Trotz guter Ansätze holt die Schweizer Nati nur einen knappen und späten Sieg gegen Jamaika. Der sehr passive Gegner machte der Schweiz zu schaffen, doch mit guter Konterabsicherung und passenden Wechseln gelang trotzdem ein souveränes 1:0.
Vor allem das Aufbauspiel der Nati funktionierte gut gegen Jamaikas 4-3-3-Mittelfeld-Pressing. Die mannorientiert agierenden Flügelstürmer wurden von Ziegler und Lichtsteiner nach hinten gedrückt, sodass Senderos und Djourou ihre Überzahl gegen den Mittelstürmer ausspielen konnten. Vor ihnen pendelte die Doppelsechs, die Schweizer wichen damit dem Zugriff der jamaikanischen Achter gut aus. Häufig rückten die Innenverteidiger auch mit Ball in die entstehenden Räume auf.
Auch die Offensivbewegungen waren ordentlich aufeinander abgestimmt: Seferovic fiel aus der Spitze häufig in hohe Halbraumbereiche zurück. Vor allem halbrechts war er präsent und schuf damit Räume für horizontale Aktionen von Shaqiri, der sehr weiträumig durch das Zentrum driftete. Mehmedi passte sich gut an die entstehenden Staffelungen an. Lediglich Xhaka wirkte nicht wirklich im Bewegungsspiel integriert und interpretierte die Zehnerposition recht statisch und ziellos. Daher tauschte er zur zweiten Halbzeit auch die Position mit Shaqiri.
Mit den beiden einrückenden Flügelspielern konnte die Schweiz häufig Überzahl im Zentrum herstellen und versuchte diese mit Ablagen und Doppelpässen auszuspielen. Die Effektivität dieser Kombinationen war aber nicht hoch. Zum einen lag das an der jamaikanischen Ausrichtung im Defensivverhalten: Wenn sie sich an den Strafraum zurückgezogen hatten, fokussierten sie sich stark auf die Kompaktheit, liessen die Schweiz spielen und sich durch die vielen Ablagen kaum herauslocken.
Zum anderen fehlte es an Abnehmern für Pässe in die Tiefe, um die herauskombinierten Räume auch richtig nutzen zu können. Die rückwärts orientierte Rolle von Seferovic und das undynamische Spiel Xhakas kamen hier zusammen. Um Mehmedi effizient einzubinden, waren die Kombinationen oftmals nicht grossräumig genug angelegt. Aus den halbrechten Räumen gab es daher keine Verlagerungen auf Mehmedi und halblinks wurden die Räume oftmals zu eng.
Ein Problem war auch, dass sich die Sechser weitestgehend auf ihre Aufgaben im Aufbauspiel und der Absicherung kümmerten. Gerade wenn sich Jamaika zu neunt vor den Strafraum zurückzog, fehlte ihre Präsenz in höheren Zonen. Im Grunde liessen sich vier Spieler vom alleinigen Stürmer binden, sodass die Schweizer Offensive häufig mit Unterzahlsituationen zu kämpfen hatte.
Die grosse Präsenz im Zentrum und die Ballkontrolle in dieser Zone erlaubte Hitzfelds Elf jedoch einen schnellen Zugriff im Gegenpressing. Auf die Umschaltsituationen nach Ballverlust waren sie sichtlich gezielt ausgerichtet und rückten mit allen Offensivspielern sehr schnell in die ballnahen Räume.
Auch hier gab es jedoch noch ein paar gruppentaktische Defizite. Beim Zugriff auf den Ball verhielten sich die Schweizer teilweise zu mannorientiert, sodass sich beispielsweise der technisch gute Grant mit Drehungen aus der Umklammerung lösen konnte. Zudem war die Defensive nach langen Bällen recht anfällig im Zwischenlinienraum, auch gegen das jamaikanische Aufbauspiel. Die Doppelsechs agierte gegen den Ball etwas unstrategisch vorwärtsgerichtet, wofür die Viererkette ein wenig zu tief stand.
Im Laufe der zweiten Halbzeit wurde das Schweizer Offensivspiel dann weniger kombinativ. Hitzfeld zeigte dabei ein gutes Händchen: Mit der Einwechslung Inlers gab es zunehmend weite Vertikalpässe als Eröffnung des Spiels. So wurde der kompakt zugestellte Zehnerraum öfter überbrückt und die Angriffsspieler konnten sich häufiger individuell einbringen.
Diese Ausrichtung ergänzte der Trainer mit der veränderten Besetzung der Offensive: Drmic attackierte mit seiner Dynamik die Schnittstellen der Viererkette oder setzte sich ballfern für Hereingaben ab, wie zum Beispiel vor seiner vergebenen Grosschance am langen Pfosten. Stocker rückte etwas seltener in die Kreativräume ein als Mehmedi, sondern agierte etwas breiter und fokussierte sich stärker auf die letzte Linie.
Wegen der sehr passiven Ausrichtung Jamaikas ist dieses Testspiel nicht besonders aussagekräftig. Das tiefe Zurückfallen wird die Schweiz bei der WM selten bespielen müssen. Ausserdem rückten die Jamaikaner selbst bei eigenen Kontern und bei eigenem Ballbesitz nur mit wenigen Spielern auf, sodass die Schweizer Stärken im Umschaltspiel überhaupt nicht zum Tragen kamen.
Die mannschaftstaktische Organisation war aber weitestgehend gut, auch wenn die Abstimmung innerhalb der Angriffsreihe noch runder sein könnte. Zudem war die Absicherung gegen Konter sehr stabil. Gegen Gegner auf Augenhöhe sollte Hitzfelds Mannschaft besser funktionieren.