In den entscheidenden Sekunden blickte die ganze Halle zum Videowürfel an der Decke. Dramatische, bassbetonte Musik unterstrich die zum Bersten gespannte Stimmung in der Pariser Bercy Arena. Als das Ergebnis dann da war, hüpfte Shinnosuke Oka wie ein «Gumpiball» auf und ab.
Da stand es weiss auf schwarz: Der japanische Turner hatte sich soeben zum Mehrkampf-Olympiasieger gekrönt. Dabei hatte sein grösster Konkurrent, der Chinese Boheng Zhang, alle Register gezogen. Der bis dahin äusserlich beinahe gänzlich emotionslos auftretende Chinese explodierte nach seiner Schlussübung am Reck förmlich, riss die Arme nach oben, ballte mehrfach die Fäuste und herzte seinen Trainer.
It’s #gold for Japan! 🇯🇵
— The Olympic Games (@Olympics) July 31, 2024
Congratulations to Oka Shinnosuke, who takes first place in artistic gymnastics men's all-round. 🤸@Japanolympic | @gymnastics | #Artisticgymnastics#Paris2024 | #Samsung | #TogetherforTomorrow pic.twitter.com/UG5wNcJC0Z
Doch dieser Auftritt verhinderte am Ende nicht, dass Oka nach einem knapp dreistündigen Kräftemessen an sechs Geräten mit 86,832 Punkten vor dem Favoriten (86,599) lag. Die fast 15'000 Zuschauer feierten den neuen Olympiasieger mit lautem Beifall. Dritter wurde mit Xiao Ruoteng ebenfalls ein Chinese (84,898).
Für den erst 20-jährigen Oka ist es bereits die zweite olympische Goldmedaille in Paris. Zuvor stand er mit der japanischen Mannschaft bereits ganz oben auf dem Treppchen. Das ist umso bemerkenswerter, weil Oka vor einigen Tagen in Paris etwas äusserst Skurriles erlebte.
Mitten im Schlaf versunken, wurde er unsanft geweckt. Durch ein Wasserleck aus der Badewanne war sein Bett nämlich «zusammengebrochen», wie er sagte.
Die Betten im gut 9000 Athleten beherbergenden Olympischen Dorf sind aus Hartpappe. Das soll die Umwelt schonen. Einem dauerhaften Kontakt mit Wasser halten sie aber nicht Stand, wie Okas Beispiel beweist.
Er habe irgendwann im Schlaf bemerkt, wie das Bett langsam in sich zusammengesunken sei und dann festgestellt, dass der Rahmen verzogen war.
«Das hat meinen Rücken irgendwie durcheinandergebracht. Nicht so sehr, dass es meine Leistung beeinträchtigt hätte, aber ich dachte: ‹So möchte ich wahrscheinlich nicht für den Rest der Zeit schlafen›», erklärte Oka.
Die Betten im Olympischen Dorf waren vor den Spielen ein grosses Thema in der Athletenschaft. Nachdem eine britische Zeitung diese aufgrund der angeblich fehlenden Stabilität bereits vor den vorherigen Spielen in Tokio als «Anti-Sex-Betten» bezeichnet hatte, posteten zahlreiche Sportlerinnen und Sportler humoristische Videos in sozialen Medien.
Oka besorgte sich nach dem Missgeschick mit dem ersten Bett jedenfalls ein neues. Das hält offenbar sehr gut – und lässt ihn erholt schlafen. Denn sonst hätte er den Mehrkampf in der Arena in Bercy wohl nicht gewonnen. (t-online)