2009 sorgten die Schweizer Meisterschaften im Letzigrund national für Schlagzeilen. Eine 17-jährige Bernerin, deren Name keiner richtig auszusprechen wusste, zog die Aufmerksamkeit mit Siegen über 100 und 200 m auf sich. Die Zeiten von 11,66 und 23,87 Sekunden fielen zwar auch für damalige Schweizer Verhältnisse nicht überragend aus. Aber jedem im Stadion war klar: Da rückt eine herausragende Athletin nach, auch mit Blick auf die Europameisterschaften in Zürich, die für das Jahr 2014 zwar offiziell noch nicht vergeben waren, aber eben doch schon feststanden.
12 Jahre sind in einer Sprint-Karriere eine Ewigkeit, und doch steht Mujinga Kambundji eigentlich erst seit ein paar Jahren im Zenit. Die Leistungs-Entwicklung scheint immer noch nicht abgeschlossen zu sein. Wäre sie vor einem Monat an den Schweizer Meisterschaften in Langenthal beim 100-m-Lauf in der Beschleunigungsphase nicht kurz aus dem Tritt gefallen, dann läge der nationale Rekord nun unter 10,95 Sekunden und auch die Jahres-Weltbestenliste (26., 11.05) würde widerspiegeln, dass die Schweizerin in Tokio zumindest zu den Kandidatinnen auf eine Final-Teilnahme zählt.
«Eine olympische Medaille ist immer ein Traum. Aber es ist schwer zu sagen, ob ich das erreichen kann. Es wäre schon unglaublich, in einem Final zu stehen», sagt Mujinga Kambundji. «Danach ist alles möglich», fügt sie an. Das Anhängsel ist keine Floskel. 2019 an den Weltmeisterschaften in Doha nutzte die Bernerin die Gunst der Stunde. Obwohl sie nicht ganz an die Zeit herankam, die ihr 2018 an der EM in Berlin einen der drei 4. Ränge eintrug, reichte es für WM-Bronze.
Nachdem die Tochter eines Kongolesen und einer Schweizerin 2012 in London nur in der Staffel antrat – mit einem Ausscheiden in den Vorläufen – und in Rio 2016 über 100 und 200 m in die Halbfinals kam, stiess sie 2018 in eine neue Dimension vor. Sie durchbrach im Sommer vor drei Jahren die Schallmauer von 11 Sekunden, nachdem sie im Winter an der Hallen-WM über 60 m Bronze gewonnen und damit als erste Schweizer Athletin eine Medaille im Sprint bei weltweiten Elite-Titelkämpfen geholt hatte.
«Ich weiss immer noch nicht wirklich, wozu ich über die 100 m fähig bin», sagt die Athletin, die ihre Trainingsbasis wieder in die Nähe ihres geografischen Lebensmittelpunkts verlegt hat. Sie trainiert weiterhin unter der bewährten Anleitung von Adrian Rothenbühler in der Hauptstadt. «Auch bei den 200 m spüre ich, dass Potenzial da ist, auch wenn es im zweiten Teil des Rennens noch Details zu verbessern gibt.»
Statistisch gesehen stehen die Chancen auf einen Coup in Tokio mit der Staffel am besten. Es werden nur 16 Teams antreten, die Konkurrenz ist kleiner. Das Schweizer Sprint-Quartett klassierte sich an der WM in London 2019 auf Platz 5, an der EM in Berlin im 4. Rang und auch an der WM in Doha auf Platz 4.
«Wir müssen alle auf der Höhe unserer Aufgabe sein. Denn in dieser Disziplin können Fehler passieren», betont die Bernerin. Sie weiss nur zu gut, wovon sie spricht. An der EM 2014 in Zürich fiel ihr als Startläuferin der Stab aus der Hand.
Mujinga Kambundji ist eine Olympia-Routinière, auch was den Sport-Alltag abseits der Stadien anbelangt. «Das hier nun sind keine Olympischen Spiele wie die anderen. Wir sind nicht in der Lage, die Stadt zu entdecken oder zu feiern. Und es wird seltsam sein, kein Publikum zu haben. Aber für mich ist es okay. Das Wichtigste ist der Wettkampf. Ich werde ein anderes Mal wiederkommen, um die Stadt zu besuchen», betont sie. (zap/sda)