships in Falun, Sweden ...
Grosse Rivalen: Petter Northug (vorne) und Dario Cologna.Bild: KEYSTONE

Petter Northug hatte mit seinen Verurteilungen wegen verschiedenen Verkehrsdelikten offensichtlich einige Mühe mit dem Wechsel in die Sportstar-Pension. Gibt Ihnen so etwas zu denken?
Man weiss, dass viele Sportler nach dem Rücktritt Mühe bekunden – nicht nur Northug. Dieser Herausforderung muss man sich bewusst sein. Wenn man über Jahre im Rampenlicht steht, ist es nicht einfach, danach den Tritt zu finden. Auch ich bin mir bewusst, dass es ein grosser Wechsel ist, wenn man im Sport viele Erfolge gefeiert hat. Es ist kein normaler Jobwechsel.

Macht Erfolg auf eine Art süchtig?
Ich weiss nicht, ob süchtig das richtige Wort ist. Aber Erfolg gibt dir auf jeden Fall einen gewissen Boost. Ich kann zwar nicht beurteilen, wie es in der normalen Berufswelt ist. Aber als Sportler ein Rennen zu gewinnen, ist ein aussergewöhnlich intensiver Glücksmoment. Wenn diese Emotionen wegfallen, benötigt man wohl ein wenig Zeit, um im Beruf andere Erfolge als solche zu erleben.

Welches war das verrückteste Rennen Ihrer Karriere?
Der erste Gedanke geht in Richtung Skiathlon an den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi. Ich wusste nach meiner Fussverletzung im Vorfeld wirklich nicht, ob es überhaupt funktioniert. Geschweige denn, wo ich genau stehe. Und dann im ersten Rennen bei Olympia zu gewinnen – das löste doch sehr spezielle Emotionen aus.

Sie sind privat ein guter Erzähler: Drei kleine Episoden fern von Resultaten, die sie zum Schmunzeln bringen?
Ich soll diese erzählen?

Ja!
Ich bin schlecht im Erzählen auf Knopfdruck.

Da gibt es doch sicherlich Dutzende von Müsterchen?
Eine Geschichte ist sehr lustig, aber diese kann ich nicht öffentlich erzählen (lacht). Machen wir weiter und ich überlege.

Es wird nicht einfacher! Ein Moment, wo Sie so richtig wütend waren – auf wen auch immer?
Ich habe mich glücklicherweise nicht oft richtig ärgern müssen. Klar gab es rund um den Skiservice immer wieder mal Diskussionen. Aber das gehört dazu. In Falun gab es eine spezielle Episode rund um die WM 2015, die mich geärgert hat. Der Schwede Johan Olsson gewann das Rennen über 15 km. Er hatte von allen Favoriten als Einziger eine frühe Startnummer und die Schneebedingungen veränderten sich damals. Ich wies in einem Interview mit einer schwedischen Journalistin darauf hin, dass die FIS in der Verantwortung sei, dass die Topläufer in einem Block ins Rennen geschickt werden sollten. Sie machte daraus die Schlagzeile: Dario Cologna sagt, Olsson sei nur Weltmeister wegen seiner Startnummer. Ich habe mich mächtig über diese Schlagzeile geärgert.

Und erst Johan Olsson über Sie!
Genau darum ging es mir. Wer mich kennt, weiss, dass ich nicht so bin. Ich wollte in keiner Weise einem Konkurrenten den Wert seines Sieges absprechen. Doch genau diesen Anschein erweckte der Artikel. Ich war ziemlich angefressen und habe einige Zeit nicht mehr mit dieser Journalistin gesprochen.

Was aus Ihrer Karriere werden Sie auch Ihren Enkelkindern noch erzählen?
In diesem Fall werde ich keine Mühe haben, genügend Geschichten zu finden (lacht). Es gibt doch einige Erfolge, von denen ich erzählen und zu denen ich auch Videos zeigen kann. Vielleicht schon meinem Sohn, wenn er ein wenig älter ist. Und falls er sich dafür interessiert.

Letzte Frage oder wollen wir mit den drei Episoden weiterfahren?
Zuerst die letzte Frage!

Zu einem beruflichen Abschied gehört ein Arbeitszeugnis: Was sollte in Ihrem auf jeden Fall drinstehen?
Wenn es den Tatsachen entspricht, sollte es kein allzu schlechtes Zeugnis werden. Der Erfolg ist ein Teil meines Verdienstes. Ich habe auch das Gefühl, stets ein guter Teamplayer gewesen zu sein. Ich sah mich stets als Teil von Swiss Ski und des Teams. Ich habe versucht, dass auch andere von meinen Erfolgen profitieren können. Ich war stets offen, aber zugleich auch fordernd. Ich wollte der Beste sein und gleiches forderte ich auch von meinem Arbeitgeber ein. Für eine kleine Langlauf-Nation sicherlich nicht immer einfach, da mitzuziehen.

Jetzt noch drei Episoden. Oder im Notfall auch zwei oder zumindest eine. Sie haben 16 Jahre Auswahl!
Was ist schon wieder passiert? Es kommen mir nur Dinge in den Sinn, die intern bleiben sollten. Können wir die Frage streichen?

Lieber nicht. Aber ich fasse zusammen: die besten Geschichten sind jene, die intern waren. Und ein wahrer Gentleman schweigt!
Ein gutes Fazit! Ich denke, in einer unterhaltsamen Runde mit einigen Ehemaligen wird es solche Geschichten geben – auch von mir. Aber warten wir lieber auf diese Runde.​

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Die Karriere von Dario Cologna
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Die Karriere von Dario Cologna
2007: Dario Cologna gelingt der Durchbruch bei den «Grossen» an seinem 21. Geburtstag. Der Junioren-Weltmeister gewinnt den Engadin Skimarathon vor Toni Livers und Christian Stebler (von rechts).
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